Frage von Jasmin G.: «Wir sind glücklich verheiratet und haben ein gemeinsames Kind. Aber das Verhältnis zur neunjährigen Stieftochter aus der ersten Ehe meines Mannes ist einfach nicht gut. Ich wollte eine echte Mutter-Kind-Beziehung hinbekommen, aber ich wurde nur enttäuscht.»

Ich kann gut verstehen, dass das bitter ist für Sie. Sie haben es gut gemeint, aber Ihr Ansatz war wohl falsch. Ihre Stieftochter hat bereits eine Mutter, diese Rolle ist besetzt. Sie müssen eine anders geartete Beziehung zu ihr aufbauen. Dann werden sich die Spannungen verringern. Das ist zwar eine schwierige Aufgabe, aber eine durchaus lösbare.

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Sie sind mit Ihrem Problem auch nicht allein. Nur jede dritte «Ersatzmutter» wird von den Kindern anerkannt, ergab 2006 eine Umfrage unter Schülern im deutschen Hessen. Die Akzeptanz gegenüber Stiefvätern war mit 50 Prozent etwas besser.

In der Schweiz schätzt man, dass von den Familien mit Kindern unter 18 Jahren 67 Prozent traditionelle Kernfamilien sind, 17 Prozent solche mit alleinerziehendem Elternteil und 13 Prozent Stieffamilien – oder, wie man heute sagt, Patchworkfamilien. Oft leben auch Paare mit Stiefkindern zusammen, ohne verheiratet zu sein.

Ein kompliziertes Beziehungsgeflecht

Probleme in der Stieffamilie sind allerdings eher ein Tabuthema. Denn Patchworkfamilien wollen keinesfalls als Problemfamilien dastehen. Es ist der zweite Anlauf, eine Familie zu gründen – oft nach einer grossen Enttäuschung; daher wollen es beide Elternteile besonders gut machen. Jedes Kind kennt die Märchen von der bösen Stiefmutter, gerade deshalb wollen die Stiefeltern fehlerlos und perfekt sein. Meist orientieren sie sich dabei an der herkömmlichen Kernfamilie – nach dem Motto «Endlich eine glückliche Familie sein». Und gerade das führt dann zu Enttäuschungen.

Eine Stieffamilie hat nämlich automatisch eine viel kompliziertere Struktur als eine Kernfamilie. Die Kinder haben noch intensive seelische Beziehungen zu jenem Elternteil, der ausserhalb der Familie lebt. Ebenso zu Grosseltern und anderen Verwandten. Die Meinung, man könne glatte Schnitte machen, stimmt schon deshalb nicht, weil ja eine Besuchsrechtsregelung besteht. Selbst wenn der leibliche Elternteil gestorben ist, ist er oft seelisch noch präsent. Stiefeltern und Stiefkinder konnten zudem nicht langsam in eine Beziehung hineinwachsen, sondern sehen sich plötzlich miteinander konfrontiert.

Aus dieser Situation resultieren viele Probleme. Es kommt zu Rivalitätskämpfen, die Kinder wollen den Stiefeltern nicht gehorchen. Sie vergleichen die Stiefmutter mit der leiblichen Mutter. Manchmal glauben sie unbewusst, wenn sie die neue Beziehung sprengen könnten, würden die geschiedenen Eltern wieder zusammenfinden. Wenn es (ganz natürlicherweise) nicht gelingt, Stiefeltern oder Stiefkinder gleich auf Anhieb von Herzen zu lieben, gibt es Schuldgefühle auf beiden Seiten.

Das Familienleben darf anders aussehen

All diese Probleme lassen sich aber lösen. Jede Stieffamilie muss einfach den Mut haben, sich so zu arrangieren, dass es für alle Beteiligten stimmt. Auch wenn das Familienleben dann anders aussieht als in der herkömmlichen Kernfamilie. Dann, das zeigen Studien, sind Mitglieder einer Stieffamilie in keiner Weise benachteiligt oder unglücklicher als andere Menschen.

Drei wichtige Regeln

  • Stiefeltern dürfen nicht Eltern sein wollen, sondern müssen eine neue Rolle im Patchwork finden.
  • Die Gefühle aller Beteiligten – auch negative – verdienen Verständnis.
  • Haben Sie Geduld, es braucht Zeit, bis das neue Familiensystem zur Ausgewogenheit gefunden hat.