Die Kunst des Einrichtens
Nicht jeder Bauherr ist ein begnadeter Einrichter. Wer das weiss, setzt auf die Erfahrung der Raumgestalter. Zumal die Spezialisten für Licht- und Farbkonzepte, Materialwahl und Raumausstattung sich auch bei den Preisen auskennen.
Veröffentlicht am 26. März 2009 - 13:48 Uhr
«Sein eigenes Haus selbst einzurichten ist sehr, sehr schwierig.» Der Inneneinrichter und Möbelfachmann Yusuf Sert bringt es diplomatisch auf den Punkt: Die wenigsten Menschen sind Naturtalente, wenn es ums Einrichten geht. Trotzdem tun sie es meist auf eigene Faust. Das mag im Eigenheim angehen – dort betrifft es ja nur die Bewohner selbst.
Doch sehen wir uns auch in öffentlichen Räumen täglich mit innenarchitektonischen Alpträumen konfrontiert: im Quartiercafé, im Wartezimmer des Arztes, auf Ämtern und in Hotels. Profis und Ästheten stehen die Haare zu Berge. Bedenklich findet der Berner Innenarchitekt Leo Zimmermann, dass sein Beruf so unterschätzt wird: «Genau wie bei der Architektur braucht es auch im Innern einen Gesamtplan.» Wenn Bauherren oder Architekten den Innenbereich selbst übernehmen, gehe das oft schief.
Bei Neubauten sollte der Spezialist für den Innenraum von Beginn weg mitreden. «Inneneinrichtung und Lichtplanung sollten so früh wie möglich einbezogen werden», sagt Yusuf Sert, der im ältesten Einrichtungsgeschäft Zürichs, der Wohnbedarf AG, als Inneneinrichter tätig ist. «Damit Architektur, Materialität, Licht und Möbel harmonieren, muss man eine Vision kreieren, einen roten Faden spannen. Ideal ist ein Zusammenspiel von Kunde, Architekt und Inneneinrichter.»
Leo Zimmermann, Mitinhaber des renommierten Berner Einrichtungsgeschäfts Teo Jakob und seit zwei Jahren selbständiger Innenarchitekt, plädiert identisch: «Architekten sind Generalisten, bei denen zwar die Fäden zusammenlaufen, die aber auf Spezialisten angewiesen sind, auch bei der Möblierung und der Beleuchtung.» Oft dränge der Architekt den Bauherrn, sich rasch für Bodenbeläge, Wandgestaltung, Sanitärinstallationen zu entscheiden, die dann im ganzen Projekt angewendet würden. So entstehe eine undifferenzierte, langweilige Repetition.
Zuerst aber sollen Sie sich selbst Klarheit über Ihre Wünsche und Bedürfnisse verschaffen. Anregung gibt es in Fülle: Wohnmagazine, Bücher, Möbelläden, Prospekte, Kataloge. Seien Sie offen für Neues. Spinnen Sie sich Ihr persönliches Utopia. Kreieren Sie Ihr «Moodboard», ein grosses Blatt (wie im Bild links), auf dem Sie Ihre Wünsche, Lieblingsformen, Elemente, Farben aufmalen und -kleben. Der Innenarchitekt wird Ihren Geschmack auf diese Weise erfassen, und auch Ihnen selbst wird so vieles klarer werden.
«Mit der heutigen Vielfalt subtil umgehen zu können ist eine grosse Herausforderung», sagt Leo Zimmermann. Ohne das «Moodboard» versackt man schnell. Yusuf Sert rät seinen Kunden: «Bleiben Sie nicht bei einzelnen Gegenständen hängen, behalten Sie das Ganze im Auge. Und lassen Sie sich auch von Ihrem Gefühl, Ihrem Bauch leiten.»
Die Auswahl der Möbel ist nur ein Teil des Einrichtungsprozesses. Es gilt auch, ein Farbkonzept zu erstellen und Textilien auszuwählen. Stoffe und Teppiche sind nicht nur für eine gute Akustik wichtig, sie schaffen auch Atmosphäre und Geborgenheit. Ein zentraler Punkt ist schliesslich das Erarbeiten eines Beleuchtungskonzepts, sinnvollerweise mit Hilfe eines Profis.
Ob Licht oder Farbe, ob Möblierung oder Badezimmerausstattung – auf gute Beratung zu setzen lohnt sich fast immer. Wichtig ist, dass Sie ein Kostendach erstellen. Bedenken Sie im Vorfeld die Relationen: Es ist wenig sinnvoll, eine Million für ein neues Haus auszugeben – und dann nur 10'000 Franken für die Einrichtung einzuplanen. Für die Arbeit des Einrichtungsprofis können Sie eine Pauschale ausmachen oder ihn im Stunden- oder Tagesansatz bezahlen (140 bis 180 Franken in der Stunde). Die Vorbesichtigung sollte hingegen gratis sein.
Ein allgemeingültiges Budget für eine Einrichtung zu nennen, ist kaum möglich. «Das Spektrum ist extrem breit und reicht von billig bis teuer, von kurzlebig bis wertbeständig», sagt Leo Zimmermann. «Hier gilt, dass das Teuerste nicht unbedingt das Beste und das Billigste nicht die preiswerteste Möglichkeit darstellt.» Billig kann sich bei der Möblierung schnell als teuer erweisen. Wenn Sie Betten oder Stühle schon nach wenigen Jahren ersetzen müssen, hat sich das Schnäppchen kaum gelohnt. Gute Möbel altern schön, und einige eignen sich sogar als Wertanlagen. Originale Klassiker der Moderne etwa werden heute ähnlich wie Kunst gehandelt und lassen sich nach einigen Jahren problemlos wieder verkaufen.
Was aber tun, wenn das Budget für die Einrichtung nun wirklich klein ist? «Dann ist Kreativität gefragt», sagt die Zürcher Stylistin Connie Hüsser. Die Trendexpertin ist eine Kennerin der Möbelszene und kennt Tricks, wie man mit einfachen Mitteln grosse Wirkung erzielt. «Unsicherheit ist der Feind beim Einrichten», sagt sie. Informieren können sich Einrichtungsneulinge mit Hilfe von Magazinen und auf einschlägigen Websites wie www.architonic.com oder www.stylepark.com. Bei einem kleinen Budget gibt es nichts anderes, als Schwerpunkte zu setzen: «Schaffen Sie emotionale Inseln, schöne Highlights, gemütliche Nischen und Gruppen», rät Hüsser. Mit Farben lässt sich auf einfache und günstige Weise Atmosphäre schaffen. Eine Beratung kann sich aber auch hier lohnen. Das Geld holen Sie wieder rein, wenn Sie beim Malen selbst Hand anlegen.
Altes mit Neuem mischen, rät Connie Hüsser: «Über Jahre im Keller gelagerte Möbelstücke können mit einem neuen Anstrich aufgepeppt werden. Mit etwas Geduld und einem guten Auge lassen sich auf Flohmärkten, in Brockenhäusern und auf Omas Dachboden spannende Objekte finden, die man mit zeitgenössischem Design kombinieren kann.»
Schliesslich sollten Sie sich bewusst sein, dass ein Haus eine individuelle Wohnbühne ist, die nicht von heute auf morgen geschaffen werden kann. Eine Wohnung wird erst spannend, wenn sie beginnt, Geschichten zu erzählen. Wenn zu Beginn noch nicht alles perfekt eingerichtet ist, gehört das zum Prozess. Das Haus wird mit Ihnen wachsen. Die schönsten Designerstücke nützen nichts, wenn die Wohnung keine Seele hat.
Eine Wohnung einzurichten, ist kein Routinevorgang. Individuelle Neigungen, persönliche Werte und manchmal auch ein kluger Ratschlag bewirken, dass aus einem Raum ein Wohnraum wird.
KINDERZIMMER: «Kreatives Denken ist mehr wert als Konsum», sagt Susanne von Albertini, Inhaberin des Kindergeschäfts Tiger-Fink in Zürich. Sie spricht damit nicht nur die Kreativität der Eltern an, die das Zimmer der Sprösslinge gestalten, sondern auch den Freiraum, den die Kleinen brauchen, damit sich ihre Phantasie uneingeschränkt entfalten kann.
Darum mahnt sie beim Einrichten eine gewisse Zurückhaltung an: Ein gutes Bett, ein Tisch, viel Stauraum für Spielwaren und (später) Bücher, Krimskrams und die geheimen Lieblingsstücke der Kinder – mehr brauche es nicht. «Am wichtigsten aber ist, dass das Zimmer Rückzugsmöglichkeiten und Geborgenheit bietet», sagt von Albertini.
Auch im Kinderzimmer macht sich Qualität bezahlt. Umgeben von wertvollen Dingen, lernt das Kind einen sorgfältigen Umgang und entwickelt Qualitätsbewusstsein. Klug konstruierte Stücke wachsen mit dem Kind mit, und gute Möbel können über Generationen weitergereicht werden. Beim Einrichten sollte das Kind ab einem gewissen Alter in die Planung involviert werden und seine Wünsche anbringen können.
ATMOSPHÄRE: Die weisse Wand ist ein merkwürdiges Phänomen – unter Millionen von Farbtönen entscheiden sich die meisten Hausbesitzer für diese Variante. Dabei ist Weiss nur selten die optimale Lösung für einen Raum. Grössere Zimmer etwa verlieren an Halt, während kleine Räume langweilig und eng wirken. Farben – auch dunkle Töne – können Weite vermitteln, setzen das Mobiliar in Szene, untermalen schöne architektonische Elemente und schaffen angenehme Atmosphäre im Wohnraum.
Lange Zeit vernachlässigte Elemente der Innengestaltung wie Farben, Ornamente und Textilien wirken Wunder. Die Tapete, die ihre Hochblüte vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hatte, fristete in den letzten Jahrzehnten ein langweiliges Raufaserdasein. Nun ist sie zurück – in zeitgemässer Form.
Neben traditionellen Mustern, die unter Anwendung neuer Drucktechniken Verwendung finden, halten heute auch grafische Wandbilder, Fotocollagen, Illustrationen und von der Strassenkunst inspirierte Ornamente Einzug in die Wohnräume. Wandbekleidungen lassen sich mit geringem Aufwand aufziehen – und auch rasch auswechseln.
NACHHALTIGKEIT: Meist lässt man sich vom Aussehen leiten, wenn man ein Möbelstück kauft. Und oft achtet man zu wenig auf die Materialien. Viele Kunststoffe sind nicht rezyklierbar und landen eines Tages auf dem Sondermüll. Auch mag unser Körper keine künstlichen Stoffe und beginnt in Kontakt mit ihnen zu schwitzen.
Natürliche Materialien, allen voran Holz, altern ausserdem schöner. Sowohl bei einheimischem wie bei Tropenholz sollte man sich versichern, dass es FSC-zertifiziert ist. Dieses Label garantiert, dass das Holz aus einem nachhaltig und umweltfreundlich bewirtschafteten Wald stammt.
Dann sollte man sich erkundigen, wo und unter welchen Umständen das Produkt hergestellt wurde. Ein Prädikat wie «made in China» muss nicht a priori negativ sein, kann aber darauf hinweisen, dass das Möbelstück unter fragwürdigen Bedingungen entstanden ist.
Als Käufer sollten Sie nachfragen und bei ungenauer Auskunft nicht lockerlassen. Zum Glück gibt es in der Möbelbranche eine Tradition: Viele Stücke werden nach wie vor in der Schweiz oder in anderen europäischen Ländern hergestellt.