«Dynamische Preise werden sich durchsetzen»
Tourismus-Experte Roland Zegg begrüsst den Ruck, der durch die Branche geht.
Veröffentlicht am 14. Februar 2019 - 17:20 Uhr,
aktualisiert am 14. Februar 2019 - 18:39 Uhr
Beobachter: Crans-Montana hat die Lust am «Magic Pass» verloren, Investoren in Saas-Fee wollen den «Hammer-Deal» beerdigen. In Andermatt kostet eine Tageskarte an einzelnen Tagen 10 Franken, in St. Moritz 105 Franken. Was ist los in den Bergen?
Roland Zegg: Es kommt Bewegung in ein lange Zeit starres Preisgefüge. Man muss aber unterscheiden. Dumpingpreise wie in Crans-Montana oder Saas-Fee sind für die Bergbahnen schlechte Deals. Dafür profitieren die Destinationen. Die Logiernächte gehen rauf, Restaurants verkaufen mehr Menüs. Eine andere Geschichte sind die neu aufgekommenen dynamischen Preise.
Eine Erfolgsgeschichte?
Absolut, es zahlt sich aus. Für alle. Der Gast, der sein Skibillett online im Voraus kauft, profitiert von deutlich günstigeren Konditionen. Die Bahnen können die Nachfrage in ruhigeren Zeiten im Januar oder unter der Woche stimulieren. Zudem gewinnen sie wertvolle Daten über die Bedürfnisse ihrer Gäste. Schliesslich gewinnt die Destination, die ihre Auslastung erhöhen kann.
Mich nervt es, wenn der Nachbar auf dem Sessellift nur die Hälfte für seinen Skipass bezahlt.
Gute Kommunikation ist wichtig, dann akzeptieren die Leute dynamische Preise. Bei Flügen
, Hotelbuchungen oder bei den SBB tun sie es ja auch. Erste Erfahrungen zeigen: Es gibt praktisch keine Reklamationen. Inzwischen bucht in Zermatt oder im Engadin jeder dritte Gast sein Skiticket online. Dynamische Preise werden sich etablieren, davon bin ich überzeugt.
«Die Gäste profitieren letztlich von der Bewegung, die in die Branche gekommen ist.»
Roland Zegg, Tourismus-Experte
Weshalb hat man so lange gewartet?
Unterschiedliche Preise für Hoch-, Zwischen- und Nebensaison gibt es schon lange. Jetzt kommt das Online-Buchen. Das macht es möglich, die Preise im Verlauf der Saison anzupassen. Geben Sie der Branche noch zwei Jahre.
In Laax ist man längst so weit.
Der Verantwortliche Reto Gurtner ist ein First Mover, dementsprechend führt seine Destination bei diesem Thema
. In Laax können sich die Gäste gar nichts anderes mehr vorstellen.
Zu Gurtners Reich gehören Hotels, Skischulen, Mietstationen. Ein Resort nach amerikanischem Vorbild. Ist das das Modell der Zukunft?
Den Trend, alles unter ein Dach zu bringen, gibt es. Im Unterschied zu Resorts in den USA oder China, die aus dem Boden gestampft wurden, bestehen die Destinationen hierzulande aus gewachsenen Strukturen, viele Familienbetriebe. Das macht die Orte authentischer, vielfältiger. Die Kehrseite der Medaille: Man muss eine gemeinsame Strategie finden, gemeinsam investieren. Das gelingt nicht überall.
In Saas-Fee hat diese Solidarität nicht gespielt.
Die Bergbahn ist der wichtigste Leistungsträger in einem Wintersportort. Alles hängt von ihr ab. Deshalb ergibt es Sinn, wenn eine Gemeinde sich beim Kauf von Schneekanonen beteiligt. Oder dass mit Steuergeldern ein Sommerbetrieb sichergestellt wird, der für die Bahn zwar kaum rentiert, für den Ort aber matchentscheidend ist.
Ein Drittel der Bergbahnen überlebt nur dank fremder Hilfe. Eine Bereinigung findet dennoch nicht statt. Sind Bergbahnen «too big to fail»?
Dass die Bereinigung nur zögerlich voranschreitet, hat zwei Gründe: Die Bergbahn ist zu wichtig für den Wintertourismus, selbst für eine noch so kleine Destination. Es werden sich immer Interessenten finden, die ein marodes Unternehmen am Leben erhalten. Zweitens wird es immer Mäzene geben, die sich aus Freude oder Verbundenheit zum Ort eine Bergbahn kaufen. Diese Geldgeber erwarten eine nachhaltige Führung – jedoch keinen Profit.
«Alles fährt Ski» gilt nicht mehr. Das Wettrüsten der Destinationen kostet viel Geld, was sich in den Preisen für die Billette niederschlägt. Können sich bald nur noch Reiche Skiferien leisten?
Nein. Skiferien kosten heute erheblich weniger als noch vor drei bis vier Jahren. Wer früh im Netz bucht, bekommt einen günstigen Preis, die Hotels bieten Packages an, es gibt Rabatte auf die Anreise. Die Gäste profitieren letztlich von der Bewegung, die in die Branche gekommen ist.
Wie weiter mit den Schweizer Skigebieten?
Klimawandel, Gästeschwund, Preisschlachten: Die Prognosen für den Schneesport sind düster. Skigebiete suchen verzweifelt nach Auswegen.