So kommen Arbeitslose an ihr Geld
Wie man die zehn häufigsten Irrtümer und Fehler vermeidet, die zu Einstelltagen führen.
Veröffentlicht am 1. November 2023 - 08:18 Uhr durch Lucia Schmutz
Wer arbeitslos wird, dem stellt sich die bange Frage, ob und wie viel Arbeitslosengeld ihm zusteht. Besonders gross ist die Verunsicherung, wenn die Arbeitslosigkeit auf unübliche Umstände zurückzuführen ist. Besteht überhaupt ein Anspruch? Mit dieser Frage wird das Beratungszentrum des Beobachters immer wieder konfrontiert. So sieht die rechtliche Situation aus in folgenden Fällen aus:
Arbeitslose, die selber gekündigt haben
Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ALV) hat, wer – nebst anderen Voraussetzungen – ganz oder teilweise arbeitslos ist. Ob man gekündigt wurde oder selber gekündigt hat, spielt keine Rolle. Die immer noch weit verbreitete Ansicht, dass bei einer Selbstkündigung kein Anspruch auf Taggelder besteht, stimmt also nicht. Wegen selbst verschuldeter Arbeitslosigkeit ist allerdings mit Taggeldkürzungen zu rechnen, sofern man nicht nachweisen kann, dass die gekündigte Stelle unzumutbar war.
Stellenlose mit zu wenig Beitragsmonaten
Als Grundsatz gilt: Wer Taggelder beziehen will, muss in den letzten zwei Jahren vor der Anmeldung beim regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) (Rahmenfrist für die Beitragszeit) während mindestens zwölf Monaten angestellt gewesen sein. Diese Beitragszeit muss auf den Tag genau erfüllt sein; fehlt von diesen zwölf Monaten auch nur ein Tag, besteht kein Anspruch auf Taggeld.
Selbständigerwerbende
Selbständigerwerbende zahlen keine Beiträge an die ALV und haben deshalb auch keinen Taggeldanspruch. Eine Ausnahme besteht, wenn sie vorher als Arbeitnehmer tätig waren und nach relativ kurzer Zeit ihre Selbständigkeit wieder beenden müssen. In solchen Fällen verlängert sich die Rahmenfrist für die Beitragszeit um die Dauer der selbständigen Erwerbstätigkeit, längstens jedoch um zwei Jahre.
Beispiel: Wer 14 Monate selbständig war, hat eine Rahmenfrist von drei Jahren und zwei Monaten. Liegen in dieser Zeit zwölf Monate als Angestellter vor, besteht Anspruch auf Arbeitslosentaggelder.
Stellensuche wegen finanzieller Notlage
Unter Umständen gibt es selbst dann, wenn man gar nicht erwerbstätig war, Anspruch auf Taggeld. Im Fachjargon heisst dies, dass man von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn man aufgrund bestimmter Ereignisse in eine finanzielle Notlage gerät und deshalb gezwungen ist, eine Arbeit zu suchen. Dies kann beispielsweise passieren bei Ehescheidung oder Trennung, beim Tod oder bei Invalidität des Ehepartners. Das betreffende Ereignis darf allerdings nicht mehr als ein Jahr zurückliegen.
Teilzeitarbeitslosigkeit wegen Pensumsreduktion
Nicht nur beim vollständigen Verlust der Stelle, sondern auch bei einer dauerhaften Reduktion des Pensums besteht grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Herabsetzung der Arbeitszeit muss aber ein Mindestmass von zwei vollen Arbeitstagen innert zwei Wochen erreichen. Zudem muss der Arbeitsausfall zu einer Lohneinbusse von mehr als 30 Prozent führen (bei Anspruch auf ein Taggeld in der Höhe von 80 Prozent muss der Ausfall über 20 Prozent betragen).
Quasi-Arbeitgeber
Wer Angestellter in der eigenen AG oder GmbH ist, im Verwaltungsrat eines Betriebs sitzt oder zur obersten Geschäftsleitung gehört, zählt zu den «arbeitgeberähnlichen Personen». Für diese gibt es gewisse Einschränkungen, wenn sie Leistungen der ALV beanspruchen wollen. Verlieren solche Personen ihre Stelle, können sie erst Arbeitslosenentschädigung beziehen, wenn sie ihre Arbeitgebereigenschaften völlig aufgeben. Das heisst, sie müssen ihre Firma liquidieren oder verkaufen (Stilllegung genügt nicht) beziehungsweise aus dem Verwaltungsrat austreten. Tun sie das nicht, haben sie keinen Anspruch auf Taggelder.
Vorzeitig Pensionierte
Wer unfreiwillig vorzeitig pensioniert wurde und weiter arbeiten möchte, hat Anspruch auf Zahlungen der ALV, sofern die Altersleistungen tiefer sind als die Arbeitslosenentschädigung. Bei einem Vorbezug der AHV-Rente besteht hingegen kein Anspruch auf Leistungen. Wer sich freiwillig vorzeitig pensionieren lässt, hat ebenfalls keinen Anspruch auf Arbeitslosentaggelder. Eine unfreiwillige Frühpensionierung liegt gemäss Bundesgerichtsentscheid von Mitte Juni 2021 dann vor, wenn eine Person aus wirtschaftlichen oder anderen unverschuldeten Gründen entlassen worden ist und sich für die vorzeitige Pensionierung entscheidet oder wenn jemand aufgrund von zwingenden Regelungen seiner Pensionskasse vorzeitig pensioniert wurde. Allerdings reduzieren sich die Arbeitslosentaggelder, da man von der Pensionskasse eine Rente erhält.
Beim RAV gelten Regeln, an die sich Arbeitslose halten sollten. Denn wer nicht spurt, muss mit Einstelltagen rechnen. Hier sind die zehn häufigsten Irrtümer und Fehler – und wie man diese vermeidet:
1. Erst nach der Kündigungsfrist bewerben
«Ich bewerbe mich noch nicht, da ich während der Kündigungsfrist ja noch arbeite.»
- Falsch: Sie müssen sich sofort nach der Kündigung und noch während Sie arbeiten um eine neue Stelle bemühen. Als Faustregel gelten 10 bis 12 Bewerbungen pro Monat. Wie viele es in Ihrem Fall genau sind, legt das RAV fest. Sie müssen die Stellenbemühungen über den Monat verteilen.
- Strafe: Wenn Sie sich während der Kündigungsfrist ungenügend um eine neue Stelle bemüht haben, erhalten Sie 3 bis 12 Einstelltage. Das heisst, das RAV streicht Ihr Taggeld für 3 bis 12 Tage. Wenn Sie sich gar nicht beworben haben, sind es 4 bis 18 Tage.
- Tipp 1: Melden Sie sich sofort nach der Kündigung beim RAV an. So erhalten Sie umfassende Infos über Ihre Pflichten während der Kündigungsfrist und Unterstützung bei der Stellensuche.
- Tipp 2: Sie müssen nachweisen können, dass Sie sich in vorgeschriebener Weise beworben haben. Protokollieren Sie die Stellensuche und bewahren Sie die Unterlagen auf. Am besten verwenden Sie dafür gleich das Formular «Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen».
2. Nachweisformular zu Arbeitsbemühungen verspätet einreichen
«Ich habe vergessen, meine Suchbemühungen rechtzeitig dem RAV zu melden. Beworben habe ich mich aber, und den Nachweis reiche ich nach. Deshalb ist die Frist nicht so wichtig.»
- Falsch: Während der Arbeitslosigkeit müssen Sie den Nachweis über Ihre Arbeitsbemühungen spätestens am fünften Tag des Folgemonats einreichen. Später eingereichte Nachweise werden nicht berücksichtigt – es sei denn, Sie haben einen entschuldbaren Grund. Solche Gründe sind aber sehr eng gefasst.
- Strafe: Da die Bewerbungen nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, erhalten Sie so viele Einstelltage, wie wenn Sie sich gar nicht beworben hätten. Beim ersten Versäumnis sind es 5 bis 9, beim zweiten 10 bis 19 Einstelltage. Danach wird die Sache der kantonalen Amtsstelle zum Entscheid überwiesen. Es drohen bis zu 60 Einstelltage.
- Tipp: Reichen Sie Ihre Bemühungen nicht auf den letzten Drücker ein.
3. Nicht zum Kontrollgespräch erscheinen
«Ich habe das Beratungsgespräch auf dem RAV vergessen. Halb so schlimm.»
- Falsch: Beratungsgespräche sind fixe Termine, die Sie unbedingt einhalten müssen. Ohne triftigen Grund können Sie das Gespräch nicht verschieben. Wenn Sie wegen Krankheit , wegen eines Vorstellungsgesprächs oder aus anderen wichtigen Gründen verhindert sind, müssen Sie das der RAV-Beraterin vorgängig mitteilen.
- Strafe: Wenn Sie zum ersten Mal einen Termin ohne Entschuldigung verpasst haben, erhalten Sie 5 bis 8, beim zweiten Mal 9 bis 15 Einstelltage. Wenn Sie weitere Termine verpassen, wird die Sache der kantonalen Amtsstelle zum Entscheid überwiesen.
4. Sich auf eine vom RAV vorgeschlagene Stelle nicht bewerben
«Mir passt die Stelle nicht, die mir das RAV zugewiesen hat. Daher bewerbe ich mich auch nicht.»
- Falsch: Das RAV weist Ihnen grundsätzlich nur Stellen zu, die es für Ihr Profil als zumutbar und passend erachtet. Sie sind verpflichtet, sich innert der gesetzten Frist zu bewerben.
- Strafe: Wenn Sie diese Frist verpassen oder sich erst gar nicht bewerben, erhalten Sie beim ersten Mal 31 bis 45, beim zweiten Mal 46 bis 60 Einstelltage. Danach entscheidet die kantonale Amtsstelle. Sie wird auch prüfen, ob Sie überhaupt vermittelbar sind. Wenn sie dies verneint, erfüllen Sie die Voraussetzungen für das Arbeitslosentaggeld nicht und erhalten deshalb gar keine Entschädigung mehr.
- Tipp: Besprechen Sie Ihre Bedenken mit dem RAV, wenn Sie aus sachlichen Gründen überzeugt sind, dass die Stelle unzumutbar oder unpassend ist. Wenn das RAV bei der Zuweisung bleibt, müssen Sie sich bewerben.
5. Selber ins Blaue kündigen
«Ich bin unglücklich mit meinem Job. Darum kündige ich erst mal und suche dann eine neue Stelle.»
- Falsch: Zwar hält Sie niemand von der Kündigung ab, wenn Sie aber während der Kündigungsfrist keinen neuen Job finden, gelten Sie als selbstverschuldet arbeitslos und erhalten Einstelltage. Ein Ausnahmefall liegt vor, wenn der Job unzumutbar war. An die Unzumutbarkeit stellt das Gesetz aber hohe Anforderungen – als zumutbar gilt fast alles. Unzumutbar wird ein Job in der Regel wegen gesundheitlicher Gründe.
- Strafe: Wenn Sie die Stelle ohne Anschlusslösung gekündigt haben, erhalten Sie 31 bis 60 Einstelltage.
- Tipp: Sie müssen die Unzumutbarkeit beweisen. Holen Sie sich dazu eine schriftliche Bestätigung des Arztes für die Arbeitslosenversicherung ein – und zwar vor der Kündigung.
6. Rückwirkend Arbeitslosentaggelder beziehen
«Ich bin seit zwei Wochen arbeitslos. Nun melde ich mich rückwirkend beim RAV an.»
- Falsch: Sie können sich nicht rückwirkend beim RAV anmelden. Wenn Sie ohne Unterbruch Taggelder beziehen wollen, müssen Sie sich spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit beim RAV anmelden. Das erste Taggeld wird erst nach einer gewissen Wartezeit ausgerichtet. Die Zahl der Wartetage hängt von Ihrer finanziellen und familiären Situation ab.
- Strafe: Bei einer verspäteten Anmeldung erhalten Sie keine Einstelltage. Die Taggelder werden aber nicht rückwirkend ausgezahlt. Für die zwei Wochen vor der Anmeldung erhalten Sie daher keine Entschädigung.
- Tipp 1: Melden Sie sich sofort nach Erhalt der Kündigung beim RAV an.
- Tipp 2: Sie können auch unbezahlten Urlaub nehmen und sich danach beim RAV anmelden. Aber: In den drei Monaten vor der Anmeldung müssen Sie sich intensiv um eine Stelle bemühen.
- Tipp 3: In den zwei Jahren vor der Anmeldung müssen Sie mindestens 12 Monate gearbeitet und Beiträge an die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Warten Sie aber besser nicht zu lange mit der Anmeldung. Wenn Sie in den letzten zwei Jahren noch mehr Arbeitsmonate vorweisen können, erhalten Sie mehr Taggelder.
7. Noch während der Kündigungsfrist die Arbeitsstelle verlassen
«Die Entlassung verletzt mich sehr. Daher nehme ich das Angebot des Chefs an, das Arbeitsverhältnis früher zu beenden. So muss ich nur einen der drei Monate Kündigungsfrist abarbeiten.»
- Falsch: Sie müssen darauf bestehen, die Kündigungsfrist einzuhalten und abzuarbeiten. Sonst verzichten Sie selbstverschuldet auf den Lohn, den Sie während der Frist hätten.
- Strafe: Sie erhalten 1 bis 60 Einstelltage. Wie viele es sind, hängt von der jeweiligen Situation ab.
- Tipp: Allenfalls können Sie den Arbeitgeber überzeugen, Sie während der Kündigungsfrist freizustellen . Einen Anspruch darauf haben Sie aber nicht.
8. Dem RAV die Ferien nicht mitteilen
«Da ich stemple und keinen Job habe, kann ich öfter in die Ferien fahren.»
- Falsch: Stellensuchende haben erst nach 60 Tagen kontrollierter Arbeitslosigkeit Anspruch auf fünf Tage Stempelferien. Damit sind Arbeitstage gemeint. Der Anspruch besteht also frühestens nach rund drei Monaten Arbeitslosigkeit. Wenn Sie mehr Ferien machen möchten, müssen Sie unbezahlten Urlaub beantragen. Während des unbezahlten Urlaubs müssen Sie sich aber weiterhin bewerben. Grundsätzlich müssen Sie die Stempelferien dem RAV mindestens zwei Wochen im Voraus melden.
- Strafe: Wenn das RAV von unbewilligten Ferien erfährt, gibt es zwar grundsätzlich keine Einstelltage wegen des Ferienbezugs. Da Sie aber für die Dauer der Ferien als nicht vermittelbar gelten, erhalten Sie keine Taggelder. Zudem drohen Einstelltage und gar eine Strafanzeige, da Sie dem RAV die Ferien verheimlicht und somit Ihre Meldepflicht verletzt haben.
- Tipp: Teilen Sie dem RAV Ihre Ferienpläne so früh wie möglich mit. So kann der Berater allfällige Kurse entsprechend planen.
9. Keine Lust auf arbeitsmarktliche Massnahmen des RAV
«Das RAV schickt mich in den Bewerbungskurs. Weil ich den aber schon bei meiner letzten Arbeitslosigkeit besucht habe, gehe ich nicht noch mal hin.»
- Falsch: Wenn das RAV Kurse anordnet, verspricht es sich davon einen Nutzen für Ihre Stellensuche. Deshalb müssen Sie den Kurs besuchen. Weil sich die Vorstellungen davon, was eine gute Bewerbung ist , schnell ändern können, kann auch ein zweiter Besuch des Bewerbungskurses sinnvoll sein.
- Strafe: Es hängt von der Dauer des Kurses ab, wie viele Einstelltage drohen, wenn man die Teilnahme verweigert. Bei einem eintägigen Kurs etwa erhalten Sie einen Einstelltag, bei einem fünfwöchigen Kurs 16 bis 18 Einstelltage. Bei einem sehr langen Kurs drohen bis zu 60 Einstelltage.
- Tipp: Wenn Sie aus sachlichen Gründen überzeugt sind, dass der Kurs die Stellensuche nicht erleichtert, sollten Sie dies mit der RAV-Beraterin besprechen. Die Entscheidung darüber, welcher Kurs etwas bringt, treffen aber die Arbeitsmarktexperten des RAV.
10. Zwischenverdienst dem RAV nicht melden
«Ich kann einige Tage bei einem Bekannten arbeiten. Das sage ich dem RAV aber nicht.»
- Falsch: Sie sind verpflichtet, dem RAV unaufgefordert sofort alles zu melden, was Ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung betrifft. Die Arbeitstage beim Bekannten sind für die Berechnung Ihres Taggelds relevant, daher müssen Sie das RAV informieren.
- Strafe: Bei einer Verletzung der Meldepflicht erhalten Sie 1 bis 60 Einstelltage. Wenn Sie die Meldepflicht wissentlich verletzen, kann das zudem eine Strafanzeige nach sich ziehen.
Gerne würden wir auch Ihre Perspektive hören. Fehlt Ihnen ein Aspekt im Text? Gibt es Unklarheiten? Haben Sie selber schon Erfahrungen mit der Arbeitsvermittlung gemacht? Und wenn ja: welche? Sagen Sie es uns in der Kommentarspalte.
2 Kommentare
Guten Tag. Besten Dank für diese Zusammenstellung.
Es fehlen m.E. Hinweise zur Taggeldberechnung, insbesondere, wenn für die zu betrachtende massgebende Zeit vor der Arbeitslosigkeit keine einheitlichen, dauernden Lohnzahlung vorliegen z.B. infolge von Unterbrüchen wie unbezahltem Urlaub, Auslandaufenthalt, Krankheit, Schule, IV- oder Strafmassnahme etc. oder die Arbeitslosigkeit durch solche Ereignisse unterbrochen wird.
Das ist ein wichtiger Punkt, Bsp. bei Krankheitsfall ist man für max. 30 Tage versichert, danach erhät man kein Geld von der ALV.