Helikopter-Eltern: Bitte landen!
Wer seine Kinder ständig überwacht, verwehrt ihnen die Selbständigkeit. Schrittweises Loslassen hilft ihnen dabei, grundsätzliche Erfahrungen zu machen.
Veröffentlicht am 26. März 2010 - 16:00 Uhr
Amerikaner nennen sie «Helikopter-Eltern»: jene Mütter und Väter, die ihr Kind ständig umkreisen und vor allen möglichen Gefahren schützen und behüten wollen. Sie organisieren alles für ihre Kinder im Glauben, so deren Fähigkeiten und Karrieren zu fördern. «Wer über Jahre für sein Baby, Kleinkind, Kindergartenkind da war, dessen Abhängigkeit gespürt hat, sein Bedürfnis nach Nähe, kann das alles nicht so einfach loslassen. Er möchte weiter wachen und über das Wohl seines Kindes bestimmen», erklärt der deutsche Entwicklungspsychologe Ulrich Diekmeyer. Tatsächlich haben viele Eltern Mühe, ihr Dreijähriges brüllend in den Armen der Kindergärtnerin zurückzulassen, wenn ihre Siebenjährige allein zur Schule gehen, der Zwölfjährige die Konflikte mit seinen Gspäändli selber lösen und die Sechzehnjährige ihre berufliche Karriere selbst planen will.
Wenn ich Freunde und Bekannte frage, ob sie eine schöne Kindheit hatten, kommt regelmässig folgende Antwort: «Wir hatten viele Freiheiten. Von morgens bis abends konnten wir draussen spielen. Bestimmte Regeln mussten wir strikte einhalten, aber es blieben Raum und Zeit für Experimente. Ging etwas schief, mussten wir den Lapsus selber ausbaden. Das hat uns geholfen, früh selbständig zu werden.»
Es ist zwar eine etwas verkürzte Darstellung, den Grund für Selbständigkeit darauf zu reduzieren, ob Eltern ihr Kind an der kurzen Leine halten oder nicht. Trotzdem: Selbständigkeit und Selbstbewusstsein haben immer auch etwas damit zu tun, wie es Eltern gelingt loszulassen. Kinder wachsen an eigenen Erfahrungen. Wenn sie Schwierigkeiten selbst gemeistert oder eigene Lösungen für ein Problem gefunden haben, gibt ihnen das Sicherheit und Vertrauen ins eigene Handeln.
- Sprechen Sie sich als Eltern ab, wie viel und was Sie den Kindern erlauben wollen.
- Nehmen Sie Ihre Ängste ernst und reden Sie mit den Kindern über Ihre Sorgen und Befürchtungen.
- Bleiben Sie mutig, vertrauen Sie Ihrer Intuition und vor allem Ihren Kindern.
- Beachten Sie: Auch andere Eltern haben Ängste und fürchten um ihre Kinder. Ein Austausch kann helfen.
- Bevor Sie aus Prinzip Nein sagen, werfen Sie doch einfach einen Blick zurück auf Ihre eigene Kindheit: Haben Sie sich beispielsweise nicht auch gefreut, wenn Ihre Eltern Ihnen zutrauten, die Tante allein zu besuchen?
- Bestehen Sie auf klaren Abmachungen und deren Einhaltung.
Es gibt kein Patentrezept, ab welchem Alter Kinder etwas allein bestimmen dürfen oder sollen. Ein indisches Sprichwort sagt: «Sind die Kinder klein, müssen wir ihnen helfen, Wurzeln zu fassen. Sind sie aber gross geworden, müssen wir ihnen Flügel schenken.» Deshalb: Gewähren Sie Freiräume, wo immer Sie es verantworten können. Etwas Herzklopfen gehört dazu. Loslassen ist so leicht und doch so schwer. Gelingt es, freuen sich Eltern wie Kinder – und beide sind auch ein bisschen stolz.
Buchtipp: Heidi Maier-Hauser: «Lieben – ermutigen – loslassen»; Beltz-Verlag, 2009, 200 Seiten, Fr. 23.90
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