Braucht die Schweiz ein Handy-Verbot?
Frankreich verbietet per Gesetz die Nutzung von internetfähigen Geräten an Schulen. Das stösst hierzulande auf Ablehnung. Verbote kennt man aber auch an Schweizer Schulen.
Veröffentlicht am 8. August 2018 - 15:43 Uhr,
aktualisiert am 8. August 2018 - 14:35 Uhr
Ab September gilt auf Frankreichs Schulhöfen digitaler Entzug. Das französische Parlament hat Ende Juli ein erweitertes Handy-Verbot in Schulen erlassen und damit ein Wahlversprechen von Präsident Emmanuel Macron umgesetzt. Bereits seit 2010 ist es in Frankreich für Schüler bis 15 Jahre gesetzlich verboten, Mobiltelefone während des Unterrichts zu benutzen. Allerdings war davon bislang der Pausenplatz ausgenommen. Das neue Gesetz geht viel weiter und verbietet die Nutzung jeglicher internetfähiger Geräte (Tablets, Handys, Smartwatches, etc.) auf dem Schulgelände und bei Schulausflügen.
Zweck des umstrittenen Verbots ist, dass die Schüler sich besser auf den Unterricht konzentrieren können sollen und man Fälle von Mobbing , bei denen etwa Schüler dabei gefilmt werden, wie sie auf dem Schulhof verprügelt werden, vermeiden kann. Ausnahme: Wenn das Gerät im Unterricht gebraucht wird.
Das französische Verbot hat vielerorts für Aufsehen gesorgt und beispielsweise in Deutschland eine intensive Debatte losgetreten. Und in der Schweiz? Würde so etwas auch hierzulande Sinn machen? Beat Zemp, Präsident des Schweizer Lehrerverbands, sagt dezidiert Nein. «Das ist eine Scheinlösung. Da versucht man pädagogische Probleme mit Verboten zu lösen. Und das ist nie eine gute Idee.»
Zudem sei so etwas im Gegensatz zum zentralistischen Frankreich in der föderalen Struktur der Schweiz mit 26 Kantonen schlicht nicht durchsetzbar. Tatsächlich liegt die Bildungshoheit hier bei den Kantonen, wobei Gemeinden innerhalb der kantonalen Rahmenbedingungen gewisse Flexibilität in der Umsetzung haben. Abgesehen vom Lehrplan 21 kennt die Schweiz kaum nationale Vorgaben für die Volksschule.
Mobbing hat im Internetzeitalter ein grösseres Ausmass angenommen, das steht ausser Frage. «Ein umfassendes Handy-Verbot in der Schule verhindert das aber nicht,» ist Zemp überzeugt. «Um Cybermobbing auszumerzen müsste man solche Geräte generell verbieten, also auch in der Freizeit.» Es gäbe aber eine ganze Reihe von Massnahmen, mit denen gegen Mobbing vorgegangen werden könne. Am wichtigsten sei, dass ein gutes Klassenklima herrsche und sofort eingegriffen werde, wenn Diskriminierungen festgestellt würden. Auch Andi Hess vom Schulamt Stadt Zürich sagt: «Die erfolgreichste Massnahme gegen Mobbing ist und bleibt Prävention!»
Auf lokaler Ebene gibt es jedoch schon seit Jahren Handy-Verbote in Schulen, so zum Beispiel in der Stadt Zürich. In der Hausordnung der Stadtzürcher Volksschulen ist für Schülerinnen und Schüler die Nutzung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten im Schulhaus und auf den Aussenanlagen nur zu schulischen Zwecken erlaubt. «So können die zahlreichen Funktionen von Smartphones wie Lernprogramme, Rechner, Nachschlagewerke etc. trotzdem für den Unterricht genutzt werden,» erklärt Hess.
Allerdings nur wenn vom Lehrer erlaubt, wie es in der Hausordnung heisst: «Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Schulpersonals müssen die Geräte ausgeschaltet und nicht sichtbar versorgt sein.» Bei Verstössen gegen diese Regelung kann die Schule das Gerät vorübergehend einziehen und auch behalten, bis es von den Erziehungsberechtigten abgeholt wird.
«Ohne Handys und elektronische Geräte in der Schule würde wohl die Umsetzung des Lehrplans 21 erschwert oder gar verunmöglicht, insbesondere die Vermittlung von Medienkompetenz», betont Hess. «Tatsache ist, dass die meisten Kinder und Jugendliche über ein eigenes Smartphone verfügen, das sie täglich nutzen. Gemäss Lehrplan 21 sind die Schulen dazu verpflichtet, die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln.»
Dem pflichtet auch Lehrerpräsident Zemp bei. Mit dem Lehrplan-Modul «Medien und Informatik» seien internetfähige Geräte integraler Bestandteil der Bildung. «Man muss den Schülerinnen und Schülern Grundkompetenzen beibringen. Sie auf die Wirklichkeit vorbereiten, die sie auch nach der Schule vorfinden.»