Persönlich adressierte Briefe sind geheim. Nur die Empfängerin darf lesen, was darin steht. So will es das Briefgeheimnis, das in Verfassung und Gesetzen festgehalten ist. Doch Ende Februar passierte der Migros ausgerechnet bei einer Massenkündigung eine Panne: Pöstler – und möglicherweise auch weitere Personen – konnten im Sichtfenster des Couverts die Betreffzeile des Briefs lesen: «Kündigung inklusive Austrittsbestätigung». Dem Beobachter liegen entsprechende Belege vor.

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Der Detailhändler bestätigt auf Anfrage des Beobachters, dass die Kündigungsschreiben an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Do-It-+-Garden-Zentrale verschickt wurden – nachdem am gleichen Tag in einer Infoveranstaltung über deren Schliessung informiert worden war.

Kündigungen sind trotz Fehler gültig

Laut einem Sprecher kam es zu einem Formatierungsfehler zwischen der Adresse des Empfängers und der Betreffzeile. «Aufgrund der Beobachter-Anfrage haben wir alle 159 Schreiben überprüft und festgestellt, dass der Fehler bei acht Mitarbeitern aufgetreten ist», so der Migros-Sprecher. Man bedauere den Vorfall und werde sich bei den Betroffenen persönlich entschuldigen.

Die Beobachter-Arbeitsrechtsexpertin Katharina Siegrist sagt, die Kündigungen seien trotz diesem Fehler gültig. «Datenschutzrechtlich könnte der Fall aber heikel sein», sagt die Juristin.

«Wahrscheinlich liegt hier eine Verletzung der Datenschutzvorschriften vor.»

Sprecherin des eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten

Für Datenschutzrechtsverletzungen bei Privatunternehmen ist der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) zuständig. Vom Beobachter auf den Fall angesprochen, schreibt der EDÖB: «Wahrscheinlich liegt hier eine Verletzung der Datenschutzvorschriften vor.» Denn wer Daten bearbeitet, darf dies nur nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip tun. Also nur so viele Informationen wie nötig verarbeiten oder auch sichtbar machen.

«Dass der Gegenstand des Schreibens sichtbar ist, entspricht sicherlich keinem gültigen Bedürfnis», betont der EDÖB weiter. Da eine Entlassung zwar eine heikle Information sei, aber in der Regel keine sensiblen Daten wie religiöse oder gewerkschaftliche Ansichten beinhalte, wiege das Verschulden allerdings weniger schwer.

Migros-Mitarbeiter können aktiv werden

Der EDÖB klärt derzeit den Sachverhalt. «Je nachdem können wir informell tätig werden oder eine Untersuchung einleiten.» Aber auch die Betroffenen können aktiv werden: Da die Briefe bereits versandt wurden, können die Empfängerinnen gemäss EDÖB zivilrechtliche Schritte gegen die Migros ergreifen.

«Die Unsicherheit beim Personal ist gross.»

Sprecherin der Gewerkschaft Unia

Die Gewerkschaft Unia zeigt sich erschrocken, dass es bei der Migros in dieser heiklen Phase zu einer solchen Datenschutzpanne kam. Und obwohl die Unia bei der Massenentlassung nicht als offizieller Sozialpartner anerkannt sei, stehe man im Austausch mit Betroffenen, wie eine Sprecherin dem Beobachter sagt.

So hat die Unia Rückmeldungen erhalten, dass einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kündigungen noch nicht erhalten hätten und deshalb in grosser Sorge seien. «Die Unsicherheit beim Personal ist gross, nicht nur in den Do-It-Abteilungen, sondern auch in anderen Fachmärkten.»

Quellen