Ausrangiertes erwacht zu neuem Leben
Gebrauchte Materialien sind eine preisgünstige und ökologische Alternative zu Neuanschaffungen. Und dank dem Internet hat man das Gewünschte erst noch mit ein paar Klicks beisammen.
Veröffentlicht am 10. September 2009 - 09:45 Uhr
Ein Umbau ist angesagt: Die alte Küche braucht eine Auffrischung. Die Abdeckung muss weg, ebenso der Herd mit dem defekten Backofen. Auch der Boden in der Küche macht keine gute Falle mehr – höchste Zeit, dass er einem neuen Steinboden Platz macht. Für die preisbewusste Heimwerkerin ist klar: Sie will die Arbeiten selber ausführen – und zwar mit möglichst günstigen Materialien.
Als Erstes setzt sie sich vor den Computer. Denn für günstige Baumaterialien und Haushaltsgeräte ist das Internet eine wahre Fundgrube. Bei der Auktionsplattform ricardo.ch ersteigert sie einen acht Jahre alten Elektroherd für 270 Franken (Neupreis: 2200 Franken), bei bau-boerse.ch kauft sie einen Restposten neuwertiger Marmorplatten, zwölf Quadratmeter für 720 Franken (Originalpreis: unbekannt), und auf bauteilclick.com findet die Heimwerkerin schliesslich noch eine Küchenabdeckung aus Chromstahl, die ihr gefällt, Kostenpunkt: 544 statt 3000 Franken (Neupreis). Die Einkaufstour im Internet ist ein voller Erfolg: Die Anschaffung neuer Materialien in einem Fachgeschäft wäre die Heimwerkerin um einige tausend Franken teurer zu stehen gekommen.
«Unsere Preise bewegen sich zwischen 10 und 40 Prozent des Neuwerts», sagt Daniel Glauser, Geschäftsführer von Bauteilnetz Schweiz, der Dachorganisation der Bauteilbörsen und Betreiberin des Internetportals bauteilclick.com. Hier werden die Angebote der 15 Schweizer Bauteilbörsen und Bauteilläden gebündelt.
Das angebotene Material stammt aus Liegenschaften, die umgebaut oder abgebrochen wurden. Waschbecken, komplette Küchen, massive Parkettböden, Türen – vieles ist oft noch in einem sehr guten Zustand. Es wäre unsinnig, die Materialien einfach in den Abfall zu werfen. Die Bauteilbörsen bauen brauchbare Teile aus Gebäuden aus, reinigen sie, stellen sie instand und verkaufen sie weiter.
Das Schöne am Recycling sei, «dass dabei Werte und Investitionen erhalten bleiben», sagt Glauser. Mehr als die Hälfte seiner Kunden sind private Bauherren und Heimwerker. Sie gehen direkt zu den Bauteilbörsen oder studieren das Angebot im Internet. Haben sie dort etwas gefunden, reservieren sie es und holen die Materialien entweder direkt in der entsprechenden Börse ab oder lassen sie nach Hause liefern (was nur bei den grösseren Bauteilbörsen möglich ist). Die Lieferung kostet natürlich: mehr, wenn man das Material auf ein bestimmtes Datum zu Hause haben will, weniger, wenn man der Bauteilbörse einen Zeitraum von einigen Wochen gewährt, damit Sammellieferungen möglich sind.
Der günstige Einkauf ist das eine – nicht zu unterschätzen ist aber der Einbau von gebrauchten Bauteilen. Eine neue Küchenabdeckung anzubringen oder einen massiven Parkettboden zu verlegen verlangt einiges an handwerklichem Geschick. Eine Bauanleitung gibt es nicht, und das zum Einbau nötige Kleinmaterial, etwa die richtigen Schrauben, muss man selbst besorgen. Und wer die Arbeit nicht eigenhändig verrichten will, hat es oft schwer, eine Fachperson zu finden. Viele Handwerker scheuen sich, gebrauchte Teile zu installieren: aus Haftungsgründen und weil die sonst übliche Marge auf Neumaterialien entfällt. Darum verfügen die meisten Bauteilbörsen über ein kleines Netz von lokalen Handwerkern, die bereit sind, gebrauchte Bauteile einzubauen.
Die gefragtesten Recyclingbauteile sind laut Glauser Sanitär- und Küchenapparate, Einbauküchen, ausserdem Türen, Fenster und immer mehr auch Ersatzteile, die auf dem Markt nicht mehr erhältlich sind. Angebot und Nachfrage steuern auch die Preise der gebrauchten Baumaterialien. So sind in letzter Zeit die Preise für alte Parkettböden und für Raritäten wie Füsschenbadewannen gestiegen. Gesunken sind sie dagegen für Artikel, die es auch in den Baumärkten immer billiger zu kaufen gibt – zum Beispiel Kühlschränke und Lavabos.
Auch die Pirsch ausserhalb der anonymen Welt des Internets zahlt sich natürlich aus. Vielleicht erblickt man einen Stapel ungebrauchter Ziegel im Garten des Nachbarn, oder man fragt bei den lokalen Handwerksbetrieben nach, ob noch Restposten aus einem bereits erledigten Auftrag an Lager und günstig abzugeben sind. Allerdings sollte man sich dabei im Klaren sein, dass man sich damit nicht gerade zum beliebtesten Kunden macht…
Und dann kommt noch die Sache mit den Mengen und Massen – für Laien oft eine besondere Herausforderung: Fehlen bei der Küchenabdeckung aus Chromstahl nur ein paar Zentimeter Länge, fehlt vom schönen alten Nussbaumparkett nur ein Quadratmeter Holz, war alle Mühe umsonst, und der vermeintliche Spareffekt verkehrt sich ins Gegenteil.
Gelingt das Unternehmen, darf man sich nicht nur über günstige Preise freuen, sondern auch über die Gewissheit, ökologisch gehandelt zu haben. Wer gebrauchte Baumaterialien rezykliert, spart Ressourcen und schont die Umwelt. Daniel Glauser vom Bauteilnetz hat errechnet, dass der CO₂-Ausstoss in der Schweiz im Jahr 2008 dank den Verkäufen in den Bauteilbörsen um rund 3800 Tonnen verringert werden konnte und etwa 18 Millionen Kilowattstunden Strom eingespart wurden.
Noch besser wird die Ökobilanz natürlich, wenn unsere Heimwerkerin auf der Suche nach der passenden Küchenabdeckung nicht mit ihrem Auto quer durch die halbe Schweiz kurvt – und wenn sie nur elektronische Recyclinggeräte kauft, die sparsam im Energieverbrauch sind.
Recycling: Bauteilbörsen helfen beim Entsorgen
Heimwerker brauchen nicht nur Baumaterialien, sie haben oft auch solche anzubieten – etwa wenn aus dem Vorplatz mit Betonplatten ein Gartenbeet gemacht wird. Statt die Platten in der Abfalldeponie kostenpflichtig zu entsorgen, kann man sie im Internet anbieten (Ricardo, E-Bay, Bauteilclick, Piazza und andere) – entweder gegen ein Entgelt oder vielleicht sogar gratis. Immerhin wird einem die Entsorgung abgenommen.
Eine weitere Möglichkeit ist, die Demontage einer Bauteilbörse in Auftrag zu geben. Geld erhält man dafür zwar nicht, im Gegenteil: Je nach Aufwand kostet die Demontage. Die Preise liegen in der Regel aber unter dem, was die Demontage durch einen Handwerker kostet. Für den Ausbau eines kleinen Fensters zahlt man rund 40 Franken, die Entfernung eines verklebten Parkettbodens kostet fünf Franken pro Quadratmeter. Eine lohnende Ausgabe, vor allem für Heimwerker mit wenig Zeit und für solche, die lieber beim Bauen als beim Herausreissen Hand anlegen.
Restposten und günstige Neumaterialien: Auktionsplattformen Ricardo und Ebay oder Marktplätze wie www.piazza.ch