Die Baurechtszinsen ärgern Hans Aschwanden* immer wieder von neuem. «Wir fühlen uns hier eigentlich sehr wohl», sagt der 69-Jährige. «Wenn bloss die krass unterschiedlichen Ansätze nicht wären.»

Mit seiner Familie wohnt er in der verkehrsfreien Reihenhaussiedlung Platanen an privilegierter Lage in Olten. Die Siedlung wurde in vier Etappen zwischen 1987 und 1999 im Baurecht erstellt, auf Boden der Bürgergemeinde Olten. Im Baurecht bauen hat viele Vor- und ein paar Nachteile: Man braucht weniger Kapital, um ein Haus zu kaufen. Das Grundstück jedoch ist nur gemietet, deshalb muss man Baurechtszins zahlen.

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Doppelt so teuer

Einige der 50 Hausbesitzer kommen sich nun vor wie in einer Lotterie. Die Käufer der ersten Etappe zahlen aktuell pro Quadratmeter CHF 8.53, für die neun Häuser der dritten Etappe liegt der Zins bei CHF 16.54 – fast doppelt so hoch. Bei den rund 400 Quadratmeter grossen Grundstücken – die Gemeinschaftsflächen eingerechnet – ergibt das einen ziemlichen Unterschied: auf zehn Jahre 32'000 Franken.

Was die Hausbesitzer der Etappe drei besonders ärgert: Die unterschiedlich hohen Zinsen gelten auch für die Gemeinschaftsflächen. Wege, Spielplätze und ein Baumgarten machen pro Grundstück 170 Quadratmeter aus. Alle Bewohner können diese Flächen nutzen, doch die einen bezahlen deutlich mehr als die anderen.

Anders gerechnet

Wie kann es sein, dass es auf Boden einer Bürgergemeinde, die sich als der Allgemeinheit verpflichtet bezeichnet, so grosse Unterschiede gibt? «Durch das sehr tiefe Zinsniveau haben sich die Baurechtszinsen Baurecht Eigenes Haus auf fremdem Boden in verschiedene Richtungen entwickelt», sagt Arlette Maurer, Schreiberin der Bürgergemeinde. Die Grundstücke wurden zu Preisen zwischen 10 und 15 Franken pro Quadratmeter vergeben. Für die Berechnung des Baurechtszinses (siehe Box am Artikelende) wurden unterschiedliche Schlüssel vereinbart: von «50 Prozent teuerungsbedingt» über «50 Prozent hypothekarzinsgebunden» bis zu «100 Prozent teuerungsindexiert».

Die Bürgergemeinde sei davon ausgegangen, dass sich die Baurechtszinsen der vier Etappen auf ein gleiches Niveau hin entwickeln würden, sagt Maurer. Man leide unter den sehr tiefen Hypothekarzinsen , sie führten zu Mindereinnahmen von rund 30'000 Franken pro Jahr. Die beiden ersten Bauetappen profitieren vom Zinsverfall und bezahlen immer weniger. Die Besitzer von Häusern der dritten Etappe haben doppelt Pech. Der Grundpreis war am höchsten, zudem ist der Zins an die Teuerung gekoppelt.

Letztlich geht es der Bürgergemeinde nicht um Gerechtigkeit, sondern um Einnahmen. Würde man sämtliche Baurechtszinsen in der Platanen-Siedlung nach dem tiefsten Schlüssel berechnen, nähme sie rund 20'000 Franken pro Jahr weniger ein. Zudem müssten die Verträge angepasst und öffentlich beurkundet werden. Dazu ist die Bürgergemeinde nicht bereit: «Jeder Baurechtsnehmer war handlungs- und urteilsfähig, als er den entsprechenden Vertrag unterzeichnet hat. Diesen gilt es nun einzuhalten», sagt Maurer.

Über dieses Argument ärgert sich Bewohner Hans Aschwanden. «Wir stossen bei der Bürgergemeinde nur auf taube Ohren», sagt er. «Niemand wurde beim Kauf darauf aufmerksam gemacht, dass es verschiedene Schlüssel für die Baurechtszinsen gibt.» Die Bürgergemeinde sieht das anders. Es habe immer volle Transparenz geherrscht.

Tieferer Verkaufspreis?

Die benachteiligten Hausbesitzer versuchten mehrfach, mit der Bürgergemeinde neue Zinsen auszuhandeln, zumindest für das gemeinsam genutzte Land. Nicht zuletzt fürchten sie, dass sie bei einem allfälligen Verkauf wegen der doppelt so hohen Baurechtszinsen einen tieferen Preis erzielen würden.

Sie erhalten Unterstützung vom eidgenössischen Preisüberwacher. Er empfiehlt, auch bestehende Verträge an den offiziellen Referenzzinssatz Referenzzinssatz Noch können Mieter eine Mietzinsreduktion einfordern für Mietverhältnisse anzupassen. Das würde für fairere Verhältnisse sorgen – in Olten wie andernorts, denn die Problematik sei prinzipiell in der ganzen Schweiz gleich.

Bisher war die Bürgergemeinde nicht zu Zugeständnissen bereit. «Beim Abschluss der Verträge existierte dieser offizielle Referenzzinssatz nicht», sagt Schreiberin Maurer. «Wir sind nicht gewillt, bestehende Verträge abzuändern. So oder so müssten alle Baurechtszinsnehmer einer Änderung zustimmen.» Dass jemand freiwillig mehr bezahle, sei nicht zu erwarten.

Hans Aschwanden und seine Mitstreiter liessen über Experten und Anwälte abklären, ob die Bürgergemeinde als öffentliche Körperschaft mit so unterschiedlichen Baurechtszinsen nicht das Prinzip der Gleichheit und Verhältnismässigkeit verletze. Die Juristen rieten ihnen jedoch von einem Prozess ab – zu aufwendig, sehr geringe Erfolgschancen. Aschwanden sagt: «Nur die Faust im Sack machen, das will ich aber nicht. Wenigstens öffentlich bekannt soll unser Fall werden.»


* Name geändert

Berechnung des Baurechtszinses: Mal so, mal so

Der Baurechtszins wird bei Vertragsabschluss entweder als Geldbetrag oder als Prozentsatz des Landwerts Haus ausbauen Grundstück zu klein – was tun? festgelegt. In der Regel wird er indexiert, gemäss der Immobilienfirma Wüest Partner zu 93 Prozent. Der indexierte Baurechtszins wird unterschiedlich berechnet; er ist an den Referenzzinssatz, den Landesindex der Konsumentenpreise, den Landpreis oder an die Mieten gekoppelt. Das angewandte Modell hat erheblichen Einfluss darauf, wie viel Baurechtszins der Hausbesitzer zahlen muss.

Wüest Partner zeigte in einer Studie für das Bundesamt für Wohnungswesen, wie gross die Unterschiede sind, berechnet auf die letzten 40 Jahre: Wenn der Zins zu 100 Prozent an den zürcherischen Baulandpreisindex gekoppelt gewesen wäre, hätte sich der Baurechtszins versiebenfacht, eine Indexierung an die Mieten hätte ihn verdreifacht, eine an die Teuerung verdoppelt. Bei Anbindung an die Hypothekarzinsen Hypothekarzinsen Gute Karten im Zinspoker müssten Hausbesitzer heute zwei Drittel weniger zahlen. Die teuerste Variante führt damit zu einem 20-mal so hohen Baurechtszins wie die günstigste, obwohl beide vor 40 Jahren auf dem gleichen Niveau gestartet waren.

Um derart krasse Unterschiede zu vermeiden, empfiehlt das Infonetzwerk «Gemeingut Boden», eine Unter- und Obergrenze vertraglich festzulegen. So werde übermässige Volatilität verhindert.

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Dani Benz, Ressortleiter
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