«Er will nur faul herumliegen»
Wie verbringt man die Ferienzeit, wenn Ehegatten gegensätzliche Vorstellungen von Urlaub haben?
Veröffentlicht am 9. Juli 2013 - 09:36 Uhr
Frage von Brigitte Z.: «In den Ferien geraten wir uns immer in die Haare: Mein Mann will möglichst nichts unternehmen, nur essen und faulenzen. Mir ist das zu langweilig, ich möchte Neues entdecken. Wie kann ich ihm klarmachen, dass es schade um die Ferienzeit ist, wenn man nur herumhängt?»
Das ist ein aussichtsloses Unterfangen, fürchte ich. Für ihn sind es wohl umgekehrt keine Ferien, wenn eine Aktivität die andere ablöst. Am besten suchen Sie einen Kompromiss. Legen Sie sich einen Tag Ihrem Mann zuliebe mit einem spannenden Buch neben ihn in den Liegestuhl (so haben Sie es wenigstens virtuell aufregend) und bestehen Sie dafür am nächsten Tag auf einer Unternehmung.
Nicht nur in den Ferien, sondern allgemein im Leben sind verschiedenen Menschen eben verschiedene Dinge wichtig. Die Individualpsychologie Alfred Adlers spricht von verschiedenen Lebensstilen. Der Psychologe Theo Schoenaker beschreibt in dieser Tradition mit einem vereinfachten Modell vier Antworten auf die Frage, was einem im Leben wichtig ist. Es gibt Menschen, bei denen steht nicht nur in den Ferien, sondern immer die Bequemlichkeit im Vordergrund. Andere haben die Priorität, gefallen zu wollen. Ein drittes Motiv ist Kontrolle und ein viertes das Streben nach Überlegenheit. Die Prioritäten kommen natürlich im einzelnen Menschen in einem Mischungsverhältnis vor, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Und sie haben alle Vor- und Nachteile.
Eine Person, bei der Bequemlichkeit im Vordergrund steht, möchte es angenehm haben, möchte behaglich geniessen, nicht gestört und in Ruhe gelassen werden, möchte «nicht müssen». Bei der Priorität «Gefallen wollen» ist zentral, dass einen die andern Menschen mögen und gernhaben, einen akzeptieren und nicht gegen einen sind. Ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle bedeutet, dass man sich Sicherheit wünscht, überschaubare Verhältnisse, Ordnung und Schutz vor Bedrohungen. Die vierte Priorität schliesslich ist das Streben nach Überlegenheit. Hier will man gewinnen, will etwas darstellen, will besser sein als andere. Das Positive an der Priorität «Bequemlichkeit» ist, dass man eine gemütliche Umgebung schaffen kann.
Bequeme Menschen können in der Regel gut zuhören, wirken ruhig und sind mit sich zufrieden. Sie können geniessen, delegieren und leicht loslassen. Negativ kann sein, dass sie sich vor Verantwortung drücken; dazu kommen mangelnde Ausdauer und Widerstand gegen Veränderungen. Wer die Priorität «Gefallen wollen» hat, ist oft diplomatisch und kann wenn nötig Frieden stiften. Er erfüllt die Erwartungen, die in ihn gesetzt werden, kann sich besonders gut in andere Menschen einfühlen, leicht Kontakte herstellen und arbeitet gern im Team. Der Nachteil: Wer gefallen will, kann schlecht nein sagen, ist immer auf der Suche nach Bestätigung und wird manchmal ausgenutzt.
Wer Kontrolle bevorzugt, verfügt über Führungsqualitäten, ist zuverlässig, produktiv und genau, übernimmt Verantwortung und kann durchhalten. Negativpunkt dieser Priorität ist, dass sie einen Verlust an Spontaneität mit sich bringen kann: Ordnung und Pläne sind wichtiger als menschliche Beziehungen, andere fühlen sich durch Kontrollfreaks eingeengt.
Wer eher nach Überlegenheit strebt, ist aktiv, bringt neue Ideen ein, kann andere begeistern, hat hohe Ideale und kann sich für diese aufopfern. Auf der Schattenseite kann eine Tendenz bestehen, andere abzuwerten und grundsätzlich alles immer in den Dimensionen gut/schlecht, oben/unten zu sehen.
Natürlich geht es jetzt nicht darum, sich oder seine Mitmenschen in eine dieser Schubladen zu pressen. Aber es ist nützlich, genauer hinzuschauen, welches die Prioritäten im eigenen Leben sind. Ist das Verhältnis ausgewogen, oder besteht ein Ungleichgewicht, so dass sich auch die Schattenseiten einzelner Tendenzen zeigen?Koni Rohner
Buchtipps
Albrecht Schottky, Theo Schoenaker: «Was bestimmt mein Leben? Wie man die Grundrichtung des eigenen Ich erkennt»; Verlag RDI, 2008, 144 Seiten, CHF 19.90 (mit Prioritätentest und Auswertung)
Jürg Frick: «Was uns antreibt und bewegt»; Verlag Huber, 2011, 360 Seiten, CHF 31.90 (enthält neben der Beschreibung des Prioritätenmodells von Schoenaker weitere Persönlichkeitskonzepte)