Keine Mütze, ohne dass ein Bommel aus Kaninchen auf der Spitze sitzt. Kein Küsschen, ohne dass ein Fuchsschwanz das Gesicht kitzelt. Kein Blick aus dem Zugfenster, ohne dass ein Marder auf fremden Schultern ruht. Viele tragen Pelz, obwohl ihnen Tiere am Herzen liegen – weil sie glauben, er sei sauber hergestellt. Das können sie nur, weil die Pelzindustrie ihnen vorgaukelt, sie produziere nachhaltig – mit Labels und Zertifikaten.

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«Pelz ist das nachhaltigste Material, das es gibt», sagt Wesley Petermann, der schrillste Pelzdesigner der Schweiz. Für seine erste Kollektion erntete er letzten Winter viel Kritik. Doch das interessiert ihn nicht. «Wunderschön» sei Pelz aus Zucht. Aber auch ganz schön teuer. «Für meine Kollektionen verwende ich deshalb nur geschossene Wildtiere oder Second-Hand-Pelz», sagt Petermann. Das sei günstiger.

Mit seiner Faszination gehört Petermann einer aussterbenden Gattung an. Modegrössen wie Chanel, Gucci, Versace und Hilfiger haben dem Echtpelz abgeschworen. Die London Fashion Week verzichtet auf Pelzdesigner. Petermann sieht das gelassen: «Vor einigen Jahren haben sich schon mal alle Stars gegen das Tragen von Pelz gestellt. Das geht wieder vorbei.» Die Anti-Pelz-Attitüde sei nur eine Modeerscheinung Tierpelz «Der aktuelle Pelzboom ist mir unerklärlich» .

 

Klare Kennzeichnungspflicht bei Pelz

Kundinnen und Kunden in der Schweiz sollen leichter erkennen können, woher Pelz stammt. Deshalb ist ab dem 1. April 2020 die geänderte Pelzdeklarationsordnung gültig. Sie verpflichtet Hersteller dazu, Echtpelz zu kennzeichnen. Wenn die Pelzproduktion nicht dem Schweizer Tierschutz- oder Jagdgesetz entspricht, müssen die Hersteller auch das angeben.

Lässt sich nicht zuverlässig sagen, aus welcher Haltung der Pelz stammt, kann die Formulierung «Gewinnungsart unbekannt - kann aus einer in der Schweiz nicht zugelassenen Haltungs- oder Jagdform stammen» verwendet werden.

Das Label Origin Assured

Die Pelzbranche sieht das anders – sie nimmt die Kritik ernst. 2007 rief der internationale Pelzhandelsverband das Programm Origin Assured ins Leben.

Die Idee: Die Herkunft des Pelzes soll nachvollziehbar sein. «Das Zeichen informiert Käufer darüber, dass ihr Pelz aus einem Land kommt, in dem nationale oder lokale Verordnungen bei der Pelzproduktion in Kraft sind», heisst es. 

Das Problem: Das Label garantierte nicht, dass diese Vorschriften auf den Farmen auch eingehalten werden. «Origin Assured ist ein reines Herkunftslabel, das keinerlei Kontrollen durchführt», sagt Thomas Pietsch von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Als Tierschützer Videos von Missständen auf europäischen Pelztierfarmen veröffentlichten, verlor das Label seine Glaubwürdigkeit. Seit 2015 existiert von Origin Assured nicht einmal mehr eine Website.

Monsterfuchs: mehr Pelz durch Überfütterung

Monsterfuchs: mehr Pelz durch Überfütterung.

Quelle: Oikeutta Eläimille
Das Label Saga Furs

2011 gründete die Pelzauktionsfirma Finnish Fur Sales das Label Saga Furs – das inzwischen grösste Pelzlabel Europas. «Mit Sorgfalt und Respekt auf europäischen Pelztierfarmen hergestellt», steht auf jedem Etikett. Saga bezeichnet sich als «Beweis für die Qualität von Pelzen und für ihre verantwortungsvolle Produktion in Europa». Die meisten Anteile an Saga Furs hält der finnische Pelzzüchterverband.

Die Idee: Das Label soll beweisen, dass der Pelz aus nachhaltiger Haltung stammt.

Das Problem: Pelz nachhaltig zu produzieren, ist wirtschaftlich nicht interessant. «Spürbare Haltungsverbesserungen für Pelztiere wären zu teuer. Die Käfige für ein einzelnes Tier müssten so gross sein, dass das Pelzgeschäft nicht rentieren würde», sagt Tierschützer Pietsch.

Bei der Zertifizierung geht Saga nach eigenen Angaben über die Mindestanforderungen des Europarats hinaus. In welchen Punkten, kann Saga-Sprecher Charlie Ross von der Marketing- und Nachhaltigkeitsabteilung auf Anfrage nicht sagen. Ein Farmer müsse alle 77 Kriterien erfüllen, um zertifiziert zu werden. «Wir verlangen 100 Prozent Übereinstimmung mit unseren Richtlinien», versichert Ross.

Bloss: Gemäss der Saga-Furs-Website muss eine Farm nur 32 Kriterien erfüllen. Eine 100-prozentige Übereinstimmung wird nicht erwähnt. Laut Ross «ein Fehler auf der Website». Wie das Verfahren zur Zertifizierung abläuft, verrät er nicht. Das sei Betriebsgeheimnis. Der Blick auf die Website zeigt: Nur eine von sieben Kategorien bezieht sich auf das Wohl der Tiere Tierhaltung Den Himmel sehen die «Optigal»-Hühner der Migros nie . Bewertet werden ansonsten Bereiche wie «Umweltmanagement» oder «Training und Vorbereitung auf Ausnahmesituationen».

Als mehrere Tierschutzorganisationen die prekären Lebensbedingungen auf Saga-Pelzfarmen aufdeckten, geriet das Label unter Druck. 2014 wies der finnische Veterinärverband darauf hin, dass die geltenden Tierschutzvorschriften nur Mindestanforderungen seien. Die Zertifizierung von Pelzen dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass dadurch mehr Tierschutz gewährleistet werde.

Nerze im Käfig

50 mal 50 Zentimeter gross ist ein Nerzkäfig. Der Nerz wird zwischen 30 und 45 Zentimeter lang – ohne Schwanz.

Quelle: Oikeutta Eläimille
Das Label WelFur

Die Grösse der Käfige sei Nebensache, sagt Steen Henrik Møller von der Universität Aarhus. «Der Nerz sieht den Käfig als sein Territorium an. Die Grösse dieses Territoriums spielt dabei keine entscheidende Rolle, solange er genug Essen hat und sein Territorium verteidigen kann.» Møller entwickelte im Auftrag der europäischen Pelzverbände einen Bewertungsbogen für die Nerz- und die Fuchszucht. Das Projekt WelFur verwendet den Bogen für die Zertifizierung. In einem WelFur-Werbevideo sagt Møller, dass die Domestizierung von Amerikanischen Nerzen – Minks – bis ins 19. Jahrhundert zurückgehe. Deshalb seien grössere Käfige oder gar Schwimmteiche, wie Tierschützer sie fordern, nicht nötig.

Saga als grösstes Pelzlabel Europas übernahm nach der Kritik 2014 die strengeren WelFur-Kriterien. 

Die Idee: Den Konsumenten wird garantiert, dass das Tier ein gutes Leben hatte.

Das Problem: Die Kriterien zur Haltung haben sich im Vergleich zur Saga-Zertifizierungsmethode nicht gross verändert. Nur sechs von zwölf WelFur-Kriterien beziehen sich auf das Wohl der Tiere. Die anderen betreffen die Haltungsbedingungen.

WelFur garantiert auch nicht, dass Farmen die EU-Mindestanforderungen einhalten. «Der Umgang mit den Tieren durch das Personal sowie die Wirksamkeit und die aktive Anwendung der Tötungsmethoden werden nicht berücksichtigt. Es wird auch nicht die gesamte Farm begutachtet, sondern nur Teile davon, und diese auch nur stichprobenartig», kritisiert Johanna Fuoss von der Tierschutzorganisation Peta.

Betrieben, die gegen die WelFur-Kriterien verstossen, werden Massnahmen zur Verbesserung vorgeschlagen. Für die Nerzhaltung sind es 25 Massnahmen, für Füchse 22. Auch davon ist nur die Hälfte tierbezogen.

Wer profitiert

Zertifiziert werden die europäischen Farmen ausserhalb von Finnland durch Saga Furs selbst. Die Kontrollen verantwortet die weltgrösste Schiffsklassifikationsgesellschaft, DNV GL. Ihre Kernkompetenzen sind technische Beratung, Ingenieurdienstleistungen, Risikomanagement. In Finnland werden die Zertifikate von der Firma Luova ausgestellt. Grösster Teilhaber an Luova ist mit 38 Prozent – der finnische Pelzzüchterverband. «Die Experten bei Luova sind die besten Leute für diesen Job, da sie Erfahrung in der Überwachung von Farmbetrieben haben und mit der Wertekultur sowie der Wertschöpfungskette von Saga Furs vertraut sind», sagt Charlie Ross von Saga.

Bis 2017 hätten alle Saga-Betriebe nach WelFur-Kriterien beurteilt werden sollen. Das ist bis heute nicht passiert. Farmen, die die WelFur-Anforderungen nicht erfüllen, dürfen unter dem Saga-Zertifikat weiterarbeiten. «Nach Dezember 2019 wird jede Saga-Farm eine WelFur-Beurteilung durchlaufen haben», verspricht Sprecher Ross. 

«Der Tod eines Tiers kann nicht schöngeredet werden», sagt Pelzdesigner Petermann. «Ich setze auch deshalb auf Naturprodukte.»

Für Pelzfarm-Tiere heisst Natur aber: Leben auf einer Fläche, so gross wie drei A4-Blätter. Gitterboden unter den Füssen. Ein Stück Holz als Spielzeug. Tageslicht nur durch milchige Scheiben. Gemäss der Pelzindustrie ist das nachhaltige Tierhaltung Tierhaltung Wie gut geht es unseren Tieren wirklich?

 

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