Knie kaputt: Unfall oder nicht?
Nicht alles, was aussieht wie ein Unfall, ist auch einer – zumindest im rechtlichen Sinn. Je nachdem zahlt die Versicherung. Oder auch nicht.
«Grüezi Herr Doktor, ich hatte einen Unfall.» So melden sich viele Patienten beim Arzt. Er wird nicht widersprechen – die Versicherung vielleicht schon. Denn längst nicht alles, was umgangssprachlich als Unfall bezeichnet wird, ist auch aus rechtlicher Sicht einer. Massgeblich ist der Hergang des Ereignisses, das zur Verletzung führt – unter anderem der «ungewöhnliche äussere Faktor».
Was ist ein Unfall? Die Versicherung erbringt nur Leistungen, wenn das Ereignis, das zur Verletzung führt, bei rechtlicher Prüfung als Unfall betrachtet wird. Dazu muss Folgendes erfüllt sein:
- Ein äusserer Faktor wirkt auf den Körper ein (also nicht aus dem Körperinneren heraus).
- Die Einwirkung ist plötzlich (also nicht schleichend, stetig).
- Der Faktor wirkt unabsichtlich auf den Körper ein.
- Der äussere Faktor ist ungewöhnlich (muss also den Rahmen des Alltäglichen oder Üblichen sprengen).
- Die Einwirkung führt zu einer Verletzung am Körper, an der Seele oder der Psyche oder hat den Tod zur Folge.
Weitere unfallversicherte Körperschädigungen? Bei folgenden acht Verletzungen ist grundsätzlich selbst dann die Unfallversicherung zuständig, wenn gar kein Unfall im Rechtssinne passiert ist:
- Knochenbrüche
- Verrenkungen von Gelenken
- Meniskusrisse
- Muskelrisse
- Muskelzerrungen
- Sehnenrisse
- Bandläsionen
- Trommelfellverletzungen
Diese Aufzählung ist abschliessend. Es ist nicht mehr nötig, dass der Versicherte beweist, dass ein sinnfälliges Ereignis oder eine vermehrte Kraftanstrengung zu seiner Verletzung geführt hat. Seit Anfang 2017 sind diese zusätzlichen Kriterien weggefallen. Zudem wurde die Beweislast umgekehrt: Es liegt am Versicherer zu beweisen, dass der Körperschaden vorwiegend auf Krankheit oder Abnützung zurückzuführen ist. Gelingt ihm das nicht, muss er zahlen. Egal, wie es genau zur Verletzung gekommen ist.
Unfallversicherung oder Krankenkasse? Die Unfallversicherung erbringt Leistungen, wenn der Unfall die Verletzung verursacht hat (sogenannter Kausalzusammenhang) sowie grundsätzlich bei den oben aufgezählten Körperschädigungen. Ansonsten ist die Krankenkasse zuständig. Doch das hat Nachteile: Der Versicherte muss Franchise und Selbstbehalt selber tragen
– und erhält beispielsweise weder Taggeld noch Rente.
Wie kann man sich wehren? Falls die Unfallversicherung ablehnt, Leistungen zu erbringen, muss sie das in einer Verfügung schriftlich mitteilen. Wer damit nicht einverstanden ist, kann innert 30 Tagen Einsprache erheben. Das Verfahren ist kostenlos. Erst vor Bundesgericht wirds kostenpflichtig.
Wenn die Unfallversicherung nicht zahlt? Hat der Verunfallte das Ereignis selber herbeigeführt, kann die Unfallversicherung die Leistungen kürzen. Bei einem erheblichen Selbstverschulden können diese gar gänzlich wegfallen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn die Begehung einer Straftat den Unfall verursacht hat oder die Person an einer kriegerischen Handlung teilnimmt. Ebenfalls Kürzungen bis zur Hälfte kann die Unfallversicherung bei der Ausübung gefährlicher Sportarten (z. B. Bungee-Jumping oder Motorradrennen) vornehmen (mehr Infos zur Leistungskürzung).
Bei der Unfallversicherung (UVG) gibt es kein Mindest- oder Höchstalter für Angestellte. Alle Versicherte profitieren, wenn auch die rechtliche Definition eines Unfalls manchmal für Unklarheiten sorgt. Beobachter-Mitglieder erfahren, in welchen Fällen die Unfallversicherung zahlt, welche Leistungen sie beinhaltet und wie etwa Teilzeitangestellte versichert sind, die bei mehreren Arbeitgebern tätig sind.
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