Tipps für eine sichere Wanderung
2020 verletzten sich so viele Wandernde wie nie zuvor. Das muss nicht sein: So verhindern Sie unerwünschte Zwischenfälle beim Wandern.
Veröffentlicht am 12. Mai 2021 - 17:15 Uhr
Letztes Jahr gerieten 3471 Personen in den Schweizer Bergen in Not und brauchten Hilfe. Das ist Negativrekord – und ein Fünftel mehr als im Vorjahr. 180 Menschen starben (siehe Infografik «Tödliche Bergunfälle»), zeigt die Bergnotfallstatistik des Schweizer Alpen-Clubs (SAC).
Nicht nur Kletterer, Gleitschirmfliegerinnen oder Basejumper gerieten in Gefahr. Auch beim Wandern musste mehr Menschen geholfen werden als 2019. Während des ersten Corona-Shutdowns im Frühjahr 2020 gab es zwar weniger Unfälle als im Vorjahr. Mit den Lockerungen Mitte Mai stieg die Zahl der Notfälle wieder an.
Notfälle beim Bergwandern
«Es waren sehr viel mehr Leute in den Bergen als in normalen Jahren. Auch viele Anfängerinnen und Anfänger», sagt Bruno Hasler, Bereichsleiter Ausbildung und Sicherheit beim SAC. Die Zunahme hänge «mit grosser Wahrscheinlichkeit» mit der Pandemie zusammen. Auch dieses Jahr könnte es wieder zu mehr Bergunfällen kommen, vermutet der passionierte Bergsteiger und Bergführer. «Schönes Wetter und Reiseeinschränkungen: Das sind die Voraussetzungen für einen wiederholten Ansturm in die Alpen.»
Vor allem im Frühling und Frühsommer können auch einfache Bergwanderwege gefährlich werden, zum Beispiel wenn schattige Hänge noch voller Schnee oder Eis sind. 2020 gab es auf solchen Wegabschnitten besonders viele Unfälle, sechs endeten tödlich.
Bruno Hasler empfiehlt: «Wenn eine Eisplatte einen steilen Abschnitt versperrt und man weder Steigeisen noch Pickel dabeihat, kehrt man besser um. Stolpern oder Ausrutschen kann hier das Leben kosten.» Die Gefahren unterschätzten
viele Neueinsteigerinnen und Ungeübte.
Gründe für Wanderunfälle
Das belegt auch eine mehrjährige Studie der Beratungsstelle für Unfallverhütung mit 4200 Teilnehmenden, die den Ursachen (siehe Infografik oben) von Bergwanderunfällen in der Schweiz nachging. Mangelndes Wissen und Selbstüberschätzung gehörten zu den wichtigsten Gründen.
Die Umfrage ergab: Viele Wanderinnen und Wanderer wissen nicht, dass die weiss-rot-weissen Routen anspruchsvoller sind als gelb markierte Wanderwege. Sie haben keine Ahnung, dass auf den Bergwanderwegen exponierte Stellen mit Absturzgefahr drohen. Die Folge: Sie wählen zu anspruchsvolle Routen. «Für diese Bergwanderwege muss man trittsicher und schwindelfrei sein sowie eine gute Kondition haben», so Experte Hasler.
«Bei leichten Wanderwegen wiegen sich manche in falscher Sicherheit und sind dann bei steilen Abschnitten schnell überfordert.»
Bruno Hasler, Bereichsleiter Ausbildung und Sicherheit beim SAC
«Wanderschuhe oder Turnschuhe haben alle daheim. Sobald man Lust hat, kann man wandern gehen. Dann ist man schnell überfordert und kommt in eine Notlage, weil man zu wenig Kenntnisse hat», sagt Hasler. Wer am Thunersee bade oder im T-Shirt am Ufer flaniere und dann kurz das Bähnchen hinauf nehme, sei oft schlecht ausgerüstet (siehe Wander-Checkliste für eine optimale Ausrüstung). Oben am Berg kann das Wetter schnell umschlagen, Windschutzjacke, warme Kleider und Mütze gehören eingepackt. Ebenso Sonnenschutz, eine Notfallapotheke sowie ein Handy.
Am wichtigsten sei aber eine gute Planung, sagt Bruno Hasler. Vor der Tour müsse man sich zwingend mit der Route auseinandersetzen, das Wetter beachten, sich über die Schwierigkeiten informieren und lieber einmal zu oft die Hüttenwartin anrufen und sich über die Verhältnisse vor Ort erkundigen.
Gute Hinweise und Einschätzungen über diverse Wanderungen findet man auf spezifischen Websites (siehe «Weitere Infos zu Wanderungen»). Auch die Wanderskala des SAC, die sogenannte T-Skala von T1 bis T6, gibt gute Anhaltspunkte. T1 meint leichte Wege (gelb markiert), ab T3 (weiss-rot-weiss) heisst es bereits «anspruchsvolles Bergwandern» – Trittsicherheit ist da absolute Bedingung (siehe Infografik zu den Signalisationen von Wanderwegen).
Der beliebte Bergwanderweg mit den 47 Kehren auf den Grossen Mythen in der Zentralschweiz gilt zum Beispiel als T3 – ein Fehltritt kann einen an diesem steilen Felshang das Leben kosten. Laut Hasler sind aber Wanderungen, die nur einzelne schwierige Stellen aufweisen, oft noch gefährlicher: «Der Mythen ist auch für Laien schnell als ‹gefährlich› erkennbar, dementsprechend vorsichtig sind sie. Bei anderen Wegen wiegen sich manche in falscher Sicherheit und sind dann bei steilen Abschnitten schnell überfordert.» Er rät, zuerst mit einfachen Wanderungen zu beginnen und sich erst bei genügender Erfahrung und Sicherheit an die schwierigeren Wege zu trauen.
Wer sich die nötigen Grundkenntnisse in einem Kurs aneignen möchte, findet zahlreiche Wander- und Bergsportschulen oder auch den SAC, die solche Ausbildungen anbieten. Geführte Wanderungen in Gruppen seien eine gute Alternative, wenn man noch unsicher ist. «Manchmal lohnt es sich auch, für eine schwierige Tour einen Wanderleiter oder eine Bergführerin zu engagieren », meint Bruno Hasler.
Tödliche Bergunfälle
- Ob man wirklich bereit ist fürs Bergwandern, zeigt der Online-Selbsttest der Beratungsstelle für Unfallverhütung und Schweizer Wanderwege.
- Gute Wander-Sites mit Routenbeschreibungen: www.hikr.org und www.gipfelbuch.ch
- Hütten des Schweizer Alpen-Clubs, Aktuelles rund ums Thema Berg: www.sac-cas.ch
Was Sie bezüglich Wanderroute beachten und man am Abend vorher in den Rucksack packen sollten, sehen Sie in der Wander-Checkliste des Beobachters.
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1 Kommentar
Tut mir leid, aber der Grosse Mythen ist nun wirklich kein Beispiel für eine gefährliche Wanderung oder eine, bei welcher man die Gefahr als Laie sofort sieht. Der Weg ist zwar mancherorts ausgesetzt, aber praktisch immer recht breit und oft auch abgesichert. Das ist wirklich ein unterstes T3. Viel gefährlicher sind ungesicherte Waldwege an Hängen entlang oder Gratabschnitte, vor allem wenn es feucht ist. Auf dem Fels hat man normalerweise mehr Halt als auf dem (feuchten) Waldboden mit rutschigen Wurzeln und matschigen Tritten. Es gibt da durchaus "einfachere" Wege als der Mythen, die objektiv gesehen eigentlich riskanter sind, wenn man stolpert oder ausrutscht. Die Schuhe spielen hierbei nicht so eine Rolle, nur die Sohle. Auch ein Turnschuh kann eine sehr rutschhemmende Sohle haben, wobei es auch so genannte (Billig)wanderschuhe gibt, welche eine katastrophale Sohle haben. Hohe und stabile Wanderschuhe sind eher gedacht, dass Untrainierte nicht einknicken, also mehr Stabilität haben. Es ist jedoch heute sehr umstritten, ob nicht grundsätzlich auch bei schwierigeren Touren leichte und flexible Schuhe die bessere Wahl sind. Einzig bei Hochtouren, wo man warm haben muss und Steigeisen benötigt, sind Schuhe der Kategorie C und D empfehlenswert bis nötig.