Ist Trinkgeld jetzt Schwarzgeld?
Wenn man Trinkgeld digital zahlt, taucht es offiziell in der Buchhaltung auf. Bargeld bleibt dagegen verborgen.
Veröffentlicht am 9. April 2024 - 16:30 Uhr
In der Schweiz muss man kein Trinkgeld geben. Seit 1974 ist der Service im Preis inbegriffen. Trotzdem gehört es für viele nach wie vor zum guten Ton, im Restaurant ein paar Franken mehr zu zahlen, um sich für die Arbeit und das Essen zu bedanken.
Gäste in Schweizer Restaurants und Bars lassen jährlich rund eine Milliarde Franken Trinkgeld springen. Bisher blieb dieses Geld in der Regel unversteuert. Diese Praxis gerät nun immer mehr unter Druck. Der Grund dafür ist: Die meisten Gäste überweisen Trinkgeld ebenfalls digital – somit wird das Geld in der Buchhaltung sichtbar. Und muss offiziell verbucht werden.
Die 10-Prozent-Schwelle beim Trinkgeld
Wird unversteuertes Trinkgeld damit zu Schwarzgeld? Die Antwort: Trinkgeld ist kein Schwarzgeld, kann es aber sein. Laut Steuergesetz kommt es darauf an, ob das Trinkgeld einen «wesentlichen Teil des Lohns» überschreitet. Die «NZZ am Sonntag» schreibt, dass «wesentlich» laut Gastronomen und Arbeitsrechtlerinnen 10 Prozent bedeute. Das heisst: Falls ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin jährlich 50’000 Franken verdient, darf das Trinkgeld nicht mehr als 5000 Franken betragen. Sonst werden diese 10 Prozent überschritten, und man muss das Geld als steuerbares Einkommen angeben.
Auch das Steueramt Zürich sagte gegenüber der NZZ, dass Trinkgelder steuerbares Einkommen sind. Eine Nichtdeklaration sei rechtlich betrachtet eine Steuerhinterziehung. Zugleich heisst es aber auch, dass das Thema der Besteuerung von digitalem Trinkgeld «nicht speziell behandelt» werde.
Bargeld heisst mehr Trinkgeld
Eine andere Frage ist, wie sich die Gewohnheit, digital zu bezahlen, auf die Höhe des Trinkgelds auswirkt. Eine Umfrage der Bank Cler im Jahr 2023 zeigt, dass 43 Prozent der Befragten mehr Trinkgeld geben, wenn sie bar bezahlen. Nur 5 Prozent geben umgekehrt mehr Geld mit Karte oder Handy. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. 70 Prozent der Befragten glauben aber, dass das Trinkgeld nur in bar auch bei der richtigen Person ankommt. Es sei zudem beliebter beim Personal (69 Prozent), einfacher (45 Prozent) und mache besser sichtbar, dass man grosszügig ist (45 Prozent).
Trotzdem: Die Frage nach dem korrekten administrativen Umgang bleibt. Das betrifft nicht nur die Gastronomie, sondern auch andere Berufsgruppen wie Taxifahrer und Coiffeusen.
Damit das freiwillige Trinkgeld nicht zum steuerbaren Entgelt gehört, sind laut der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) folgende Bedingungen zu erfüllen:
- Der vom Gast versprochene Betrag muss vollumfänglich an die mitarbeitende Person ausgezahlt werden.
- Der Betrieb muss die Auszahlung belegen können.
- Der Betrieb darf die Trinkgelder nicht erfolgswirksam verbuchen.
- Das Trinkgeld muss separat in Rechnung gestellt werden.
- Es darf in der Rechnung keine Steuer auf dem Trinkgeld ausgewiesen werden.
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, gehören Trinkgelder nicht zum Entgelt, das zu versteuern ist.
5 Kommentare
Es besteht eine Bargeldannahmepflicht, Bundesgesetz, jetzt werden noch die Strafrechtlichen Folgen bei Nichtannahme festgelegt. Für das Service Personal auf jeden Fall ein Vorteil
Nein!! Schon in der Verfassung steht geschrieben, dass Bargeld immer benutzt werden kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Autorin vielleicht einen Denkfehler macht, wenn sie sagt, dass das digitale Trinkgeld in der Buchhaltung erscheint. Seit es Kreditkarten gibt, gibt es auch die Möglichkeit, das Trinkgeld entweder in bar oder über die Kreditkarte zu zahlen. Angenommen ein Kellner macht einen Tagesumsatz von CHF 1‘000. CHF 600 nimmt er bar ein und CHF 430 mit Karte. In den CHF 430 sind CHF 30 an Trinkgelder enthalten . Da der Arbeitgeber die vollen CHF 430 (abzgl. Provision) von der Kreditkartenfirma erhält, verlangt er vom Kellner logischerweise nur CHF 570 in bar (570 und 430 = 1‘000). Somit erhält der Kellner nach wie vor sein Trinkgeld in bar auch wenn der Gast es im über die Kreditkarte bezahlt. In der Buchhaltung erscheint es deswegen nicht.
Schön wärs! Warum wohl ist das Vertrauen der Gäste so klein, dass der Kellner sein Trinkgeld bekommt, wenn nicht bar?
Genau, daher immer bar!