Das Bücherregal von Ikea: Fr. 49.95. Der Akkuschrauber für dessen Zusammenbau: 89 Franken. Ein Verhältnisblödsinn. Umso mehr, wenn der Schrauber danach monatelang im Keller vor sich hin darbt. Und den Akkuschraubern in den Kellern der Nachbarn gehts gleich. Meist reicht ein einziges Gerät für die gesamte Bewohnerschaft eines Mehrfamilienhauses, was nicht nur deren Portemonnaie schonen würde, sondern auch die Umwelt – aufgrund der grauen Energie, die in jedem Gerät steckt. Die Lösung ist simpel: ausleihen.

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Und die Lösung hat einen weiteren Vorteil: «Leihen fördert den Kontakt in der Nachbarschaft», sagt Doris Sutter, Präsidentin der Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft Winterthur (GWG). Sie weiss, wovon sie spricht: Die Genossenschaft hat in ihrer neusten Siedlung Vogelsang einen Leihraum eingerichtet. Dieser «Raum» verteilt sich über die 156 Wohnungen der Überbauung – denn Akkuschrauber, Dampfreiniger, Hotdogmaschine oder Fondue-Caquelon werden von sogenannten Gotten und Götti bei sich zu Hause gehütet. Wer etwas ausleihen möchte, sieht auf der eigens für die GWG entwickelten App, was angeboten wird und ob es verfügbar ist und kann es gleich online buchen. Dann werden mit der Gotte oder dem Götti Abholung und Rückgabe vereinbart.

«Uns war klar, dass es fürs Funktionieren einer solchen Leihbörse eine gewisse soziale Kontrolle braucht», sagt Sutter. Die Leihsachen im «Vogelsang» wurden teilweise von der Bewohnerschaft selbst gespendet, der Grossteil aber wurde von der GWG angeschafft. Damit soll Konflikten zwischen den Nachbarn vorgebeugt werden – etwa wenn etwas dreckig oder defekt retourniert wird. Allfällige Reparaturkosten übernimmt dann jeweils die GWG. Das Konzept funktioniert – pro Tag werden durchschnittlich zwei Gegenstände ausgeliehen.

Austausch über digitale Pinnwand

Und es funktioniert nicht nur in Genossenschaftssiedlungen, sondern in ganzen Quartieren. Etwa im Freilager-Quartier in Zürich-Albisrieden, wo rund 2500 Personen wohnen und arbeiten. «Angefangen haben wir mit der damals noch jungen Community-App von Allthings, die unter anderem eine Pinnwand für den Austausch innerhalb der Mieterschaft enthielt», sagt Jean-Claude Maissen, CEO der Zürcher Freilager AG. Auffallend war, wie viele Gebrauchsgegenstände dort abgegeben, getauscht oder geliehen wurden.

Mittlerweile wurde die App der Basler Allthings Technologies AG zu einer umfangreichen digitalen Kommunikationsplattform für Immobilienbesitzer und Verwaltungen ausgebaut. Darin findet sich auch die Rubrik «Leihbörse». Auf wie viel Interesse diese im Freilager-Quartier stösst, zeigt die Statistik: In den vergangenen zwölf Monaten verzeichnete die Rubrik durchschnittlich 850 Aufrufe monatlich. Ein Inserat wird dort von den Mieterinnen und Mietern ähnlich wie bei Ricardo erfasst: Rubrik, Titel, Beschreibung, Bild. Ausleihen kann man da Drehmomentschlüssel, Bohrmaschinen, Heissleimgeräte – aber auch Gummiboote oder Festbankgarnituren. Die Leihbedingungen werden bilateral abgemacht. «So etwas funktioniert nur, wenn eine gewisse Vertrauensbasis untereinander da ist», sagt Jean-Claude Maissen.

Auch für kleine Gemeinschaften

In den beschriebenen Beispielen finden solche Leihbörsen also Anklang. Wäre das nicht auch etwas für andere Nachbarschaften oder Quartiere? Natürlich. Aber wer dazu ebenfalls eine App oder eine Webplattform nutzen möchte, hat keine grosse Auswahl. Denn die App von Allthings eignet sich laut Aussage der Firma selbst aufgrund der Kosten nur für grosse Immobilienfirmen und Verwaltungen ab rund 1000 Wohneinheiten.

Anders sieht es bei der App der Beunity AG aus. Die «Community-Lösung» der Firma aus Thalwil ZH soll auch kleineren Gemeinschaften zugänglich sein. Sie ist in einer abgespeckten Version sogar kostenlos, verfügt dort jedoch nicht über die Rubrik «Leihplatz». Kein Problem: Bei Beunity ist man flexibel und offen für individuell angepasste Lösungen. «Kleineren Nachbarschaften, denen es vor allem um die Leihplatzfunktion geht, können wir ein Upgrade zur Gratisversion anbieten», sagt Quentin Aeberli, Leiter Kommunikation. Die Plattform ist modular aufgebaut und kann den Bedürfnissen angepasst werden.

Deshalb variieren auch die Preise: Für die zusätzliche Leihplatzfunktion muss laut Aeberli mit ein bis fünf Franken pro Benutzer und Jahr gerechnet werden. Die Beunity-App wird dann von einem Administrator aus der Nachbarschaft betreut und steht nur registrierten Nutzern aus dem gewünschten Umfeld offen. Das ist der grosse Unterschied zu anderen Leihangeboten, zum Beispiel der Onlineplattform Sugarcup.ch, der «Leihbar» in Luzern und Bern oder «Züri teilt»; die Einträge dort sind für Krethi und Plethi ersichtlich, und das Angebot ist zudem oft sehr eingeschränkt.

Noch einmal anders funktioniert die Lösung des Vereins Pumpipumpe: Dieser bietet Sticker mit Bildern von Werkzeugen und Gegenständen an. Die Sticker kann man sich an den Briefkasten kleben. Damit signalisiert man der Nachbarschaft, was man auszuleihen hat. Wer sich zu Fuss auf die Suche macht, findet vielleicht auch irgendwo das Bild eines Akkuschraubers.

Mieten statt kaufen

Wer keine Möglichkeiten zur Ausleihe von Werkzeug oder Geräten hat, kann sich nach kostenpflichtigen Mietangeboten umschauen. Bei Obi etwa kann man Mörtelmixer und Co. für vier Stunden, zum Tages-, Wochenend- oder Wochentarif mieten. Auch Hornbach und Jumbo bieten solche Mietdienstleistungen an, genauso wie viele lokale Firmen oder Internetplattformen.

Auf Rentshop.ch zum Beispiel kann man Werkzeug mieten und sich bequem nach Hause liefern lassen. Und auf der Miet- und Vermietplattform Sharely.ch können Privatpersonen Werkzeug und Geräte erfassen, die sie kostenpflichtig vermieten möchten. Wer auf der Suche nach einem Gerät ist, wird dort sicher fündig.