Lebenspartner erben mehr, Kinder weniger
Wer vermacht wem was? Eine neue Auswertung gibt erstmals detaillierte Einblicke. Der Beobachter zeigt, was sich mit dem neuen Erbrecht verändert hat.
Veröffentlicht am 6. Februar 2025 - 12:06 Uhr
Im Jahr 2025 wird in der Schweiz ein neuer Höchstwert von 100 Milliarden Franken vererbt, schätzt Marius Brülhart, Professor für Ökonomie an der Uni Lausanne, auf Anfrage des Beobachters. Die gesamte Erbmasse hat sich gemäss Brülhart in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt und beträgt mittlerweile mehr als das Doppelte der jährlich ausbezahlten AHV-Renten.
Eine Auswertung der Online-Plattform «Dein Adieu» in Kooperation mit der Universität Lausanne gibt nun erstmals Einblicke in die Testamente von Schweizerinnen und Schweizern. Die Forschenden haben dazu fast 17’000 Testamente analysiert, die auf der Plattform erstellt wurden. Daraus ergibt sich ein interessanter Blick, wie die Vererbung in der Schweiz abläuft.
Unterschiede je nach Familienkonstellation
Je nach Familienkonstellation gibt es grosse Unterschiede bei den Erbbegünstigten. Verheiratete vererben den Grossteil ihres Nachlasses an ihre Ehepartner, Eltern an ihre Kinder. Das ist wenig erstaunlich, weil sie auch pflichtteilsgeschützt sind. Mehr Gestaltungsspielraum haben Unverheiratete ohne Nachkommen. Sie vererben ihr Vermögen grösstenteils an ihre Lebenspartner. Doch auch andere Verwandte und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind in den Testamenten im Vergleich zu anderen Familienkonstellationen häufiger vertreten.
Erbrechtsrevision war gewünscht
Seit der Erbrechtsrevision von 2023 hat die Schweizer Bevölkerung grössere Freiheiten bei der Regelung des Nachlasses, weil die Höhe der Pflichtteile überarbeitet wurde. «Unsere Auswertungen belegen, dass das einem tatsächlichen Bedürfnis vieler Menschen entsprach», sagt Marius Brülhart, der ebenfalls an der Auswertung von «Dein Adieu» beteiligt war.
Durch die Revision fiel der Pflichtteil von Eltern ganz weg, jener von Kindern wurde reduziert. Das wiederum hat je nach Familienkonstellation unterschiedliche Auswirkungen. Unverheiratete ohne Nachkommen können seit der Revision zum Beispiel über ihren gesamten Nachlass frei verfügen.
Freiheiten werden genutzt
Um die Auswirkungen der Erbrechtsrevision zu untersuchen, hat das Team von Marius Brülhart Testamente vor und nach der Revision verglichen. Seit der Revision erhalten insbesondere Lebenspartner mehr Erbe. Weniger erben hingegen Kinder und Eltern, deren Pflichtteile reduziert wurden. Praktisch unverändert blieben die Zuwendungen an Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
«Überrascht hat mich, wie wenig die Leute ihre neuen Freiheiten nutzen, um mehr an wohltätige Organisationen zu vererben», sagt Brülhart. Die Zahlen zeigten: Das Bedürfnis, seinen gesamten Nachlass innerhalb des engsten Familienkreises zu übertragen, scheine weiterhin enorm stark zu sein.
Zur Ausstellung «Hilfe, ich erbe!»
Die Nase vom Vater, den Humor von der Grossmutter, die Traditionen von den Vorfahrinnen und Vorfahren: Wir alle erben. Das Berner Generationenhaus lädt mit der Ausstellung «Hilfe, ich erbe!» dazu ein, die Vielfalt des Erbens zu entdecken, in persönliche Erbgeschichten einzutauchen und sich inspirieren zu lassen für den Umgang mit den eigenen Wurzeln.
Der Beobachter ist Medienpartner von «Hilfe, ich erbe!», bietet in der multimedialen Ausstellung erste Hilfe in Erbschaftsfragen und trägt zum Rahmenprogramm bei
Vom 16. November 2024 bis zum 26. Oktober 2025. Infos zur Ausstellung und zum Rahmenprogramm finden Sie hier.
- Medienanfrage: Marius Brülhart
- Studie: Erbschaftsreport Schweiz 2024
- Statistik: AHV-Statistik