Die Rossis (Name geändert) hatten fünf Jahre auf diesen einen Anruf gewartet. Als er dann kam, stellte er ihr Leben auf den Kopf. «Setzen Sie sich», sagte der Mann am Telefon. Aufregung, Adrenalin, was kommt jetzt? «Wir haben einen Buben für Sie.» Euphorie, Endorphine – Schock. Zumindest kurz. Ein Schluckauf, bevor sich das Leben ändert.

Kurz darauf buchte das Paar einen Flug nach Thailand. Bei der Rückkehr waren Sara und Stefano Eltern (Namen geändert).

Besser gesagt: Adoptiveltern. Denn es gibt einen Unterschied. Nicht für die Familie, aber vor dem Gesetz.

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«Wir haben unzählige Formulare ausgefüllt, Bewilligungen eingeholt, Kurse besucht. Und doch war die Umstellung extrem», erzählt Stefano Rossi. Plötzlich war da ein Baby – aus dem Nichts, neun Monate alt. Gewisse Dinge lassen sich nicht planen, das geht allen Eltern so. Im Normalfall haben sie nach der Geburt aber etwas Zeit, um sich zurechtzufinden.

Plötzlich Vollzeitmutter

Nicht so die Rossis. Als Adoptiveltern hatten sie 2013 keinen Anspruch auf Ferientage. «Sara war im August Vollzeit-Projektleiterin, im September plötzlich Vollzeitmutter», sagt ihr Mann. Ohne Übergang, ohne Entschädigung. Alles musste innert Tagen neu organisiert werden: die Familie, der Job, die Wohnsituation. Nach der Euphorie kam das Kind – und mit ihm ein Chaos. Ähnlich ergeht es vielen Adoptiveltern.

Eine parlamentarische Initiative wollte ihre Situation verbessern. 2013 forderte der Mitte-Nationalrat Romano Marco einen zwölfwöchigen Adoptionsurlaub. Der Vorschlag wurde jahrelang kontrovers diskutiert, dann entschied sich das Parlament für einen Kompromiss: Seit Anfang 2023 können Adoptiveltern zwei Wochen beziehen – allerdings nur wenn das Kind jünger als vier Jahre ist. Der Urlaub, insgesamt zehn Arbeitstage, kann aufgeteilt oder von nur einer Person bezogen werden. Dieses Modell orientiere sich am Vaterschaftsurlaub und harmonisiere die Situation aller Eltern, schrieb der Bundesrat.

«Zwei Wochen genügen nicht, um die gewünschte Bindung aufzubauen.»

Karin Meierhofer, Kompetenzzentrum Pflege- und Adoptivkinder Schweiz

«Das stimmt nicht», findet Stefano Rossi. Die zehn freien Tage seien knausrig, die Altersgrenze willkürlich. 2017 adoptierte das Paar einen zweiten Buben, diesmal drei Jahre alt. «Er wurde aus seinem Umfeld gerissen und musste eine neue Sprache erlernen. Es wird nicht einfacher, nur weil ein Kind älter ist!»

Das sieht auch das Kompetenzzentrum Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (PACH) so. «Anspruch auf den Urlaub sollten alle Adoptiveltern mit Kindern unter 18 haben», sagt Geschäftsleiterin Karin Meierhofer. Der jetzige Urlaub sei zu kurz. «Er genügt bei weitem nicht, um die gewünschte Bindung zwischen Kind und Adoptiveltern aufzubauen.»

Die heutige Altersgrenze hatte der Mitte-Nationalrat Romano Marco vorgeschlagen, als er die Initiative einreichte. In der parlamentarischen Debatte forderte die Linke eine Ausdehnung, aber sämtliche Vorschläge scheiterten. «Insbesondere aus finanziellen Gründen», heisst es beim Bundesamt für Sozialversicherungen. Aber auch weil die Gesundheit der Mutter nicht besonders geschützt werden müsse. Sprich: Eine Adoptivmutter muss sich nicht von den Strapazen einer Geburt erholen. «Die Einführung eines Adoptionsurlaubs ist an sich bereits ein wichtiger sozialpolitischer Schritt, unabhängig von der Dauer des Urlaubs», betont das Bundesamt.

Immer weniger Adoptionen

Bei den Rossis ist die Familienplanung abgeschlossen. Trotzdem wollen sie sich weiter für Adoptivfamilien einsetzen. Kürzlich gründeten sie die Plattform Adoptiveltern.ch, auf der sich Betroffene verknüpfen und austauschen können.

Das jetzige Gesetz wird sich wohl nicht so schnell ändern. «Unsere Lobby ist zu klein», vermutet Rossi. Im letzten Jahr wurden 437 Kinder adoptiert, vor 20 Jahren waren es noch fast doppelt so viele gewesen. Verantwortlich für den starken Rückgang sind gemäss Bund die höheren gesetzlichen Anforderungen, weniger unerwünschte Schwangerschaften – und dass ledige Mütter heute eher gesellschaftlich akzeptiert sind.

Hoffen dürfen Adoptiveltern trotzdem. «Wir plädieren stark dafür, dass Modelle für eine bezahlte Elternzeit geprüft werden», sagt Karin Meierhofer von PACH. Einige Firmen bieten solche bereits an – für alle Eltern.