Aufgezeichnet von Yann Lengacher:

Hier in der Schweiz habe ich nun zwei Jahre serviert und geputzt. Zum Mindestlohn. Der liegt in der Gastronomie bei etwas mehr als 19 Franken in der Stunde. Ich habe bis zu elf Stunden am Tag gearbeitet. Nur selten war vor Mitternacht Schluss. In einem Luxusrestaurant verdiente ich zwischen 2800 und 3000 Franken im Monat. Während der Kurzarbeit weniger.

Mit so wenig Lohn bist du schnell in Schwierigkeiten, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Einen Arztbesuch könnte ich mir zum Beispiel fast nicht leisten, wegen der Franchise und des Selbstbehalts. Ich kaufe nur Kleider in Aktion. Ich esse nie im Restaurant und gehe in der Freizeit höchstens spazieren. Ich lebe in einer sehr kleinen Wohnung mit meinem Freund. Ohne seine Unterstützung könnte ich mir die Miete in Zürich nicht leisten. Er arbeitet seit zwölf Jahren als Koch und verdient etwas mehr als ich. Ich bin seinetwegen von Brasilien in die Schweiz gezogen. 

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Ich hatte meine Familie zwei Jahre nicht gesehen. Darum bin ich vor kurzem nach Brasilien geflogen. Leisten kann ich mir das nur, weil ich mehrere Monate lang gespart habe. Ich verzichtete auf Einkäufe für mich. In der Freizeit habe ich in anderen Restaurants gearbeitet, um etwas dazuzuverdienen. Meinen Job habe ich vor der Abreise gekündigt. Denn ich wusste ja, dass ich nach meiner Rückkehr eine Stelle wie die bisherige finden würde. Arbeitskräfte sind immer gefragt – aber leider nur solange sie für einen tiefen Lohn arbeiten.

Nur Mindestlohn

Gerade in der Gastronomie stellen die Arbeitgeber bewusst Migrantinnen mit wenig Vorkenntnissen ein. Sie müssen ihnen nur den Mindestlohn auszahlen. Als Angestellte kannst du wenig machen. Wenn ich mehr Lohn verlangen würde, würde man mich einfach durch eine Person ersetzen, die günstiger arbeitet. So akzeptiere ich die Bedingungen, weil ich auf einen Job angewiesen bin.

Für sehr wenig Lohn zu arbeiten, das kenne nicht nur ich. Es gibt viele Frauen, die nicht anders können – speziell Migrantinnen. Einige leben mit dem absoluten Minimum, um ihre Kinder ernähren zu können. Andere bleiben in einer kaputten Beziehung, weil sie finanziell auf den Partner angewiesen sind. Ich liebe meinen Partner. Im Fall der Fälle möchte ich aber unabhängig sein.

Darum sind besonders Frauen auf bessere Bedingungen angewiesen. In der Gastronomie wären das fixe Arbeitszeiten. Ich habe im Stundenlohn gearbeitet. Wie viele Stunden ich im nächsten Monat arbeite, wusste ich immer nur ungefähr. So konnte ich auch nicht mit einer festen Lohnsumme rechnen.

Das macht es viel schwieriger, sein Geld einzuteilen. Ich habe mich immer gefragt, wieso ich keinen Vertrag mit geregelten Arbeitszeiten erhalte, wenn ich doch fast immer an den gleichen Tagen arbeite. Ein höherer Lohn wäre ausserdem fair. Der muss kein Leben im Luxus ermöglichen. Das Minimum sollte aber nicht bedeuten, dass man nahe der Armutsgrenze leben muss. 

Hoffnung auf eine Chance

Ich hätte gern eine Weiterbildung gemacht. Im Restaurant, in dem ich arbeitete, gab es keine Aufstiegsmöglichkeiten. Mit meinen Arbeitszeiten eine Weiterbildung zu planen, ist zudem schwierig. Und sie ist teuer.

In Brasilien hatte ich kaum Perspektiven. Ich habe Soziologie studiert. Doch in dem Berufsfeld ist es seit Beginn der Wirtschaftskrise noch schwieriger, einen Job zu finden. Ich möchte es trotz meiner Situation in der Schweiz weiter versuchen. Vielleicht kann ich hier irgendwann einen sozialen Beruf ausüben. Dafür lerne ich so viel Deutsch wie möglich. Vielleicht öffnet sich so eine Tür für mich. Ich möchte ein besseres Leben. Ich denke, das ist menschlich. 

Ausbeutung als Geschäftsmodell?

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Tausende Arbeitnehmende leben trotz Vollzeitjob an der Armutsgrenze. Muss die Politik für einen fairen Mindestlohn sorgen oder können sich die Betroffenen selbst helfen?
Quelle: Beobachter Bewegtbild
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