Grenzerfahrung mit dem Tram
Zwei Basler Wirte verwöhnen ihre Gäste in einem Elsässer Restaurant. Die Fahrt dorthin lohnt sich auch, weil eindrückliche Zeugen früherer Zeiten quasi am Wegrand liegen.
Veröffentlicht am 16. Februar 2009 - 18:58 Uhr
Wer essen will wie Gott in Frankreich, nimmt am besten das Tram Nummer 10. Steigt am Bahnhof Basel SBB in eines der rot-gelben Gefährte, die bis ins solothurnische Rodersdorf ruckeln, bleibt eine gute halbe Stunde darin sitzen. Sieht zu, wie vor den Fenstern das Theater Basel vorbeizieht, die Heuwaage und der Zoo. Wie die Stadt in Vorortsgemeinden übergeht und schliesslich Äcker und Felder am Fenster vorbeiziehen, eine Landschaft mit sanften Hügeln und Dörfern, die sich alle an die Tramlinie 10 zu schmiegen scheinen – diese Linie, die mit ihren rund 26 Kilometern zu den längsten Tramlinien Europas gehört und durch drei Kantone und zwei Länder führt.
Leymen, der letzte Halt vor der Endstation, ist das erste Dorf nach der Grenze, Département Haut-Rhin, 1120 Einwohner. Hierhin hat es Urs Rusterholtz und Bernhard Weber verschlagen. Zwei Basler, die sich Ende der siebziger Jahre in der Küche der «Hirschenegg» kennengelernt hatten, Basels erster Genossenschaftsbeiz. Sie arbeiteten gut 30 Jahre lang in verschiedenen Lokalen zusammen, bis ihnen die Stadt zu eng wurde und sie ein Gasthaus auf dem Land suchten. 1992 wurden sie fündig. «Wir standen vor dem Lokal und wussten: Das ist es», erinnert sich Rusterholtz.
Die «Couronne d’Or» war nicht in Hochform: Das 200-jährige Gebäude war halb verfallen, ebenso der Anbau mit dem Saal aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die zwei Basler hauchten dem Lokal neues Leben ein. Bauten fast ein Jahr lang um, brachten den Laden zum Laufen – Weber als Küchenchef, Rusterholtz als administrativer Leiter. «Einfach war das nicht», sagt Rusterholtz. «Die französische Bürokratie funktioniert anders als die schweizerische. Ausserdem waren wir nun Teil eines uns unbekannten Dorfs, das den beiden Schweizern eher skeptisch gegenüberstand.»
Die Skepsis ist gewichen. Kein Wunder: Die «Couronne d’Or» kann sich sehen lassen. Das Bistro im Hauptgebäude versprüht wieder französischen Charme, der Belle-Epoque-Saal im Anbau mit seinem dunklen Parkettboden einladende Eleganz. Auf der Rückseite des Saals befindet sich ein Wintergarten, dahinter eine lauschige Gartenwiese mit Feuerstelle und Boule-Bahn: Die «Couronne d’Or» ist ein guter Ort für Ausflügler und Familien. Und natürlich für Feinschmecker.
Das Entrecôte hat Biss und Geschmack, dem Gemüse merkt man die Frische an. Die Karte ist von Hand geschrieben und überschaubar, sie wechselt häufig, passt sich saisonalen Bedingungen an. Stilistisch will Bernhard Weber seine Küche nicht einordnen, er sagt lediglich: «Wir pflegen hier Frischküche, arbeiten mit regionalen Produkten. Mich interessiert, was in der Region wächst, doch ich habe die Fühler nach neuer Inspiration stets ausgestreckt.» Fisch und vegetarische Küche sind ihm wichtig, bodenständige Kost kommt nicht zu kurz. «Mit den Mitarbeitern aus dem Maghreb haben aber auch nordafrikanische Gewürze und Couscous Einzug gehalten», erklärt er.
Wer zusätzlich etwas Bewegung will, der ist ebenfalls gut aufgehoben in der Gegend um Leymen. Von der Tramstation Flüh, noch auf Schweizer Boden, führt ein Weg hoch zum Kloster Mariastein – zu jener barocken Abtei, die nach Einsiedeln als wichtigster Wallfahrtsort der Schweiz gilt. Sie liegt über der Höhle, aus der im 14. Jahrhundert ein Hirtenkind ins Tal gestürzt sein soll. Das Kind, so die Legende, überlebte dank beherztem Eingreifen der Jungfrau Maria. Die Grotte wurde darauf zur Wallfahrtskapelle. Die Wände des unterirdischen Gangs dorthin sind gepflastert mit Hunderten von Tafeln, mit denen sich Gläubige für den Sieg über Krankheiten bedanken, für bestandene Examen oder den «mächtigen Schutz im Weltkrieg». Oder die nüchtern festhalten: «Bei Flugzeugabsturz wundersam gerettet. 24. Januar 1948, Pilot E. Sch., Basel».
Von Mariastein führt ein Weg einen Hügel hinauf wo Schilder darauf hinweisen, dass nun Frankreich beginne. Er schlängelt sich weiter durch die stille Gegend zwischen zwei Ländern, zum nächsten Hügelzug, auf dem 700-jähriges Gemäuer thront: die Ruine Landskron. Eine Festung, die eidgenössische Soldaten beherbergt hat, schwedische, französische, zuletzt jene der deutschen Wehrmacht. Die Burg war auch Steinbruch und Affenkolonie und liegt heute da als «Monument historique classé de France». Mit einem Turm, von dessen Spitze der Blick bis weit in die Vogesen und den Schwarzwald reicht.
Und auch von dort oben sind sie zu sehen, die gelb-roten Trams der Linie 10, die die Landes- und Kantonsgrenzen überqueren, die durch Felder und Vorortsgemeinden ruckeln, bis sie wieder in Basel sind.
Lauwarmer Blattspinat mit Olivenöl, Balsamico und Parmesan
150 bis 200 Gramm Spinat pro Person waschen, grobe Stiele entfernen und in Olivenöl dämpfen. Warm auf Teller anrichten. Mit Balsamico beträufeln, fein gehobelten Parmesan darübergeben. Sofort servieren.
Variante: Anstelle von Parmesan im Olivenöl angebratenes Fischfilet oder Jakobsmuscheln verwenden.
Infos
La Couronne d‘Or
10, Rue Principale
F-68220 Leymen
Telefon 0033 3 89 68 58 04
www.couronne-leymen.ch
Montag und Dienstag geschlossen. Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Tram Nr. 10 ab Basel SBB (Richtung Rodersdorf) bis Leymen. Mit dem Auto: ab Basel H18 in Richtung Delémont bis Ausfahrt Reinach-Süd, über den Grenzübergang Biel-Benken nach Leymen.