Jede dritte Person schluckt unnötige Präparate
30 Prozent der Schweizer Bevölkerung nimmt regelmässig Nahrungsergänzungsmittel ein. Das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundes.
Veröffentlicht am 2. Oktober 2023 - 08:46 Uhr
Wissenschaftlich ist der Fall klar: Eine ausgewogene Ernährung reicht im Normalfall aus, um den Bedarf an Nährstoffen im Körper zu decken. Nahrungsergänzungsmittel werden nur in bestimmten Fällen empfohlen, etwa Folsäure in der frühen Schwangerschaft.
Trotzdem schlucken 30 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer regelmässig Vitamine, Mineralstoffe, Omega-3-Fettsäuren oder Probiotika. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Marktforschungsinstituts Demoscope im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
An der Umfrage nahmen 1282 Erwachsene aus allen Landesteilen im Alter zwischen 18 und 75 Jahren teil. 30 Prozent gaben an, in den letzten sieben Tagen ein Nahrungsergänzungsmittel eingenommen zu haben. Zwei Drittel davon konsumierten Vitamin- und/oder Mineralstoffpräparate, knapp 10 Prozent Omega-3-Fettsäuren. Fast gleich viele Personen greifen auf Pflanzen- oder Algenextrakte (9 Prozent) oder auf Präparate mit Proteinen und Aminosäuren (7,7 Prozent) zurück. Nur 3 Prozent der Befragten gaben an, Probiotika (Bakterien, Hefe) einzunehmen.
Risiko Überdosierung
Gemäss der Umfrage werden nicht alle Vitamine oder Mineralstoffe von den Befragten gleich häufig eingenommen. Es gibt jedoch Hinweise, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung Mikronährstoffe in übermässiger Menge einnimmt. «Ein Risiko für eine Überdosierung wurde vor allem bei Vitamin D und Magnesium beobachtet», heisst es in der Studie.
Ein übermässiger Konsum von Magnesium wirkt abführend und kann Magen-Darm-Beschwerden hervorrufen. Eine hohe Zufuhr an Vitamin D sei weitaus kritischer, hält die BLV-Studie fest. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Bauchschmerzen oder schwerwiegende Nierenbeschwerden können die Folge sein.
Nicht berücksichtigt wurden in der Studie nämlich Mikronährstoffe, die aus natürlichen und angereicherten Lebensmitteln stammen. Das Gesundheitsrisiko durch übermässige Zufuhr wird in der Untersuchung nicht weiter thematisiert, weil eine vertieftere Befragung die Studie wesentlich komplexer gemacht hätte.
Ebenfalls nicht untersucht wurde, ob in den Nahrungsergänzungsmitteln auch drinsteckt, was versprochen wird – ein Umstand, den der Beobachter schon früher monierte. Hinweise auf das fragwürdige Millionengeschäft gibt es aber durchaus: 2019 analysierte das deutsche Verbrauchermagazin «Öko-Test» 17 weitverbreitete Multivitaminpräparate. Von ihnen waren 15 «ungenügend» und 2 «mangelhaft». Die Vitamine und Mineralstoffe waren oft überdosiert, verglichen mit den staatlichen Empfehlungen für Höchstmengen. Hinzu kamen fehlende Warnhinweise und fragwürdige Versprechen zur Wirkung.
Deutliche Worte aus Deutschland
Die Studie des BLV kommt zum Schluss: «Gemäss den Schweizer Ernährungsempfehlungen reicht eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung aus, damit der Stoffwechsel richtig funktioniert, und Nahrungsergänzungsmittel sind nicht notwendig, ausser bei besonderen Bedürfnissen bestimmter Bevölkerungsgruppen.»
Klarer sagt es das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung: «Nahrungsergänzungsmittel sind für gesunde Personen, die sich normal ernähren, in der Regel überflüssig. Bei ausgewogener Ernährung bekommt der Körper alle Nährstoffe, die er braucht. Auf der anderen Seite kann eine einseitige, unausgewogene Ernährungsweise nicht durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ausgeglichen werden.»
1 Kommentar
Der Artikel ist interessant, wirft aber doch ein paar Fragen auf. So kommt sowohl die Studie wie auch die EFSA zum Schluss, dass es diesbezüglich eigentlich keine Probleme gäbe. Weshalb also die seit Jahren feststellbare „Regulierungswut“? Auch die EFSA vermerkt, dass bei einer Einnahme von Vitamin D3 bis zu 10000 iE keine negativen Auswirkungen festgestellt wurden. Ab welchen Einheiten etwas Nachteiliges nachgewiesen wurde, konnte ich nich herausfinden. Auf positive Effekte wurde nicht eingegangen, vielleicht, weil es eh als Unnütz betrachtet wird. Beim Magnesium zB gibt es verschiedene Formen, ein paar davon werden als leichter verträglich beschrieben. Ich empfinde es als meine Privatsache, was ich wann warum einnehme und es ist selbstverständlich, dass man sich über die Materie mittels Literatur informiert. Auch bezweifle ich, dass es jedem möglich ist, sich ausgewogen zu ernähren und zur Bildung des Vitamins D3 die vom BAG empfohlen Spaziergänge zu machen um überhaupt während der Jahreszeit, bei welcher sich das Vitamin D3 überhaupt bilden kann, innert durchschnittlich 20 Minuten auf 600 iE tu kommen. Anderes Beispiel: die Erhöhung des Kohlendioxidgehaltes führt bei einigen beobachteten Pflanzen zu einem vergrösserten Wachstum. Leider aber auch zu einer substanziellen Verminderung des Nährwertprofils der Pflanzen. Solchem nachzugehen finde ich wichtiger. Auch essen viele Menschen auswärts, und ich weiss nicht, wieviele Orte das Gemüse sorgfältig im Dampfkörbchen garen… Oder sind alle Fertigprodukte ausgewogen? Kurz, einerseits wird über die stete Erhöhung der Gesundheitskosten gejammert und damit eingehend diejenigen kritisiert, die wegen allem zum Arzt rennen, andererseits wird zB die Medizin aus natürlicheren Quellen zunehmend verunmöglicht, in Deutschland beispielsweise, wo Teesorten, die jahrhundertelang benutzt wurden, verboten wurden, da diese schulmedizinisch nicht untersucht worden seien. Zu guter Letzt haben schulmedizinische Produkte, so wertvoll diese sein mögen, Nebenwirkungen. Zudem würde mich mehr interessieren, weshalb mittelländische Gemeinden den Chlorothalonilgehalt im Trinkwasser nicht herausfiltern müssen, sondern es offenbar durchaus ok ist, auf den Beweis eines kausalen Zusammenhanges (!!) zu warten (Hauseigentümer können ihr Einfamilienhaus allerdings relativ einfach aufrüsten). Weshalb also Regulierungswünsche bei Vitaminen, die, wie die Studie festhält, keine Probleme verursacht?