Wann wird der Stress zu gross?
Frage: Gleich zwei Arbeitskollegen haben kürzlich einen Herzinfarkt erlitten. Ich fühle mich gesund, obwohl ein gewisser Stress zum Job gehört. Ich frage mich nur: Wie merkt man, wenn es zu viel wird?
Veröffentlicht am 21. Mai 2012 - 17:10 Uhr
Diese Frage ist sehr berechtigt. Denn oft merken Betroffene erst, dass es zu viel war, wenn sie körperlich erkranken. Stress ist aber nicht grundsätzlich ungesund: Es gibt Stressforscher, die Eustress und Distress unterscheiden. Verliebtsein zum Beispiel ist Eustress, also positiv, weil belebend. Auch Abenteuerferien oder Fun-Sportarten haben diese begrüssenswerte Wirkung.
Jede Herausforderung aktiviert und erzeugt positiven Stress. Das Herz-Kreislauf-System steigert seine Leistungsfähigkeit, der ganze Körper stellt sich auf eine grosse Belastung ein. Das würde zum Beispiel nützen, um sich in einer Gefahrensituation in Sicherheit zu bringen oder sich gegen einen Angriff zu verteidigen, und es hilft, berufliche Leistungsziele zu erreichen. Im Prinzip sind also die Stressreaktionen des Körpers durchaus sinnvoll.
Stress
Quelle: Brightcove
Eine schädigende Wirkung entfaltet hingegen der Distress – dadurch, dass die Anspannung chronisch wird und nicht mehr nachlässt. Das A und O der Distress-Vorbeugung lautet deshalb Rhythmus. Rhythmen sind ein biologisches Grundprinzip. Ein- und Ausatmen, Schlafen und Wachen, das Schlagen des Herzens, das alles bedeutet gesundes Leben. Erstarrung und Einseitigkeit sind ungesund.
Wer angestrengt arbeitet, muss auch wieder ausruhen. Das heisst, man darf die Arbeit nicht nach Hause nehmen. Das gilt auch im übertragenen Sinn. Wenn man zu Hause weiter über berufliche Probleme nachdenkt oder gar nachts dabei wach liegt, ist die Grenze zum ungesunden Stress überschritten. Dann muss man Wege finden, sich abzugrenzen.
Ein einfaches Hausmittel besteht etwa darin, ungelöste Probleme und überhaupt alles, was einem zum Beruf einfällt, sofort aufzuschreiben, auch und vor allem mitten in der Nacht, um dadurch den Kopf wieder freizubekommen. Zu Hause sofort die Arbeitskleidung abzulegen und etwas Bequemeres anzuziehen, kann als Abgrenzungsritual ebenfalls helfen.
Wenn all das nicht mehr wirkt, braucht man einen Coach, der einem aus der Tretmühle hilft. Daueraktivierung führt nämlich zu einer Erschöpfung der Ressourcen. Langfristig begünstigt das tatsächlich die Entstehung von Krankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes oder in einigen Fällen sogar Krebs. Die Stressforschung zeigt deutlich, dass in der Tat ein effizientes Erholungsmanagement für die Vorbeugung zentral ist. Ebenfalls zentral ist die Einstellung zu Belastungen. Engagement ist gut, aber das Selbstwertgefühl darf nicht von der Leistung abhängen.
Tipps zur Stressreduktion
- Gönnen Sie sich stets genügend Schlaf.
- Achten Sie auf ausgewogene Ernährung.
- Bauen Sie Bewegung in den Wochenplan ein, ohne sich dabei mit übertriebenen sportlichen Leistungszielen zusätzlich zu stressen.
- Pflegen Sie Familienleben und Freundschaften. Sozialkontakte sind eine wichtige Ressource.
- Streben Sie beruflich eine Position an, die Sie zwar herausfordert, aber nicht überfordert.
- Erledigen Sie Aufgaben nicht im letzten Moment.
- Legen Sie Wert auf klare Tagesstrukturen mit wiederkehrenden Ritualen.
- Betrachten Sie Fehler als Chance und versuchen Sie nicht, unfehlbar oder unersetzlich zu sein.
- Werden Sie sich bewusst, dass Sie ein wertvoller, liebenswerter Mensch sind, unabhängig davon, was Sie beruflich leisten.