Seit dem 1. Januar 2021 müssen Frankreichs Krankenkassen homöopathische Leistungen und Mittel nicht mehr übernehmen. Die französische Gesundheitsbehörde HAS hatte fast 1200 homöopathische Arzneimittel untersucht und mehr als 1000 wissenschaftliche Publikationen analysiert – und keine ausreichenden Belege für die Wirksamkeit gefunden.

Frankreich steht mit der Kritik an der Alternativmedizin nicht allein da. Auch in Spanien und Australien steht die Homöopathie im Gegenwind. Im Vereinigten Königreich entzog die zuständige Behörde der britischen Homöopathischen Gesellschaft Anfang Jahr schlicht die Zulassung, weil sie die Anforderungen nicht erfülle. Zudem empfahl die britische Regierung angesichts der limitierten Forschungsgelder, keine weiteren Studien zur Wirksamkeit der Heilmethode anzustrengen. Die Frage sei hinreichend geklärt.

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In den USA müssen homöopathische Mittel einen Warnhinweis tragen, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit gebe und dass die versprochene Wirkung auf Theorien aus dem 18. Jahrhundert basierten, die die meisten medizinischen Fachleute nicht anerkennen. Und in Deutschland hat das Oberlandesgericht Frankfurt einer Apothekerin verboten, ein homöopathisches Mittel zu bewerben. Man könne keine Wirkung eines Stoffs bewerben, der gar nicht enthalten sei.

Fünf Millionen Franken für Globuli

In der Schweiz wurden 2020 homöopathische Leistungen für einen tieferen zweistelligen Millionenbetrag über die Krankenkassen abgerechnet. Rund fünf Millionen Franken entfallen auf Globuli, Tinkturen und Ähnliches, der Rest sind Behandlungen. «Allerdings dürfte die Auswertung die Kosten unterschätzen. Denn Ärzte verrechnen im Rahmen von homöopathischen Therapien auch Positionen, die nicht als homöopathische Behandlung erkennbar sind», präzisiert Santésuisse-Sprecher Matthias Müller.

Ein zweistelliger Millionenbetrag? Auch wenn das in Anbetracht der Gesamtkosten aller medizinischen Leistungen von 33 Milliarden Franken wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heissen Stein anmutet – es fliesst viel Geld für eine Behandlungsmethode, der wissenschaftlich bis heute kaum ein Nutzen über eine allfällige Placebowirkung hinaus zugesprochen wird. Das zeigen grosse, unabhängige Metastudien – also Studien zu Studien.

Der Homöopathieverband Schweiz verweist dagegen auf «verschiedene Wirksamkeitsnachweise», insbesondere auf eine vom Homeopathy Research Institute erstellte Untersuchung. Die Metastudie über 22 «geeignete» Studien besagt, dass Homöopathie mehr nützt als Placebos. Allerdings sind die Autoren von nur vier der 22 evaluierten Untersuchungen unabhängig. Acht wurden von Homöopathievertretern erstellt, und bei zehn sind die Interessenbindungen laut Autoren der besagten Metastudie «unklar».

Wer sucht, findet nicht

Die Lehre der Homöopathie stammt aus dem 18. Jahrhundert und fusst darauf, dass krank machende Stoffe ebendiese Krankheit besiegen sollen, wenn sie hoch verdünnt eingenommen werden. Die meisten Präparate sind so stark verdünnt, dass sich kein Wirkstoff mehr in der Lösung findet. Eine gängige homöopathische Hausapotheke enthält Globuli respektive Zuckerkügelchen, die mit einer Lösung in der Verdünnung C30 besprüht wurden. C30 heisst: eins zu 1060. Oder wie es der britische Wissenschaftsautor Ben Goldacre vorrechnet: Ein einziges Molekül einer Substanz befindet sich in einer Wasserkugel mit 150 Millionen Kilometer Durchmesser – die Distanz von der Erde zur Sonne.

Dass Homöopathie trotzdem helfe, erklärt Mediensprecherin Beatrice Soldat vom Homöopathieverband Schweiz so: «Moderne Wissenschaft bedeutet, dass die Beobachtung wichtiger ist als das Messen. Deshalb sollte Wirksamkeit nicht abhängig gemacht werden von Messbarkeit.» Die zahlreichen zufriedenen Patienten seien der Beweis, dass Homöopathie über den Placeboeffekt hinaus wirksam sei.

Das sieht Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, anders. Dort wurde Homöopathie von den universitären Lehrplänen gestrichen, da man sich, so Müller, «klar von unwissenschaftlichen Verfahren und Scharlatanerie distanziere».

«Es ist vernünftig, grundlegende Fakten zu Homöopathie zu unterrichten, allerdings nicht als Bereich der Medizin. Denn das ist sie nicht.»

David Shaw, Institut für Bio- und Medizinethik, Uni Basel

Schweizer Universitäten wollen von einer Abkehr nichts wissen: Die klinischen Angebote würden sich nicht streng an den Vergütungsmodellen, sondern an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren. Daher werde das Angebot in der Homöopathie wie in den anderen Bereichen der Komplementärmedizin Integrative Medizin Wenn Schulmedizin allein nicht ausreicht auch in Zukunft nicht abgebaut, heisst es etwa bei der Medienstelle der Uni Basel.

David Shaw vom Institut für Bio- und Medizinethik an derselben Universität sieht das anders: «Es ist vernünftig, grundlegende Fakten zu Homöopathie zu unterrichten, allerdings nicht als Bereich der Medizin. Denn das ist sie nicht.» Shaw hält es für unethisch, Behandlungen zu verschreiben, die ausser einem allfälligen Placeboeffekt keine Wirkung haben – zumal die Kosten über die Krankenkassen auch auf andere Versicherte überwälzt würden.

Höhere Kosten

Dass Homöopathie in der Schweiz von den Krankenkassen bezahlt wird, geht auf eine Volksinitiative zurück. Die Abstimmungsvorlage wurde 2009 mit grosser Mehrheit gutgeheissen. Eines der Argumente der Befürworter war, dass die Gesundheitskosten in der Tendenz sinken würden. So sagte es etwa 2011 der damalige Ärztepräsident Jacques de Haller im «Tages-Anzeiger». Denn die Komplementärmedizin sei vergleichsweise günstig und helfe mit, teurere Konsultationen zu verhindern.

Diese Hoffnung wurde 2019 von der Schweizer Krankenkassenvereinigung Santésuisse in einer Kostenanalyse widerlegt. Ärztinnen und Ärzte, die auch Homöopathie verschrieben, verursachten demnach 22 Prozent mehr Kosten pro Patient als klassisch praktizierende. Komplementärmedizinische Tarifpositionen würden zusätzlich zu bisherigen schulmedizinischen Leistungen in Rechnung gestellt. Folgerichtig müsste man die Komplementärmedizin aus abrechnungstechnischer Sicht nicht als «alternativ», sondern eher als «additiv» bezeichnen, schrieb Santésuisse damals. Schon gut ein Jahr zuvor hatte eine Studie der Berliner Charité mit 44'000 Patienten einer deutschen Krankenkasse aufgezeigt, dass die Kosten mit einer homöopathischen Behandlung deutlich höher lagen.

«Den einen tut das Lesen gesundheitlich gut, den anderen das Hobbygärtnern. Trotzdem zahlt die Krankenkasse Bücher und Gartenwerkzeuge nicht.»

Rémy Wyssmann, SVP-Kantonsrat

Immer wieder werden daher Stimmen laut, die eine Entfernung der Homöopathie aus der Grundversicherung gutheissen würden. «Bezahlt werden soll nur, was empirisch als wirksam und notwendig belegbar ist. Den einen tut das Lesen gesundheitlich gut, den anderen das Hobbygärtnern. Trotzdem zahlt die Krankenkasse Bücher und Gartenwerkzeuge nicht», sagt zum Beispiel der Solothurner SVP-Kantonsrat Rémy Wyssmann. Ähnlich Marcel Dobler, St. Galler FDP-Nationalrat: «Für die Senkung der Gesundheitskosten ist für mich eine nachgewiesene positive Wirkung zentral. Ich habe Sympathien für eine Streichung.»

Es brauche mutige Politiker, die diese «Irrationalität aus unserer Verfassung streichen wollen», fordert der emeritierte Berner Professor für Immunologie Beda Stadler. Aber der Weg zu einer neuen Abstimmung sei anstrengend und dauere lange.

Nicht die Finger verbrennen

Klar ist: Bislang hat keine Politikerin, kein Politiker einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Angesichts der Tatsache, dass sich 2009 ganze 67 Prozent der Urnengänger für die Homöopathie ausgesprochen haben, wäre es ein Wagnis, das wohl eher Stimmenverluste als den ersehnten Erfolg bringen würde.

Wie bei allen anderen medizinischen Leistungen gibt es auch bei homöopathischen grundsätzlich die Möglichkeit, eine Umstrittenheitsabklärung zu beantragen. Wenn die Leistung als umstritten eingestuft würde, müsste anschliessend eine detaillierte Prüfung erfolgen. Prüfverfahren für einzelne Leistungen, etwa bestimmte Globuli oder Behandlungen gegen ein bestimmtes Leiden, wären zwar möglich, aber viel zu aufwendig.

Und «Homöopathie als Ganzes» kann laut Bundesamt für Gesundheit nicht bestritten werden. Dafür hat der Bundesrat 2017 mit einer Anpassung der entsprechenden Verordnung gesorgt.

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