Es rattert und rohrt. Der Bagger macht sich am Belag des schmalen Strässchens zu schaffen. Eine ganz normale Baustelle, könnte man meinen. Doch an der Ottostrasse in Zürich geht es nicht darum, etwas zuzubetonieren oder Leitungen zu verlegen. Eher handelt es sich um einen Rückbau – mit dem Ziel, den Asphalt des rund 70 Meter langen Strässchens zu entfernen. Oder zu «knacken», wie Isabella Sedivy und Bettina Walch es ausdrücken.

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Die beiden ehemaligen Fernsehjournalistinnen haben vor zweieinhalb Jahren Plan Biodivers gegründet, ein Unternehmen für Umweltkommunikation und Planung. Eines ihrer Projekte heisst «Asphaltknackerinnen». Gemeinsam mit Sabrina Stettler, die vor einem Jahr zum Team gestossen ist, unterstützen sie Hausbesitzerinnen und Mieter, die asphaltierte Parkplätze, Wege oder Hinterhöfe in Grünflächen umwandeln möchten.

In den Schweizer Städten sind heute über 60 Prozent aller Flächen versiegelt, also betoniert, asphaltiert, gepflastert oder anderweitig bebaut. Gerade mit Blick auf die Klimaerwärmung sei das bedenklich, sagt Isabella Sedivy. «Asphalt heizt die Stadt auf. Und er lässt das Wasser nicht im Boden versickern. Bei Starkregen kann das zu Überschwemmungen führen.» Zudem wächst auf Asphalt nichts. Nicht jede Asphaltfläche kann aufgebrochen werden. «Aber es gibt viele Möglichkeiten», sagt Bettina Walch. Parkplätze lassen sich auch mit Rasengittersteinen befestigen. Hinterhöfe wirken lebendiger mit Gartenbeeten statt im eintönigen Grau in Grau. Und statt Teer auf dem Vorplatz ist ein Kiesbelag möglich. Wer die richtige Samenmischung einsät, kann dort wunderschöne, anspruchslose Blumen bestaunen.

Siegerinnen eines Ideenwettbewerbs

Einen Kiesbelag erhält auch das Strässchen in der Siedlung Ottostrasse der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich. «Der Weg wird kaum befahren, deshalb kann der Asphalt gut ersetzt werden», sagt Sedivy. Ausgeführt werden die Arbeiten von einer Gartenbaufirma. Die Asphaltknackerinnen stehen beratend zur Seite, helfen beim Wegbringen des Asphalts und übernehmen die Kosten für Abtransport und Entsorgung.

«Eine entsiegelte Fläche ist fünf Grad kühler als eine asphaltierte.»

Bettina Walch, Asphaltknackerin

Möglich ist das, weil die Asphaltknackerinnen zu den Gewinnerinnen des Ideenwettbewerbs «Für Züri» zählen, den die Stadt Zürich im Jahr 2021 mit der Jubiläumsdividende der Zürcher Kantonalbank lancierte. Ihre Aufgabe ist auch, den von ihnen begleiteten Projekten zu Sichtbarkeit zu verhelfen, im Web oder auf Social Media. Letztlich geht es darum, möglichst viele Menschen für das Thema zu sensibilisieren.

Jede und jeder könne auf seinem Grundstück etwas unternehmen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu dämpfen, sagt Walch. «Eine entsiegelte Fläche ist fünf Grad kühler als eine asphaltierte.» Wichtig sei aber auch ein Umdenken in der Stadtplanung. «Am besten ist es, möglichst wenig Flächen neu zu betonieren und zu asphaltieren.»

«Wo es keine Bäume hat, können die Beläge bis zu 70 Grad heiss werden.»

Ueli Sieber, Leiter Entwässerung, Tiefbauamt Winterthur

Nach einigen Hitzesommern sind solche Überlegungen für die meisten Städte und Gemeinden brandaktuell. In den vergangenen zwei, drei Jahren hat sich die Idee der «Schwammstadt» in der Schweiz im Schnellzugstempo verbreitet. Dabei geht es darum, mit diversen Massnahmen dafür zu sorgen, dass der städtische Untergrund mehr Wasser aufnehmen und speichern kann – als Vorsorge für Dürreperioden, als Klimaanlage während Hitzetagen oder um Überflutungen bei heftigen Gewittern zu verhindern.

Fast jede grössere Stadt verfügt heute über ein Schwammstadt-Konzept. In Winterthur ist eine Arbeitsgruppe damit betraut. «Wir haben die Schwerpunkte definiert, nun wollen wir konkrete Massnahmen umsetzen», sagt Ueli Sieber, Leiter Entwässerung im Tiefbauamt. Bäume seien ein zentrales Element. «Wo es keine Bäume hat, können die Beläge bis zu 70 Grad heiss werden.»

Beim Umgang mit Wasser seien Entsiegelungen das eine, sagt er. Ebenso wichtig sei die Wasserspeicherung. Auf den Dachflächen des neu erstellten Polizeigebäudes etwa halten Spezialelemente Regenwasser zurück, das der Dachbegrünung zur Verfügung steht. Eine Herausforderung bei der Umsetzung der Schwammstadt-Richtlinien seien die beschränkten Platzverhältnisse im öffentlichen Strassenraum, sagt Sieber. Nicht nur überirdisch. «Der Untergrund ist voller Rohre, Leitungen und Kabel.»

In St. Gallen ist ein grosses Schwammstadt-Projekt die Neugestaltung des Marktplatzes. Geplant sei, das Kopfsteinpflaster wasserdurchlässig zu halten – also die Steine nicht mit Mörtel zu verfugen, sagt Marco Sonderegger, Leiter der Fachstelle Entsorgung. Zudem soll unter dem Platz ein schwimmbadgrosses Wasserrückhaltebecken entstehen. «Mit dem aufgefangenen Wasser würden sämtliche Bäume und Sträucher auf dem Platz bewässert. Es steht aber auch anderen Nutzungen zur Verfügung, etwa für die Reinigung.»

Grosses Interesse, viele Fragen

Bereits lanciert hat die Stadt einen Fonds für Projekte, die zum sorgsamen Umgang mit Regenwasser beitragen. Rund 40 Projekte seien in der Pipeline, sagt Sonderegger. Beiträge gibt es etwa für den Bau von Biotopen oder die Verwendung von sickerfähigen Belägen. Die Verwaltung weist Bauherren aktiv auf die Möglichkeiten des Fonds hin. «Diese Beratung ist entscheidend, um die Nutzung des Fonds zu steigern und das Projekt bekannt zu machen.»

Wie wichtig Beratung ist, wissen auch die Asphaltknackerinnen. Fragen und Vorbehalte zur Entsiegelung gebe es immer wieder, sagt Sedivy. Wächst alles zu, wenn der Asphalt weg ist? Wird der Kiesbelag weggeschwemmt? Manchmal führe die Entsiegelung zu etwas Mehraufwand im Unterhalt.

Das Interesse am Thema ist gross. Über ihre nächsten Ziele sind sich die beiden Gründerinnen indes noch nicht ganz einig. Bettina Walch möchte am liebsten ein Asphaltknackerinnen-Netz in der ganzen Schweiz aufbauen, Isabella Sedivy zuerst in der Stadt Zürich grössere Flächen angehen. Doch der Weg ist eigentlich egal. Wichtig ist beiden, so viele Asphaltflächen wie möglich zu knacken – zugunsten der Natur und der Lebensqualität der Menschen.