Ein klassischer Interessenkonflikt
Gegen Provision für die Sitem-Insel AG Topkader rekrutieren und gleichzeitig im Verwaltungsrat der Insel-Gruppe sitzen? Kein Problem, finden die Verantwortlichen.
Veröffentlicht am 19. Juli 2018 - 16:39 Uhr,
aktualisiert am 17. Juli 2018 - 15:31 Uhr
Michèle Etienne trägt verschiedene Hüte – das lohnt sich für sie. Mit ihrer Kader-Rekrutierungsfirma Innopool AG sucht sie derzeit einen Chef für die Sitem-Insel AG. Die vom Inselspital geführte Firma soll medizinische Innovation fördern. Im Verwaltungsrat der Sitem: Michèle Etienne. Auch bei der Insel-Gruppe sitzt sie im Verwaltungsrat, also beim Inselspital und fünf zugehörigen Regionalspitälern. Ein klassischer Fall eines potenziellen Interessenkonflikts.
Als die Compliance-Stelle des Inselspitals eine Meldung zu dieser Konstellation erhält, lautet die Antwort: «Der geschilderte Sachverhalt legt einen potenziellen Interessenkonflikt nahe. Allerdings betrifft dieser die Sitem-Insel AG und nicht die Insel-Gruppe. Insofern fällt dieser Fall nicht in meine Zuständigkeit als Compliance Officer der Insel-Gruppe.»
Michèle Etienne lässt eine Anfrage des Beobachters unbeantwortet. Dafür äussert sich der starke Mann des Inselspitals, Uwe E. Jocham.
Bei ihm laufen alle Fäden zusammen. Er ist Verwaltungsratspräsident der Sitem-Insel AG wie auch der gesamten Insel-Gruppe – dort amtiert er auch als Direktionspräsident. Er sieht kein Problem in der Auftragsvergabe an die Verwaltungsrätin. Der Auftrag sei «bewusst» an Etienne vergeben worden, denn sie sei eine Expertin im Executive Search im Gesundheitswesen. «Zu einer Vermischung ihrer Rollen kommt es nicht, bei der formellen Wahl des neuen CEO wird Etienne als Verwaltungsrätin in den Ausstand treten», lässt Jocham verlauten.
Vergaberechtlich sei das kein Problem, da die Honorarsumme unter der Grenze einer zulässigen freihändigen Vergabe liege, argumentiert er. Darben muss Etienne mit dem Auftrag in eigener Sache nicht. Stellenvermittler kassieren bei platzierten Topkadern eine Provision von bis zu sechs Monatsgehältern – vermutlich also über 50'000 Franken.