Das Haus unter dem Hammer
Der Immobilienmarkt boomt, es gibt mehr Kauflustige als Angebote. Als Folge versteigern Verkäufer ihr Objekt den Meistbietenden. Damit das mit rechten Dingen zugeht, ist einiges zu beachten.
Veröffentlicht am 29. April 2013 - 13:19 Uhr
Die SBB wagten erst vor kurzem ein Experiment: Als Besitzerin von 46 exklusiven Eigentumswohnungen an der Europaallee neben dem Zürcher Hauptbahnhof entschied sich die Bahn für ein Bieterverfahren. Melden sich für eine Wohnung mehrere Interessenten, geht der Zuschlag an den Meistbietenden.
Dieses Verfahren ist für ein Projekt dieser Grösse ungewöhnlich, bei Einzelobjekten aber hat es sich längst etabliert, bestätigt Roger Wiesendanger, Filialleiter der Zürcher Kantonalbank (ZKB) in Winterthur: «In unserem Marktgebiet kommt bei Einzelobjekten in rund 90 Prozent der Fälle ein Bieterverfahren zum Zug.» Als Folge der tiefen Zinsen und der Bevölkerungszunahme läuft der Immobilienmarkt vor allem in Ballungsräumen heiss. «Es kommt durchaus vor», sagt Wiesendanger, «dass einer 100'000 Franken mehr bietet, wenn er das Haus unbedingt haben möchte.»
Ist der Markt vom Kaufrausch geprägt, droht die Fachdisziplin der Immobilienschätzung an Bedeutung zu verlieren. Händler von Häusern, Wohnungen oder Grundstücken lassen sich bei der Preisgestaltung nicht mehr unbedingt davon leiten, wie hoch ein Experte den Wert veranschlagt. Vielmehr legen sie es darauf an, das Ungleichgewicht auf dem Markt spielen zu lassen – nicht selten im Interesse einer kurzfristigen Gewinnmaximierung.
Die Folgen bleiben unter Experten umstritten. Werner Egli von der Hypothekenbörse AG findet, dass mit einem Bieterverfahren Druck auf Interessenten aufgebaut wird: «Wenn man konkret mit Mitbietern konfrontiert ist, erhöht dies bei Interessenten die Bereitschaft, immer wieder nachzuofferieren und das Angebot zu erhöhen.»
Grundstücks- oder Hausbesitzer, die sich beim Verkauf einer Immobilie nicht dem Vorwurf der Preistreiberei aussetzen wollen, sollten bei einem Bieterverfahren einige Spielregeln beachten.
Wer auf die Schnelle mit einem Phantasiepreis starten will, wird sich Probleme einhandeln – ernsthafte Interessenten stösst man vor den Kopf, wenn man monatelang inseriert und sich herumspricht, dass man sich mit dem Verkaufspreis bös verspekuliert hat. Wer dann seine überrissenen Vorstellungen korrigieren muss, weckt zudem ein falsches Signal: Der Marktlogik zufolge werden viele Interessenten nicht zugreifen, sondern warten, bis der Preis weiter sinkt. Als Grundlage ist daher ein Verkehrswertgutachten zweckmässig. Dafür kommt ein Schätzer mit entsprechendem Fachausweis infrage. Oder man wendet sich an einen Treuhänder, der zum Beispiel Mitglied des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT) ist. Der Schätzer ist zudem mit Vorteil bei den lokalen Banken anerkannt respektive akkreditiert.
Laut Rita Eichenberger, Abteilungsleiterin Verkauf beim Hauseigentümerverband Zürich, kommen Bieterverfahren vor allem für gängige Objekte an guter Lage infrage: «Völlig falsch wäre es aber zu meinen, in Randregionen würden einem die Interessenten die Liegenschaften aus den Händen reissen.» Für exklusive Objekte, Spezialfälle wie sehr alte Gebäude und zweitklassige Lagen ist es immer noch klüger, den Verkauf konventionell abzuwickeln. Das heisst: den Verkehrswert schätzen lassen und dann mit viel Geduld einen persönlichen Kontakt zu Interessenten suchen.
Dazu gehören alle wichtigen Unterlagen zum Objekt wie Grundbuchauszug, Pläne, Baubeschrieb, Fotos, exakte Angaben zu Ausbau, Baujahr und Renovationen, zu Flächen und Rauminhalt. Bei Bieterverfahren ist es üblich, dass der Verkäufer beziehungsweise Eigentümer das Verkaufsangebot öffentlich macht, zum Beispiel über Internetportale oder Zeitungsannoncen.
Kaufinteressenten erhalten die Möglichkeit, sich an zwei oder drei Besichtigungsterminen ein Bild des Objekts zu machen – dabei lässt sich schon abschätzen, wie gross das Interesse potentieller Käufer tatsächlich ist. Bei der Besichtigung oder sogar schon in der ersten Verkaufsausschreibung gehört es zum guten Ton, das Bieterverfahren zu erklären und transparent zu machen. Die Ziele des Verkaufs müssen vorgängig definiert sein: Will man einer sympathischen Familie den Vorzug geben? Oder steht doch die Erzielung des grösstmöglichen Verkaufserlöses im Vordergrund? Will man das Bieterverfahren in zwei oder drei Runden durchführen? «Ich würde davon abraten, mehr als eine Runde zu machen», sagt Rita Eichenberger vom Hauseigentümerverband. Bei Interessenten zeichne sich zunehmend ein gewisser Überdruss ab: «Wer mehrmals in einem Bieterverfahren unterlegen ist, wird sich zurückziehen, sobald er nur das Stichwort Bieterverfahren hört.»
Für die Organisation und Abwicklung eines Bieterverfahrens bieten Immobilienmakler ihre Dienste an. Grundstücks- oder Hauseigentümer sollten aber nur jemanden beiziehen, der einwandfreie Referenzen in der Immobilienvermarktung und Erfahrung vorzuweisen hat. Die Provision ist Verhandlungssache und liegt bei zwei bis drei Prozent des Verkaufserlöses. Ein seriöser Makler wird auf Reputation bedacht sein. Es darf also weder beim Verkauf in eigener Regie noch beim Makler der Eindruck entstehen, das Haus komme aus purer Gier so rasch als möglich unter den Hammer.
Auch Kaufinteressenten müssen einige Punkte beachten, wenn sie an einem Bieterverfahren teilnehmen und sich dabei Chancen ausrechnen wollen.
Normalerweise haben die Interessenten zwei bis drei Wochen Zeit, um ihre Angebote einzureichen – je nach Bedarf folgen dann Nachverhandlungen, Zusatzfragen zu Garantien am Bau oder Zusatzbesichtigungen. Wichtig: Kaufinteressenten sollten gleich nach der Besichtigung und mit der vollständigen Verkaufsdokumentation ihre Hausbank aufsuchen und die Finanzierung sicherstellen. «Bei einer grösseren Zahl an Interessenten scheiden natürlich alle aus, die keine Finanzierungszusage einer Bank vorlegen können», sagt ZKB-Banker Roger Wiesendanger. Das Dokument bescheinigt dem Interessenten, dass er in der Lage wäre, das Haus zum Richtpreis oder im Rahmen seines Gebots zu finanzieren.
In letzter Zeit kommt es häufiger vor, dass eine Bank die Finanzierung nicht bis zum höchstmöglichen Verkaufspreis zusichert. «Also wird der Käufer die Differenz mit seinem eigenen Vermögen decken müssen», sagt Roger Wiesendanger von der ZKB. Wer bei Pensionskassenbezügen zwecks Wohneigentum bis ans Limit geht oder noch Erbvorbezüge tätigt, ist sich der Risiken oft gar nicht bewusst. Im Fall einer Immobilienkrise ist der Einsatz des Eigenkapitals das Erste, das der Wohneigentümer abschreiben muss – oder das zusätzlich eingeschossene Geld fehlt den Käufern dann später, wenn sie renovieren wollen.
Juristisch betrachtet ist ein Bieterverfahren so lange offen, bis ein öffentlich beurkundeter Kaufvertrag vorliegt – ein Grundstücks- oder Wohnungskauf setzt von Gesetzes wegen die öffentliche Beurkundung voraus. Irgendwelche anderen Zusagen oder auch schriftliche Reservationsverträge sind streng genommen nichts wert. Ein Interessent muss sich dessen bewusst sein – öfters investiert man viel Aufwand in die Prüfung eines Objekts und geht dann doch leer aus. Auch wenn sie nicht wirklich bindend ist, einigen sich die Parteien daher mit Vorteil auf eine schriftliche Reservationsvereinbarung und eine Anzahlung von beispielsweise 50'000 Franken.