Nothilfe für Selbständige
Jetzt muss Geld fliessen
Angestellte bekamen in der Coronakrise sofort Unterstützung vom Staat. Kleine Selbständige aber fürchten um ihre Existenz. Ein Kommentar von Beobachter-Redaktor René Ammann.
Veröffentlicht am 8. April 2020 - 09:38 Uhr
Seither sind die meisten Ladengeschäfte, Bars und Restaurants, Coiffeure und weitere Dienstleister zu, die Strassen leer. Viele Angestellte sitzen behördlich verordnet daheim, der Staat zahlt ihnen 80 Prozent des Lohnausfalls.
Manche Geschäfte sollen offen bleiben, etwa Lebensmittelläden, Apotheken und Drogerien. Sie bauten zwischen Kundschaft und Kasse durchsichtige Wände auf. Manche dürften weiterarbeiten, darunter Möbelschreiner, Grafikerinnen, Floristinnen, Gärtner, Physiotherapeuten, aber auch Architektinnen, Anwaltsbüros, Unternehmensberaterinnen. Aber Arbeit haben sie keine, weil ihnen die Aufträge reihenweise wegbrechen oder die Kundschaft wegbleibt. Am härtesten trifft es die Kleinunternehmer.
»Kleinunternehmern jetzt Geld zu geben, kommt den Staat auf längere Sicht viel billiger zu stehen.»
René Ammann, Beobachter-Redaktor
«Mein grösster Kunde hat den Auftrag von einem auf den anderen Tag storniert. Ich musste meine Eltern um Geld bitten, um die Wohnungsmiete zu zahlen. Und das mit über 50», sagt eine Grafikerin. «Es gibt praktisch keine neuen Anmeldungen. So viele Leute wie vorher in einer Woche kommen nun in einem Monat. Neue Patienten erwarte ich auch nicht. Bald muss ich zumachen», sagt ein Physiotherapeut.
«Aufträge für 70'000 Franken sind weg. Darunter Einrichtungen für Reisebüros. Der Staat würde mir 2500 Franken leihen. Aber nur, wenn ich weniger als 10 000 Franken auf dem Konto habe. Mit so wenig Liquidität würde ich meinen Laden sofort schliessen müssen», sagt ein Möbelschreiner.
«Sämtliche Aufträge wurden abgesagt oder verschoben. Mein Einkommen wird auf null sinken», sagt eine Unternehmensberaterin. Alle sind selbständig, die Ausübung ihres Berufs wurde nicht verboten. Sonst hätten sie Anrecht auf maximal 196 Franken Erwerbsersatz pro Arbeitstag . Besitzerinen eines Nagelstudios, ein Coiffeur oder eine Podologin bekommen nur dann Geld, wenn sie als AG oder GmbH organisiert sind. Selbständige Mikrounternehmer wie eine Podologin gehen bislang leer aus.
Kleinunternehmern, die den Betrieb weiterführen dürfen, hilft der Staat nur, wenn sie als Aktiengesellschaft oder GmbH organisiert sind. Dann haben die Gesellschafter Anspruch auf 3320 Franken pauschal im Monat. Doch das reiche nicht einmal für die Miete, sagt ein Therapeut mit vier Angestellten auf Kurzarbeit . Wer eine AG oder eine GmbH hat, könnte bei der Bank ein Darlehen aufnehmen. Maximal in der Höhe von 10 Prozent des Jahresumsatzes. Zinsfrei bis im März nächsten Jahres. Und rückzahlbar.
Die 270'000 Mikrounternehmer fielen bei den Stützungsmassnahmen bisher weitgehend durchs Raster. Sie wollen kein Darlehen. Von allen hört man dasselbe: «Ich will keine Schulden .» Und auch keine Bank im Nacken.
Lieber machen sie den Laden dicht. Doch was dann? Verhindern kann den erzwungenen Massenexodus aus der Selbständigkeit nur Grosszügigkeit. Der Staat hat ihre Existenz in Gefahr gebracht. Der Staat ist in der Pflicht, das wiedergutzumachen. Entweder durch eine kräftige Geldspritze, wie sie grössere Firmen indirekt über die Kurzarbeit erhalten. Oder durch Darlehen, die Selbständige nur zurückzahlen müssen, wenn ihr Geschäft gut läuft.
Den Kleinunternehmern jetzt sofort Geld zu geben, kommt den Staat auf längere Sicht viel billiger zu stehen, als Zehntausende von Erwerbslosen zu unterhalten und ihnen auf dem Sozialamt das schöne Lied der Selbständigkeit vorzusingen. Also lieber jetzt ordentlich Geld in die Hand nehmen und über Steuern wieder einkassieren, wenn sich die Lage gebessert hat.
«An uns hat man nicht gedacht», sagt der selbständige Möbelschreiner. Er hat recht. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert.
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6 Kommentare
Das Mann/Frau sich nicht verschulden will, verstehe ich.
Aber weshalb kann ein Selbständiger keine Covid-19-Bürgschaft in Anspruch nehmen?
Wo ist die erleichtert Soforthilfe?Seit über 25Jahren betreibe ich nun ein Kosmetikgeschäft und war immer ohne Fremdfinanzierung im Geschäft und habe all meine Rechnungen fristgerecht bezahlt. Ich als Kleinbetrieb habe eine Bank und eine Postverbindung. Nun habe ich ein Antrag bei der Bank getätigt und diese wurde mir abgelehnt da es hies, dass ich nicht mein ganzer Umsatz vom 2019 dort habe und ich soll es bei meiner Hausbank stellen. 2/3 vom Umsatz waren auf dem Konto von der Bank der Rest bei der Post.....Jetzt frage ich mich macht dass Sinn wenn ich jetzt bei der Post den Antrag stelle, wir diese mir das gleiche Antworten? Muss man zuerst in die Ruine gehen oder bereits ein schlechtes Geschäft sein um an eine Finanzierung zu gelangen? Ich habe eine Angestellte und eine Lehrtochter und offene Rechnungen die sistiert wurden, wo bekomme ich jetzt meine Hilfe, falls es noch weiter so geht. Ein Monat kann man über die Runde gehen aber weiter ist es schwierig, da auch die Miete nicht reduziert wurde. Also Fazit nicht alle haben einfach ein Kredit wie es immer wieder gross in den Medien geschrieben wird oder ich weiss nicht vielleicht bin ich für die Banken kein gutes Geschäft trotz den vielen Jahren!!!! Bleibt gesund wir geben trotzddem nicht auf.....
Nochmals nachhaken. Es geht um Selbstdeklaration und Umsatz und nicht um Zahlungseingänge bei einem Bankinstitut.
Stimmt nicht! Wir Podologen bekommen auch nichts!
Da wir rein medizinische Notfälle behandeln dürften. Ich hatte bis jetzt 3, in 3 Wochen, das sind 120.-Einnahmen.
Sie haben es mE versäumt, in den vergangenen besseren Zeiten ein Reservepolster für zwei / drei Monate anzulegen.
Ich übe den Therapeutenberuf seit über 10 Jahren aus. Jetzt muss ich mir Geld leihen, um über die Runden zu kommen, rauriges System.