«Der Kanton Uri wird zum Velogefängnis»
Mit einem Fahrverbot für Velos auf der Axenstrasse wurden Anfang Juli die nationalen Velorouten 3 und 4 unterbrochen. Das stösst auf Kritik.
Veröffentlicht am 23. August 2023 - 14:52 Uhr
«Gefährliche Hauptstrasse Brunnen–Flüelen. Benützen Sie Bahn oder Schiff»: So mahnte bis vor kurzem eine Tafel am Vierwaldstättersee Radfahrerinnen und -fahrer. Seit dem 11. Juli, just zu Beginn der Sommerferien, wurde die Empfehlung durch ein Fahrverbot ersetzt.
Velos haben auf dem engen und viel befahrenen Abschnitt der Axenstrasse zwischen Sisikon und Brunnen nichts mehr zu suchen. So hat es das Bundesamt für Strassen (Astra) verfügt.
Velofahrende werden seither zwischen Brunnen SZ und Sisikon UR mit Shuttlebussen transportiert. Als Reaktion auf den schweren Unfall, bei dem im Juli 2022 ein Auto in den Vierwaldstättersee gestürzt war, wurde die Höchstgeschwindigkeit für den motorisierten Verkehr gleichzeitig von 80 auf 60 Kilometer pro Stunde beschränkt. Die Massnahmen sind vorerst bis Oktober befristet.
Auf dem Urner Abschnitt der Axenstrasse von Sisikon bis Flüelen können Velofahrerinnen und Velofahrer hingegen immer noch die spektakuläre Aussicht auf den Vierwaldstättersee geniessen.
Nach den Sommerferien fällt das Fazit der Interessenvertreter des Langsamverkehrs durchzogen aus. Zwar sind sich in einem Punkt alle Beteiligten mit dem Astra einig: Für Velofahrerinnen und Velofahrer ist die nun gesperrte Strecke hochgefährlich. Doch mit der aktuellen Lösung ist niemand richtig glücklich.
Mässig begeisterte Velofahrende
Der VCS Uri hatte 2022 selbst angeregt, einen Shuttlebetrieb einzurichten. Gleichzeitig forderte der Verkehrs-Club aber auch Tempo 30 in Sisikon und dass das Trottoir zwischen Sisikon und Brunnen für Velos freigegeben wird. Von einer Temporeduktion innerorts wollte das Astra jedoch nichts wissen.
Alf Arnold vom VCS Uri hat den Velotransport ausprobiert und ist zufrieden. «Die jetzige Lösung mit dem Shuttlebus funktioniert gut, jetzt können auch weniger geübte Velofahrende den Axen überwinden.» Er mahnt aber, über die Sommersaison hinauszudenken. Wenn das Verbot bestehen bleibe, müsse man auch das Angebot für Zweiradfahrende weiterführen, «allenfalls auch in Zusammenarbeit mit den SBB, aber gratis».
Jürg Buri von Pro Velo Schweiz wird deutlicher: «Wir sind nicht begeistert von dieser Massnahme. Der Kanton Uri wird damit faktisch zum Velogefängnis.» Es sei nur schwer zu akzeptieren, dass das Astra auf dem Buckel der Velofahrenden derart radikale Lösungen wie dieses Fahrverbot verordne, findet Buri.
Das Bundesamt ist zufrieden
Nicht wirklich glücklich über die Sperrung ist auch die Stiftung Schweiz Mobil. Die beiden nationalen Velorouten 3 und 4 führen mangels Alternativen über die Axenstrasse – und sind jetzt für Velofahrende nicht mehr durchgängig befahrbar. Man habe mit dem Astra und den Kantonen Schwyz und Uri seit Jahren immer wieder nach Lösungen gesucht, sagt Bruno Hirschi, Veloverantwortlicher bei Schweiz Mobil: «Gute Lösungen sind jedoch sehr schwierig zu realisieren.» Die nicht einspracheberechtigte Stiftung versucht nun, über die Kommunikation auf die Sperrung aufmerksam zu machen, und bleibt in Kontakt mit dem Astra und den Kantonen.
Und welches Fazit zieht das Astra aus der Strassensperrung während der Hochsaison? «Kurz- und mittelfristig sind die getroffenen Überbrückungsmassnahmen die einzigen, die die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden effektiv verbessern», schreibt Mediensprecher Samuel Hool: «Dieses Ziel konnte mit den getroffenen Massnahmen erreicht werden.» Im Schnitt seien pro Tag zwischen 10 und 100 Velos transportiert worden, zu Spitzenzeiten bis zu 140. An schönen Tagen seien zwei Busse eingesetzt worden, um Wartezeiten zu verhindern.
Anschlusslösung unklar
Über das weitere Vorgehen will sich das Astra nicht in die Karten blicken lassen. Für Anschlusslösungen sei das Astra mit Vertreterinnen und Vertretern des öffentlichen Verkehrs in Kontakt: «Näheres zum Vorgehen nach der Pilotphase können wir aktuell noch nicht sagen.»
Klar ist: Spätestens wenn die Fertigstellung der Neuen Axenstrasse näher rückt, die zu einem grossen Teil in Tunneln verlaufen soll, werden die Verbände des Langsamverkehrs ihre alte Forderung erneuern. Die heute bestehende Axenstrasse soll ihrer Meinung nach ganz für Velofahrerinnen und Fussgänger reserviert sein. Bis dahin dauert es jedoch noch: Die Inbetriebnahme der Neuen Axenstrasse ist aktuell für 2033 geplant.
2 Kommentare
Es ist völlig unakzeptabel, einen ganzen Kanton vom Veloverkehr abzuhängen, da gibt es nichts zu beschönigen. Wenn schon ein Verbot, dann könnte man auf der Axenstraße ein Autoverbot verhängen, da Autofahrer diese problemlos über Luzern auf der anderen Seite des Vierwaldstättersees umfahren können.
Aber mit etwas gutem Willen geht es auch für Radfahrer und Autos zusammen, wie auf vielen anderen Straßen.
Hier spielt sicher der Fahrradhass des CH-Verkehrministers eine Rolle, der bei solch einer Maßnahme sicher im Bilde ist und seine Zustimmung gegeben hat, auch wenn es inoffiziell hinter verschlossenen Türen war und offiziell als "administrative Maßnahme" "vermarktet" wird.
Schockierend finde ich, mit welcher Lockerheit proVelo und VCS diese Maßnahme, mit der die Achillesferse des Veloverkehrs der Innerschweiz getroffen wird und quasi über Nacht alle Straßen im Kanton Uri zu Autobahnen wurden.
Es sollte doch der Grundsatz gelten, dass man alle Kantone mit dem Velo aus eigener Kraft erreichen kann.
Habe die Strecke mit dem Velo schon mehrmals befahren. Sie ist schon gefährlich, und für wenig geübte Velofahrer wohl echt bedrohlich. Aber auf einer normalen Kantonsstrasse, die für alle offen sein müsste, gleich Velos zu verbieten, ist krass und rechtlich bedenklich.