Alles eine Frage der Optik
Das Licht der Energiesparlampen sei kalt und ungemütlich - doch wer einige Regeln im Umgang mit der Technik beherzigt, kann in behaglichem Ambiente Stromkosten sparen.
Veröffentlicht am 8. September 2010 - 17:20 Uhr
«Osram bringt die erste Energiesparlampe mit warmem Licht, das einer herkömmlichen Glühlampe entspricht.» Dieser Satz war kürzlich in einer Publikation von Energie Schweiz zu lesen. Nun ja, ob der Hersteller Osram, Philips oder Megaman heisst: Ähnliche Aussagen hat man in den vergangenen Jahren schon oft gelesen – und ist darum skeptisch. Der Beweis kann nur in der Praxis erbracht werden. Und weil dies in den gleissend hell beleuchteten Räumen der Lampengeschäfte unmöglich ist, fahren wir ins – nicht öffentlich zugängliche – Lichtstudio von Osram in Winterthur.
Lichttechniker Remo Arpagaus relativiert dort als Erstes gleich das oben erwähnte Versprechen: «Dem Glühlampenlicht werden Energiesparlampen nur schwerlich entsprechen können.» Denn was bei der Glüh- oder Halogenlampe quasi natürlich entsteht, muss bei der Energiesparlampe künstlich erzeugt werden: ein möglichst kontinuierliches Farbspektrum und eine hochwertige Farbwiedergabe.
Beim Test im Lichtstudio ist man dann trotz diesem Wissen verblüfft: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Leuchtmitteln sind enorm. Eine weisse angestrahlte Fläche ist je nach Energiesparlampe nicht einfach weiss – die Palette reicht von Vanilletönen über Hellblau bis fast Lila. Und auch der Farbtest bringt Erhellendes zutage: Im Halogenlicht erscheinen Rot und Orange brillant, dafür hat das Blau einen leichten Graustich. Im Licht der sogenannt tagesweissen Energiesparlampe sind die Blautöne schön satt, dafür wirken die Rottöne fahl.
Dieser Aspekt ist leicht erklärt: Eine Halogenlampe verfügt wie die Glühlampe über ein kontinuierliches Farbspektrum, in dem alle Farbnuancen vorkommen – die Rot- und Orangetöne aber überwiegen stark, weshalb besonders diese Farben brillant wiedergegeben werden (siehe unten: «Der Sonnenschein trügt»). Das künstlich erzeugte Spektrum einer Sparlampe hingegen ist nicht kontinuierlich, hat oft erhöhte Blau- und Grünanteile, und manche Farbnuancen fehlen beinahe gänzlich – können also von unserem Auge kaum wahrgenommen werden.
Etliche Fluoreszenzlampen, die in Badezimmer-Spiegelkästen eingebaut sind, seien alte Modelle mit einem grünlastigen Spektrum, sagt der Osram-Lichttechniker Arpagaus: «Kein Wunder, hat man so beim morgendlichen Blick in den Spiegel jeweils das Gefühl, krank zu sein.»
Das Spektrum einer Stromsparlampe ist also ein zentraler Aspekt für die Qualität der Farbwiedergabe. Diese wird in Indexpunkten gemessen: 100 Punkte beträgt der Idealwert. Eine Glühlampe erreicht über 90 Indexpunkte, Stromsparlampen für den Wohnbereich liegen heute zwischen 80 und 90 Punkten. Nur grosse Fluoreszenzstablampen erreichen über 90 Indexpunkte.
Die Farbwiedergabe ist auf den Verpackungen als erste Ziffer im dreistelligen Code (827, 940 et cetera) zu finden – die 9 bedeutet etwa einen Farbwiedergabeindex von mindestens 90 Punkten. «Eine gute Farbwiedergabe geht bei Stromsparlampen immer zulasten der Energieeffizienz», sagt Fachmann Arpagaus. Eine Lampe mit Index 90 gebe rund 30 Prozent weniger Licht als eine mit Index 80, erklärt er. Die einfache Logik für die Anwendung in der Praxis: Wer eine gute Farbwiedergabe wünscht und es trotzdem sehr hell möchte, muss mehr Leuchten installieren.
Die Farbtemperatur ist ein weiteres wichtiges Merkmal einer Lichtquelle. Sie hat einen grossen Einfluss darauf, ob wir ein Licht als angenehm empfinden. Gemessen wird die Farbtemperatur in Grad Kelvin. Energiesparlampen sind mit Farbtemperaturen zwischen 2500 und 8000 Kelvin erhältlich. Auch diese Grösse ist dem dreistelligen Code auf der Verpackung zu entnehmen: Die letzten zwei Ziffern geben den Kelvin-Wert an: 940 heisst beispielsweise 4000 Kelvin.
Gewöhnt sind wir von der Glühbirne an ein Licht mit einer Farbtemperatur, die zwischen 2300 und 2900 Kelvin liegt. Dieses Licht empfinden wir Mitteleuropäer als angenehm und gemütlich. Das kommt nicht von ungefähr: Seit langer Zeit sind wir an ein Licht aus warmer Quelle gewöhnt. Erst war die Sonne einzige Lichtspenderin, danach folgten das Feuer, die Kerze, die Öl- und Gaslampe und schliesslich, Ende des 19. Jahrhunderts, die Glühbirne. Auch ihr Licht stammt aus einer warmen Quelle: In einem gasgefüllten Glaskolben wird ein Wolframdraht durch elektrischen Strom zum Glühen gebracht. Das Farbspektrum der Glühbirne ist jenem der untergehenden Sonne ähnlich – ein Licht, das in unseren Köpfen als warm und «heimelig» abgespeichert ist.
Das Licht der Energiesparlampen hat mit Feuer oder Glühen hingegen nichts zu tun. Hier wird durch die Entladung des Füllgases ein für uns nicht sichtbares UV-Licht erzeugt. Erst wenn dieses Licht auf die Beschichtung der Sparlampenröhre trifft, entsteht sichtbare Strahlung. Dieses Licht enthält oft hohe Anteile an Blau und Grün und wird in unseren Breitengraden daher als kaltes, ungemütliches Licht empfunden – seltsamerweise ganz im Gegenteil zu südlichen, wärmeren Ländern, wo das Sparlampenlicht gut ankommt.
Um uns den Umstieg auf Sparlampen möglichst zu vereinfachen, versucht die Industrie schon seit längerer Zeit, deren Licht jenem einer Glühlampe möglichst anzugleichen. In Bezug auf den dreistelligen Code wäre das Ziel also 925 – eine sehr gute Farbwiedergabe bei tiefer Farbtemperatur. Das gibt es aber nicht. Gemäss Lichttechniker Arpagaus liegt es daran, dass bei Sparlampen für den Wohnbereich – mit ihren kleinen Leuchtstoffröhrchen – die Lichtausbeute zu schwach wäre. Bei den langen Leuchtstoffröhren, die in der guten Stube aus optischen Gründen aber bisher nur von wenigen toleriert werden, wäre das schon eher machbar. «Aber der Markt fragt nicht danach», erklärt Remo Arpagaus.
So ist das energiesparende Licht, das der Glühbirne am nächsten kommt, jenes mit den Codes 825 oder 827 – oft auch als «Warmweiss» bezeichnet. Oder anders gesagt: das Sparlampenlicht mit hohen Rot- und Orangeanteilen. Auch hier lässt sich im Lichtstudio von Osram gut demonstrieren, welchen Einfluss das Licht im Wohnbereich hat, etwa beim Holz von Parkett, Tisch oder Schrank: Im Bereich von 4000 Kelvin wirkt das Kirsch- oder Eichenholz fahl, bei 3000 Kelvin hingegen wird es sozusagen zum Leben erweckt. Was aber auch das Lichtstudio nicht kann, ist, die Lichtstimmung einer ganzen Wohnzimmersituation nachzubilden. Also bleibt hierfür in einem ersten Schritt nur die Theorie.
Was als behaglich empfunden wird, hat der holländische Ingenieur Arie Andries Kruithof eingehend erforscht. Er hat die Beleuchtungsstärke (Lux) in Relation zur Farbtemperatur (Kelvin) gesetzt. Kruithofs Quintessenz: Die tiefen Farbtemperaturen – bis zirka 3000 Kelvin – werden nur bei geringer Beleuchtungsstärke (50 bis 100 Lux) als behaglich empfunden. Verwendet man hingegen Energiesparlampen mit einer höheren Farbtemperatur, muss dementsprechend auch die Beleuchtungsstärke gesteigert werden, damit nach wie vor eine angenehme Raumsituation vorherrscht.
DAS PASSENDE LICHT FÜR JEDEN RAUM
Aller Theorie zum Trotz wird man wohl nicht darum herumkommen, in einem zweiten Schritt zu Hause mehrere Proben aufs Exempel zu machen, um die passende Beleuchtung für die individuelle Raumsituation zu finden. Je nach Zimmer und Nutzung wird die Lösung anders aussehen:
- Wohn- und Schlafräume: Hier sind die Sparlampen mit warmweissem Licht (2500 bis 2700 Kelvin) zu empfehlen. Deren warmes Leuchten mit einem hohen Rotanteil erzeugt eine gemütliche Stimmung und regt dadurch die Ausschüttung des Hormons Melatonin im Gehirn an, was beruhigend und schlaffördernd wirkt.
- Bad, Küche, Hobbyraum: In diesen Räumen verträgt es Leuchtmittel mit Farbtemperaturen bis zu 3000 Kelvin.
- Arbeitsbereich: Hier spielt eine gute Farbwiedergabe eine wichtige Rolle – es sollte also eine Lampe mit Index über 90 gewählt werden. Und damit das Licht anregend wirkt, ist eine Farbtemperatur von mindestens 4000 Kelvin zu wählen. Generell gilt: Je weniger natürliches Tageslicht der Arbeitsplatz abbekommt, desto höher sollte die Farbtemperatur gewählt werden.
Was viele Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf vergessen: Die Lichtqualität im Raum hängt nicht nur von der Wahl des Leuchtkörpers ab, sondern auch von der Farbe des Wandanstrichs und, falls vorhanden, des Lampenschirms. Im Zweifelsfall heisst dann die Devise: ausprobieren – und sich vom Ergebnis überraschen lassen.
Der Sehvorgang ist äusserst komplex. Kein Wunder also, gelingen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet immer wieder neue Entdeckungen. Wie zum Beispiel jene des dritten Fotorezeptors im Jahr 2002: der melanopsinhaltigen Ganglienzellen in der Netzhaut. Diese sind aber nicht für das optische Sehen verantwortlich, sondern leiten ihre Informationen ans Gehirn weiter und beeinflussen dort die Ausschüttung des Hormons Melatonin. Melatonin wirkt beim Menschen beruhigend und schlaffördernd.
Der dritte Fotorezeptor ist vor allem im blauen Spektralbereich empfindlich – reagiert also vorwiegend auf helles Tageslicht. Dann vermitteln die entsprechenden Ganglienzellen der Zirbeldrüse Signale, die zu einer Unterdrückung der Melatoninproduktion führen. Dies wiederum erhöht Wachheit, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Ausserdem ist tagsüber helles Licht mit genügend hohem blauem Anteil wichtig für die Stabilisierung des Tag-Nacht-Rhythmus. So findet
in der Nacht eine erhöhte Melatoninausschüttung statt, was zu einem besseren Schlaf führt. Aus all diesen Gründen wird empfohlen, gerade an Arbeitsplätzen mit wenig Tageslicht statt Glüh- oder Halogenlampen Energiesparlampen mit tagesweissem Licht einzusetzen. Mit diesem kleinen Trick kann über den hohen Anteil Blau das «dritte» Auge aktiviert werden.
Wie sich unser Auge ein Bild von der Welt macht, bestimmen einerseits physikalische Gesetze, anderseits das komplexe Zusammenspiel von Auge und Gehirn.
Normal zu sehen heisst, seine Umwelt scharf und farbig wahrzunehmen. Dieser Vorgang ist Schwerstarbeit: Das Auge verbraucht mehr Energie pro Zelle als alle anderen Organe.
Grundsätzlich kann der Sehvorgang mit der Funktionsweise einer Fotokamera verglichen werden: Licht wird von Gegenständen reflektiert und trifft auf das Auge, wo es durch die Hornhaut auf die Pupille und schliesslich die Linse fällt. Die zwischen Linse und Pupille liegende Iris hat die Funktion der Blende – bei schwachem Licht weitet sie sich aus, bei starkem zieht sie sich zusammen. Die Lichtstrahlen werden darauf von der flexiblen Linse gebündelt, so dass sie an einem Brennpunkt auf der Netzhaut zusammenkommen.
Die Netzhaut kann mit dem Fotochip einer Kamera verglichen werden, wo nun eine spiegelverkehrte Abbildung der Umwelt entsteht. Auf der Netzhaut liegen die Fotorezeptoren: die Ganglienzellen, Stäbchen und Zapfen (siehe «Wir sehen mehr, als wir ahnen»). Die Stäbchen sind für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich, die Zapfen für das Erkennen von Farben sowie für das scharfe Sehen.
Weil sich die meisten Zapfen im Mittelpunkt der Netzhaut befinden, sehen wir nur in der Mitte scharf – in Blickrichtung sehen wir folglich am besten und nehmen Gegenstände im Augenwinkel nur noch unscharf wahr. Die Lichtsignale, die auf der Netzhaut ankommen, werden darauf in biochemische Informationen umgewandelt und über die Sehnerven an das Sehzentrum im Hirn weitergeleitet. Dort findet dann das eigentliche Sehen statt – der Abgleich der eintreffenden Information mit bereits gespeicherten, bekannten Bildern.
Welche Farben wir wahrnehmen, hängt davon ab, wie sie von einem Gegenstand absorbiert oder reflektiert werden. Jeder Gegenstand absorbiert – also «schluckt» – einen Teil des Lichts; nur das übriggebliebene, reflektierte Licht gelangt ins Auge und bestimmt damit die Farbe des Gegenstands. Vereinfacht gesagt, werden nur jene Farben zurückgeworfen, die der Farbe des Gegenstands entsprechen.
Reflektiert ein Objekt alle Farben, nehmen wir es als weiss wahr, wird keine Farbe reflektiert, sehen wir es schwarz. Farbtöne entstehen durch die Kombination der zurückgeworfenen Farben. Reflektiert kann aber nur werden, was überhaupt vorhanden ist.
Im Sonnenlicht etwa findet sich das ganze für Menschen sichtbare Farbspektrum – es kann also jede Farbe reflektiert und wahrgenommen werden. Wobei hier jedoch je nach Tageszeit Unterschiede bestehen: Um die Mittagszeit überwiegen im Sonnenlicht die Blauanteile, gegen Abend die Rotanteile – was wiederum auf die Wahrnehmung der Farben der Umgebung einen Einfluss hat.
Von wegen also, dass gesunde Augen die Umwelt «scharf und farbig» wahrnehmen sollten: Vor allem Letzteres hängt offensichtlich stark von der Lichtquelle ab. Und da vor allem Energiesparlampen Mühe haben, ein durchgehendes Farbspektrum wiederzugeben, kann in ihrem Licht eben nicht immer jede Farbe von unserem Auge richtig wahrgenommen werden.
Auf der Konsumenteninformationsseite www.topten.ch finden Sie neben den besten Energiesparlampen auch effiziente und attraktive Wohnleuchten.
3 Kommentare