Im Schloss des Spätzlikönigs
Das Gasthaus Bad Osterfingen liegt dort, wo die Schweiz fast schon Deutschland ist. Wer die Reise an den Rand scheut, ist selber schuld: Er verpasst Wein, Wild und Weltklasse-Spätzli.
aktualisiert am 4. Juli 2017 - 15:27 Uhr
Ob der Liedermacher Dieter Wiesmann auch ein wenig an das Gasthaus Bad Osterfingen im Süden des Kantons dachte, als er seine Hymne an Schaffhausen (siehe unten) schuf? Möglich wärs. Die verwinkelte Trutzburg, 1472 erstmals urkundlich erwähnt und einst Sommerresidenz des Abts von Rheinau, wirkt tatsächlich wie ein «kleines Stück» für sich, losgelöst von der Hektik der Restwelt. Man kommt gern zum Abschalten und Auftanken hierhin ins Wangental, den grünen Durchgang zwischen Rhein und Klettgau. Und das seit eh und je: Bis 1927 wurde die hauseigene Mineralquelle genutzt.
Das prächtige Badgewölbe ist heute Teil des Restaurants, das von Michael Meyer und seiner Frau Ariane geführt wird. In eine der gängigen Gastro-Schubladen wie «gutbürgerlich» oder «experimentell» mag sich der Chef nicht zwängen lassen. In Letztere schon gar nicht: «Ich will beim Kochen nicht viel am Zeug herumdoktern», so die saloppe Selbstkategorisierung. Schnörkellos soll es sein und vor allem frisch. Die Qualität der Rohprodukte ist Meyer am wichtigsten, entsprechend sorgfältig tätigt er den Einkauf.
«Ganz zusserscht usse und äänen am Rhyn, da liit e chliises Stuckch Welt, e chli verträumt und verschlafe luegts drii, da munzig chliinii Stuckch Welt, und mängen empfind’s scho fascht als Provinz.»
Dieter Wiesmann: «Blos e chliini Stadt»
Aktuelles Beispiel: das Wildfleisch. Der 45-Jährige bezieht es nur bei Lieferanten, bei denen er weiss, dass die Tiere nicht in Treibjagd erlegt wurden. Denn der Stress, den das Wild dabei hat, beeinträchtigt die Qualität des Fleisches; es bleibt beim Kochen in der Mitte hart.
Michael Meyer probiert in der Küche jeden einzelnen Rehrücken, bevor er hinaus zu den Gästen geht. Stimmt etwas nicht, muss die Brigade auch im grössten Stress mit einem anderen Stück von vorne anfangen. «Da bin ich unerbittlich.»
Nur das Beste: Das gilt ganz ausgeprägt auch für die Spätzli, für die das «Bad Osterfingen» berühmt ist – goldgelb, in reichlich Butter gewendet, mit Brotbröseln bestreut.
Gastrokritiker haben schon geschrieben, es seien «die besten Spätzli der Welt». Ein Prädikat, gegen das sich Michael Meyer nicht wehrt. «Stimmt ja auch», sagt er schmunzelnd. Das Rezept rückt er nicht heraus, keine Chance. Aber es sei im Grunde simpel: «Wir machen alles à la minute.» Zweimal täglich wird frischer Teig zubereitet, und in der Küche ist ein Angestellter fest dafür zuständig, dass mit den Spätzli alles so wird, wie es sollte. Nichts fürchtet Meyer mehr als einen Personalwechsel an diesem Posten: Es dauere drei Monate, bis der Neue den Teig in allen Finessen so hinkriegt, wie es den Vorstellungen des gestrengen Chefs entspricht – sagt dieser selber, nicht ohne Augenzwinkern.
Der Koch hat immerhin zweimal am Tag eine Chance, es gut zu machen. «Als Winzer habe ich das nur einmal im Jahr», so Michael Meyer. Winzer – das ist der Gastronom von Haus aus, und dieses zweite Standbein hat er stets behalten. Oberhalb des Hauses wachsen die Trauben, die er im eigenen Keller keltert: überwiegend Blauburgunder, etwas Merlot sowie Riesling und Weissburgunder.
Die Spezialität des Weinguts Bad Osterfingen heisst so wie das Konzept dahinter: «Zwaa». Zwei Weinbauern vereinigen die Stärken ihrer jeweiligen Rebberge zu einem Produkt. Ruedi Baumann aus Oberhallau steuert die Würze und Kraft seiner Trauben bei, die auf schwerem Lehmboden wachsen und daher gerbstoffreich sind. Von Michael Meyers «Badreben», aus leichtem Kalk und Kies, kommt die luftige Eleganz. Eine önologische Fusion sozusagen. Klingt ganz schön innovativ. Von wegen Provinz und «munzig chliises Stuckch Welt»!
1 Kilogramm Rehrücken am Knochen, sauber von Fett und Sehnen befreit. Fleisch nicht zu zaghaft salzen und pfeffern, in Erdnussöl heiss anbraten. Anschliessend im Backofen bei 220 Grad rund 5 Minuten garen.
Fleisch vom Knochen lösen und kurz heiss anbraten, den Knochen derweil im Ofen warm stellen. 120 Gramm Speckwürfeli anbraten, bis sie glasig werden, 80 Gramm geschnittene Champignons dazugeben.
Vor dem Anrichten Fleisch in rund 2 Zentimeter dicke Scheiben schneiden und wieder auf den Knochen legen. Speck-Pilz-Mischung darüber verteilen.
Zutaten für die Rotkraut-Beilage
- 400 Gramm Rotkraut
- 100 Gramm Äpfel
- 45 Gramm Preiselbeeren
- 13 Gramm Essig
- 1,3 Deziliter Rotwein
- 0,7 Deziliter Apfelsaft
- 0,3 Deziliter Orangensaft
- 1 Lorbeerblatt
- 9 Gramm Risottoreis
- 1 Nelke.
Rotkraut dünn schneiden, Äpfel schälen, raffeln, alles zusammen über Nacht in einem Topf einlegen. Eine halbe mittlere Zwiebel und 10 Gramm Zucker in 25 Gramm Butter anschwitzen und das Kraut samt Marinade dazugeben. Kochen, bis es schön weich ist: 60 bis 90 Minuten. Dann mit Salz und Pfeffer abschmecken. Tipp: etwas Zimt dazu.
Infos
Restaurant und Weingut Bad Osterfingen
Zollstrasse
8218 Osterfingen
Telefon 052 681 21 21
Montag/Dienstag Ruhetage
www.badosterfingen.ch
Anreise Zug und Bus
ab Bahnhof Schaffhausen nach Wilchingen-Hallau (Zug), weiter nach Osterfingen (Bus), dann 15 Minuten zu Fuss zum Restaurant
Anreise Auto
über Eglisau, Rafz und deutsches Gebiet durchs Wangental Richtung Wilchingen
Weinbaumuseum Hallau
Die Region um Osterfingen heisst nicht umsonst Blauburgunderland: Auf 500 Hektaren wird Wein angebaut. Wer sich theoretisches Wissen aneignen will, kann das im Weinbaumuseum tun. Keine Sorge: Es bleibt nicht bei trockener Theorie. Telefon 052 681 16 88; Infos: www.sh-weinbaumuseum.ch
Rheinfall
Europas grösster Wasserfall ist immer wieder imposant: 150 Meter breit, 23 Meter Fallhöhe, bis zu 600'000 Liter Abflussmenge pro Sekunde. www.rheinfall.ch
Wanderung im Grenzland
Wenn man schon mal am Rheinfall ist: Weshalb nicht zurückwandern nach Osterfingen? Der «Grenzweg» ab Neuhausen-Herbstäcker führt rund 3,5 Stunden durchs Grenzgebiet. Eine Begegnung mit einem seltenen Sikahirsch ist nicht ungewöhnlich. Stationen unter anderen: Rossberghof (Restaurant) und Burgruine Radegg.
Gipsmuseum Schleitheim
Ab in den Stollen: In Schleitheim steht das einzige Gipsmuseum der Schweiz. Führungen durchs Bergwerk zeigen, wie bis in die 1940er Jahre Gips abgebaut und weiterverarbeitet wurde. Telefon 079 744 89 20