Null Bock auf gar nichts
Pubertierende geraten oft in eine Motivationskrise. Sie brauchen jemanden, der sie begleitet. Manchmal helfen schon ein wenig Extra-Zuwendung und echtes Interesse an ihrer Welt.
Veröffentlicht am 8. November 2011 - 08:49 Uhr
Esra hängt nur noch rum, Nina ist unansprechbar, Sebastian findet sowieso alles uncool. Die drei Teenager zwischen 14 und 16 Jahren tragen ihre Null-Bock-Stimmung überall mit sich rum. Ihnen gehts nicht um laute Rebellion oder aggressive Provokation. Nein, im Gegenteil. Sie wollen einfach ihre Ruhe haben, keine Erwartungen erfüllen müssen. Und sie provozieren damit auf ihre Weise.
Das tangiert vor allem die Eltern, die das Gefühl bekommen, keinen Zugang mehr zu Sohn und Tochter zu finden. Schmollende Gesichter, nicht eingehaltene Abmachungen und patziger Umgangston gehören zur Tagesordnung. Konsequenzen? Die werden von den Jugendlichen weitgehend ignoriert. Sie verschanzen sich lieber im Zimmer oder flüchten raus zur Clique, statt sich dem Konflikt zu stellen.
Als betroffene Eltern belastet einen diese Situation beträchtlich. Schliesslich trägt man Verantwortung für sein Kind und will sein Bestes. Da hilft es zu wissen, dass Sinn- und Motivationskrisen in der Pubertät typisch sind und relativ häufig vorkommen. Sie befallen einen Teenager vor allem dann, wenn er beginnt, sich bewusst Gedanken über das eigene Leben zu machen. Wer bin ich und wie will ich werden? Wie wirke ich auf andere? Wie finde ich das, was die anderen über mich denken? Was ist der Sinn von Leben und Tod? Mit solchen Fragen schlagen sich Pubertierende erstmals intensiv herum. Diese Gedanken sind für die Identitätsbildung überaus wichtig – doch sie bergen das Risiko, zum Teufelskreis zu werden. Manche Jugendlichen finden von allein wieder raus, andere verstricken sich darin.
Was können Bezugspersonen tun, damit sich Teenager weiterentwickeln können, statt im Rumhängen steckenzubleiben? Sie vor ein Ultimatum zu stellen, bis wann sie ihr Verhalten zu ändern haben, hat wenig Erfolgschancen. Denn Druck löst immer Gegendruck aus. Wirksamer ist es, den Teenager dazu zu bringen, selber aus der Krise herausfinden zu wollen. Erst wenn er es selber will, wird er auch unsere Unterstützung annehmen.
«Hilf mir, es selbst zu tun» ist also die unausgesprochene Forderung Jugendlicher an Erwachsene. Konkret gelingt das, indem der Teenager seine persönlichen Ziele in Schule, Beruf, Hobby und Freundeskreis äussern darf. Danach werden mit ihm gemeinsam realisierbare Teilziele formuliert und in die Tat umgesetzt. Wenn er von sich glaubt, sowieso nichts davon zu erreichen, kann man helfen, indem eine Rangliste erstellt wird. Welches Teilziel lässt sich am leichtesten umsetzen, welches braucht mehr Aufwand oder Hilfe?
Sobald die Eltern den Kindern gegenüber signalisieren, dass sie die Null-Bock-Stimmung als Krise und vorübergehende Phase akzeptieren und verstehen wollen, ist der erste Schritt getan. Eltern können ihre Haltung kundtun, ohne Vorwürfe und Kritik anzubringen: «He, du hast so viele tolle Fähigkeiten, die du nutzen und zeigen darfst. Mach etwas daraus, ich bin sicher, du schaffst das. Wenn du willst, helfe ich dir dabei.» Auch Jugendliche mögen eine Extraportion Zuwendung und Aufmerksamkeit der Eltern – sie sollte allerdings weder aufdringlich sein noch in der Öffentlichkeit demonstriert werden.
Gemeinsame Momente sind die Basis für gegenseitiges Vertrauen, Interesse und Anerkennung. Im Alltag lässt sich leicht eine Stunde Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Zeit einbauen mit Aktivitäten, die beiden Spass machen: Dessert zubereiten, Pingpong spielen oder Schach. So wird auch ein unmotivierter Teenager eher bereit sein, seine innere Schatztruhe zu öffnen.