Strom von der Sonne anzapfen
Warmes Wasser für Küche und Bad, Strom fürs ganze Haus – mit der Kraft der Sonne können Hausbesitzer selber Energie produzieren. Umweltfreundlich und rentabel.
Veröffentlicht am 27. September 2018 - 15:54 Uhr,
aktualisiert am 23. Oktober 2018 - 09:08 Uhr
Gewaltige Energien werden im Innern der Sonne durch Kernfusion freigesetzt – eine Hitze von mehr als 100 Millionen Grad entsteht. Und obwohl die Sonne rund 150 Millionen Kilometer entfernt ist, beträgt die Energiemenge, die auf die Erde trifft, immer noch das rund 10'000fache des Bedarfs der gesamten Menschheit.
Diese Energie ist für alle zugänglich und gratis. Ein Angebot also, das man nutzen sollte. Immobilienbesitzer haben folgende Möglichkeiten: Sie können mit Sonnenenergie entweder Wärme gewinnen oder Strom produzieren – oder beides. Aber was ist sinnvoller: eine Solarthermie-Anlage auf dem Dach installieren, deren Kollektoren das Wasser im Boiler erhitzen, oder eine Fotovoltaikanlage, die Strom erzeugt?
Das hänge vom Heizsystem ab, sagt David Stickelberger, Geschäftsführer beim Branchenverband Swissolar: «Der Grundsatz lautet: Wenn in der Heizung etwas verbrannt wird – wie Öl, Gas oder Holz –, empfiehlt sich als Ergänzung primär eine Solarthermie-Anlage.» Im Sommer kann damit meist das ganze Warmwasser für den privaten Gebrauch bereitgestellt werden. «Die Heizung kann man dann während dieser Zeit getrost in die Ferien schicken», sagt Stickelberger.
Über das ganze Jahr betrachtet, liefert eine Solarthermie-Anlage rund 60 bis 80 Prozent des benötigten Warmwassers – sofern sie richtig dimensioniert ist. Pro Person im Haushalt benötigt man 1 bis 1,5 Quadratmeter Kollektorfläche, die auf einem möglichst unbeschatteten Dachbereich mit Ausrichtung Südost, Süd oder Südwest angebracht wird. Soll die Anlage nicht nur zur Warmwasseraufbereitung dienen, sondern auch die Heizung unterstützen, muss die Kollektorfläche mindestens 12 Quadratmeter betragen. Diese Variante lohnt sich aber nur in sehr gut isolierten Häusern.
7 Quadratmeter Sonnenkollektoren braucht eine fünfköpfige Familie für Warmwasser.
Ob eine Solarthermie-Anlage für das eigene Haus das Richtige ist, wie viel sie ungefähr kostet und ob sie rentiert, zeigt der Solarrechner von EnergieSchweiz, einer Plattform des Bundesamts für Energie. Am Beispiel eines Einfamilienhauses in Bern (Dachneigung 35 Grad, Ausrichtung SW, 5 Personen, 7 Quadratmeter Kollektorenfläche) sieht das so aus (Zahlen gerundet): Die Installation kostet 16'800 Franken, davon werden kantonale und regionale Fördergelder von 2700 Franken abgezogen und eine Steuerersparnis von 3000 Franken; das ergibt eine Nettoinvestition von 11'100 Franken. Die Zahlen des Solarrechners sind laut Fachmann Stickelberger realistisch – sofern die Installation der Anlage keine besonderen Herausforderungen darstellt.
Was die individuelle Rechnung auch aufzeigt: Die Berner Hausbesitzer würden jährlich 670 Kilogramm CO2 einsparen, die Anlage wäre nach 23 Jahren amortisiert, und die mittlere Rendite auf dem eingesetzten Kapital würde ein Prozent betragen – bei einer realistischen Lebensdauer von 30 Jahren.
670 Kilogramm CO2 spart eine Solarthermie-Anlage mit 7 Quadratmetern Kollektorenfläche jährlich.
Solarthermie
- Sonnenkollektoren wandeln Sonnenlicht in Wärme um und geben diese an eine Trägerflüssigkeit weiter.
- Die Trägerflüssigkeit gibt die Wärme ans Wasser im Kombispeicher ab. Das Warmwasser wird im Haus verteilt.
- In sonnenarmen Zeiten stützt die Heizung die Erwärmung.
Um einiges besser sieht die Rechnung für Fotovoltaikanlagen aus. Im Gegensatz zur Solarthermie sind deren Preise in den letzten Jahren markant gesunken. Beim selben Haus in Bern, einer Modulfläche von 41 Quadratmetern und einer Nettoinvestition von 12'300 Franken zeigt die Berechnung von EnergieSchweiz, dass die Anlage bereits nach 14 Jahren amortisiert sein wird. Über die Lebensdauer von 30 Jahren ergibt sich eine Rendite des eingesetzten Kapitals von 2,7 Prozent. «Wo sonst findet man heutzutage eine ähnlich sichere Kapitalanlage mit einer derart guten Rendite?», fragt David Stickelberger von Swissolar.
Doch bevor man mit Rechnen beginnt, ist zu prüfen, ob sich das eigene Gebäude für eine Fotovoltaikanlage eignet. Dies kann online mittels Solarkataster eruiert werden, das das Bundesamt für Energie auf seiner Seite zur Verfügung stellt. In diesem Kataster ist nicht nur ersichtlich, ob sich das eigene Hausdach für Solarenergie eignet, sondern auch wie viel eine Anlage ungefähr kosten würde und welche Menge Strom damit produziert werden könnte.
Fotovoltaik
- Solarmodule erzeugen unter Sonnenlicht Gleichstrom.
- Dieser wird vom Wechselrichter in Wechselstrom umgewandelt.
- Ein Stromzähler misst den erzeugten und den zusätzlich vom öffentlichen Netz bezogenen Strom separat.
- Der Überschuss wird gegen Vergütung ins Netz eingespeist.
Wenn sich das Dach als «gut» bis «sehr gut» erweist, ist die Vorgehensweise, ob Fotovoltaik oder Solarthermie, dieselbe: Als Erstes werden Offerten eingeholt. Für eine verlässliche Kostenschätzung begutachten seriöse Anbieter die Situation vor Ort. Wer bei den Offerten auf Nummer sicher gehen will, kann diese von EnergieSchweiz prüfen lassen. Den «Solar-Offerte-Check» inklusive Kurzbericht, verfasst von einem Experten, gibt es kostenlos.
Wichtig bei einer Fotovoltaikanlage ist zum Beispiel die richtige Dimensionierung. «Die Jahresproduktion der Anlage sollte nicht mehr als rund 20 Prozent über dem durchschnittlichen jährlichen Stromverbrauch des eigenen Haushalts liegen», empfiehlt David Stickelberger von Swissolar. Allenfalls kann man noch den späteren Kauf eines Elektroautos in die Planung einbeziehen.
Um die Offerten miteinander vergleichen zu können, sollte der Preis pro Kilowatt errechnet werden. Hierfür teilt man den Totalpreis durch die installierte Leistung, die meist in Kilowatt-Peak (kWp) angegeben wird.
«Ein vernünftiger Wert für eine Kleinanlage sind rund 3600 Franken pro Kilowatt».
David Stickelberger, Geschäftsführer Swissolar
Dass Solaranlagen rentieren, hat auch damit zu tun, dass die umweltfreundliche Energie von Bund und Kantonen gefördert wird. In der Steuerrechnung können Eigenheimbesitzer Investitionen in Solarthermie- oder Fotovoltaikanlagen zu 100 Prozent vom steuerbaren Einkommen abziehen. Zudem gibts Fördergelder. Die meisten Kantone (ausser ZH, AG, ZG) zahlen an Solarthermie-Anlagen einen Grundbeitrag und einen Beitrag, der von der thermischen Nennleistung abhängt. Und von diversen Energiedienstleistern gibt es zusätzliche Fördergelder. Für Fotovoltaikanlagen erhält man schweizweit eine Einmalvergütung. Auch hier werden ein Grundbeitrag und ein Leistungsbeitrag pro installiertem Kilowatt vergütet – maximal aber 30 Prozent einer vergleichbaren Referenzanlage. Bis zur Auszahlung der Einmalvergütung muss man derzeit mit einer Wartezeit von mindestens zweieinhalb Jahren
rechnen.
Wie hoch die Rendite für Fotovoltaikanlagen ausfällt, hängt auch davon ab, welche Annahmen für die Zukunft getroffen werden: Wie wird sich der Strompreis entwickeln? Wie viel wird man künftig für den überschüssigen Strom erhalten, der ins Netz eingespeist wird?
Auch wenn diese Berechnungen etwas undurchsichtig erscheinen – zwei Dinge sind sonnenklar. Erstens: Die Umwelt profitiert garantiert. Im Beispiel der Berner Hausbesitzer werden dank Fotovoltaikanlage jährlich 3000 Kilo CO2 eingespart – das sind über die 30-jährige Lebensdauer der Anlage 90'000 Kilo. Zweitens: Die Energie der Sonne wird uns – im Gegensatz zu Öl oder Gas – noch lange zur Verfügung stehen. Rund fünf Milliarden Jahre, so schätzen Wissenschaftler.
Lange wurde der ökologische Nutzen von Solaranlagen angezweifelt: Solarmodule verbrauchten für ihre Herstellung mehr Energie, als sie liefern könnten, und enthielten giftige und seltene Rohstoffe. Gemäss einer Studie des Paul-Scherrer-Instituts ist die graue Energie, die in einem Modul aus China steckt, nach gut zwei Jahren energetisch amortisiert. Der WWF und die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) sprechen von einer Amortisationsdauer von ein bis vier Jahren. Eine kurze Zeitspanne angesichts der Lebensdauer einer Solaranlage von rund 30 Jahren.
Auch bezüglich der verwendeten Rohstoffe gibt die SES Entwarnung: Rund 95 Prozent der produzierten Solarzellen bestehen hauptsächlich aus Silizium. Dieses ist das zweithäufigste Element der Erdkruste. Gewonnen wird es aus Quarzsand und ist ungiftig.
- www.energiefranken.ch (Fördergelder)
- www.swissolar.ch (Branchenverband)
- www.energieschweiz.ch (Plattform des BFE)
Das Neuste aus unserem Heft und hilfreiche Ratgeber-Artikel für den Alltag – die wichtigsten Beobachter-Inhalte aus Print und Digital.
Jeden Mittwoch und Sonntag in Ihrer Mailbox.