Im März 2020 erkrankte Chantal Britt an Covid. Die Symptome hielten an, die Hoffnung auf Besserung schwand. Plötzlich war alles anders, nur eines half: die Kontrolle zurückgewinnen. Im Herbst gründete Britt zusammen mit anderen Betroffenen eine Facebook-Gruppe, ein halbes Jahr später Long Covid Schweiz. Die Patientenorganisation wurde zum Sprachrohr einer Gruppe von Menschen, die allzu oft vergessen geht – und zur gefragten Anlaufstelle für Fachpersonen und Behörden.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Noch heute kämpft die 56-Jährige mit den Folgen von Long Covid. Auch Impfkritikerinnen und Verschwörungstheoretiker machen ihr das Leben manchmal schwer. Dennoch bleibt sie entschlossen: «Ich stehe mit Gesicht und Namen hin. Für alle, die das nicht können.»

Etwa für Schwerstbetroffene, die dauerhaft bettlägerig werden und künstlich ernährt werden müssen. Oder für die vielen Erkrankten, die mit ihren Versicherungen kämpfen. Eine Veränderung im Gesundheitssystem sei dringend nötig – und nur möglich, wenn alle am selben Strick ziehen.

Beobachter: Sie halten den Prix Courage in den Händen, wie geht es Ihnen?
Chantal Britt: Ich freue mich riesig! Für mich persönlich und für uns als Patientenorganisation. Wir sind wie eine Familie, die während der Pandemie zusammengewachsen ist. 

Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Es ist eine Genugtuung und gibt uns das Gefühl, etwas zu bewegen. Es gibt sehr viele Schwerbetroffene, die nicht kämpfen können. Vielleicht gibt ihnen der Preis ein bisschen Hoffnung. Es geht weiter, und irgendwann erreichen wir die Ziele, die wir uns gesetzt haben. 

Portrait von Prix-Courage-Gewinnerin Chantal Britt
Quelle: Jonathan Labusch

«Long Covid ist, als würde man ständig über die eigenen Grenzen gehen.»

Chantal Britt

Long Covid Schweiz wurde innert weniger als vier Jahren zu einer der wichtigsten und bekanntesten Patientenorganisationen der Schweiz. Wie erklären Sie sich das?
Die Long-Covid-Krise ist ein grosses Problem. Es sind wahrscheinlich etwa 500’000 Schweizerinnen und Schweizer betroffen. Hinzu kommen andere Personen, die postinfektiöse Probleme haben. Es macht sicher einen Unterschied, dass wir den Betroffenen eine Stimme geben und uns gemeinsam organisieren. Nur so können wir etwas bewegen, mit den Forschenden und Behörden in Kontakt treten. 

Was ist die grösste Herausforderung in Ihrem privaten und beruflichen Alltag mit Long Covid?
Die Krankheit selbst. Es ist, als würde man ständig über die eigenen Grenzen gehen. Die meisten Betroffenen haben ihren Job verloren und finden keinen neuen. Sie bekommen keine Zusatzversicherung, die Behandlung ist nicht bezahlt. 

«Den Schwerbetroffenen sieht man es nicht an, weil sie zu Hause im Bett sind.»

Chantal Britt

Wie bleiben Sie trotzdem motiviert?
Durch einen solchen Preis. Das gibt uns Mut und Hoffnung, dass sich etwas verändern kann und dass die Krankheit sichtbar wird. Mir sieht man nicht an, dass ich krank bin. Den Schwerbetroffenen sieht man es nicht an, weil sie zu Hause im Bett sind. Long Covid ist kein Beinbruch. 

Sie haben bei der Verleihung gesagt, sie wünschen sich eine Veränderung im Gesundheitssystem. 
Unser Gesundheitssystem ist nicht vorbereitet auf diese Art von Krankheit. Ich werde mit Long Covid nie Kriterien für einen Invalidenrente erfüllen können. Wir müssen das System verändern, um diese Art von Erkrankungen besser anzuerkennen. 

«Das gibt uns Mut und Hoffnung»: Chantal Britt gewinnt Prix Courage Chantal Britt gründete Long Covid Schweiz. Mit der Patientenorganisation kämpft sie für Betroffene im ganzen Land. Für ihr Engagement erhält sie den Prix Courage 2024 des Beobachters.
Quelle: Jonathan Labusch

«Das einzig Gute ist, dass wir immer mehr werden.»

Chantal Britt

Eine Herkulesaufgabe. 
Das einzig Gute ist, dass wir immer mehr werden. Es gibt Ärztinnen, die auf unserer Seite stehen. Es gibt Forschende, die ihr Bestes geben. Nicht nur in der Schweiz, auch im Ausland. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. 

Aber erst einmal wird gefeiert! 
Oh ja! Aber nicht mehr heute. Wir werden alle relativ bald schlafen gehen. Das war eine wahnsinnige Anstrengung für mich und meine Vorstandskolleginnen. Dann werden wir den Sieg vor allem mit unserer Community teilen. Das ist extrem wichtig. Ihnen das Zeichen zu geben, so was erreicht zu haben! Denn schliesslich haben wohl einige für mich und uns gestimmt.