Wer profitiert vom Pensionskassen-Geldsegen?
Wie sollen Pensionskassen ihre Renditen fair verteilen? Ein neuer Trend sind Beteiligungsmodelle, von denen Aktive wie Pensionierte profitieren.
Veröffentlicht am 21. Februar 2025 - 16:33 Uhr
Welche PK-Rentner bekommen einen Teuerungsausgleich? Beteiligungspläne sollen zu gerechteren Lösungen führen.
2024 lief gut für die Pensionskassen – im Schnitt machten sie eine Rendite von 7,6 Prozent. Deshalb können sie die Guthaben der Versicherten im Mittel mit knapp 4 Prozent verzinsen, schätzt das Beratungsunternehmen Complementa. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den PK riesig, wie ein Beobachter-Artikel zeigt.
Das ist nicht per se ungerecht – die Unterschiede hängen von Faktoren wie der finanziellen Lage der jeweiligen Kasse, ihrer Anlagestrategie oder ihren Verpflichtungen ab. Klar stellt sich aber die Frage nach der Gerechtigkeit innerhalb einer PK: Wie profitieren aktive Versicherte und Pensionierte fair vom Geldsegen?
Grosse Unterschiede zwischen Jahrgängen
Zumal Pensionierte nicht gleich Pensionierte sind. Ein fiktives Beispiel: Anna Zürcher ist 2012 mit einem Umwandlungssatz von 6,8 in Rente gegangen. Das heisst, sie bekommt pro 100’000 Franken Alterskapital 6800 Franken Rente im Jahr. Diese Rente ist lebenslang garantiert. Der gleichfalls fiktive Peter Basler hat dagegen bis 2024 gearbeitet, sein Umwandlungssatz beträgt 4,5. 100’000 Franken Alterskapital ergeben bei ihm nur 4500 Franken Rente – rund ein Drittel weniger als bei Zürcher.
Es gibt weitere Unterschiede. Zürcher hatte im Berufsleben lange von hohen Verzinsungen ihres Altersguthabens profitiert, Baslers PK-Vermögen wuchs dagegen wegen niedriger Zinsen viel langsamer. Dies auch deshalb, weil die hohen Umwandlungssätze von Rentnerinnen wie Anna Zürcher querfinanziert werden müssen – das bedeutet oft weniger Zins für die Aktiven.
Um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Jahrgängen zu schaffen, führen immer mehr Kassen Beteiligungskonzepte mit festen Regeln ein. Das bestätigt Roger Baumann, Partner der St. Galler Beratungsfirma C-alm.
Die Modelle sind nicht alle gleich, aber im Kern funktionieren sie so: Man vergleicht die Leistungsparameter – bei Aktiven die Verzinsung und bei Rentnern den Umwandlungssatz – und berechnet, welcher Jahrgang bisher wie stark profitiert hat. Tendenziell sind die jetzigen Angestellten und die Rentnerinnen mit den tiefsten Umwandlungssätzen zu kurz gekommen. Sie sollen nach diesen Modellen einen Ausgleich erhalten.
Mehr Zins dank Beteiligungskonzepten
Ohne diese Konzepte wären die Zinsen für die Versicherten wahrscheinlich tiefer. Nämlich dann, wenn eine Kasse ihre sogenannte Wertschwankungsreserve – den Notgroschen für schlechte Jahre – noch nicht komplett gefüllt hat.
Dann steht der Stiftungsrat vor der Frage, wie viel Geld er in diese Reserve leitet – und wie viel er für Zinsgutschriften für die Versicherten verwendet. Baumann sagt: «Ohne Beteiligungsmodell ist der Zinsentscheid ad hoc und führt sicher zu einem vorsichtigeren Verhalten.»
«Ein Teuerungsausgleich für alle Rentner wird angesichts der Vergangenheit häufig als zu grosszügig erachtet.»
Roger Baumann, Beratungsfirma C-alm
Beim Entscheid, ob Rentnerinnen und Rentner einen Teuerungsausgleich bekommen oder nicht, wird immer häufiger danach unterschieden, wie stark sie bis anhin vom System profitiert haben. Ohne solche Unterscheidungen falle die Beteiligung der Pensionierten insgesamt eher schlechter aus. «Ein Teuerungsausgleich für alle Rentner wird angesichts der Vergangenheit häufig als zu grosszügig erachtet.»
Das bedeutet: Ohne Beteiligungsmodell gehen dann eben alle Rentnerinnen und Rentner leer aus. Dagegen profitieren mit einem solchen Modell immerhin diejenigen, die bisher im Vergleich zu kurz gekommen sind.
Nicht alle müssen etwas bekommen
Zwar fordert das Gesetz, dass die Altersrenten entsprechend den finanziellen Möglichkeiten der Vorsorgeeinrichtung der Preisentwicklung angepasst werden. Das heisst aber nicht, dass alle Pensionierten etwas bekommen müssen. Gibt es ein Beteiligungskonzept, dann wendet die Pensionskasse dieses an – anstatt die Giesskanne zu nehmen.
Auch Lukas Müller-Brunner, Direktor des Pensionskassenverbands Asip, sieht die Vorteile von Beteiligungsmodellen. Sie seien «Ausdruck einer versicherungstechnischen Solidarität». Sie könnten ausserdem bei schwankenden Anlageergebnissen dazu führen, dass sich die Verzinsungen zwischen den Jahren weniger stark unterscheiden. «Dieser Ausgleich ist für die Akzeptanz der zweiten Säule sinnvoll.»
Warnung vor «Wackelrenten»
Beim gewerkschaftlichen PK-Netz, das Arbeitnehmervertreter in Stiftungsräten berät, hält man dagegen weniger von Beteiligungsmodellen.
«Grosse Schwankungen bergen die Gefahr von stossenden Ungleichbehandlungen.»
Leitfaden PK-Netz
In einem Leitfaden heisst es zu den Zinsen: «Grosse Schwankungen bergen die Gefahr von stossenden Ungleichbehandlungen» – je nachdem, wann jemand in Rente gehe.
Die Gewerkschaftsvertreter plädieren dafür, den Aktiven auch in schlechten Jahren mehr als den Mindestzins gutzuschreiben. Und dafür in guten Jahren weniger extreme Zuschläge zu geben.
Bei Beteiligungsmodellen gibt es vielleicht in einem Jahr Zuschläge für Pensionierte, im nächsten dann aber nicht – abhängig von der jeweiligen finanziellen Lage. Die Gewerkschafter nennen das «Wackelrenten». Allerdings bleibt die garantierte Rente gleich hoch – variabel ist lediglich der Zustupf.
«Damit tragen die Versicherten die Risiken an den Finanzmärkten vermehrt mit», kritisiert das PK-Netz. Es empfiehlt stattdessen dauerhafte allgemeine Rentenerhöhungen als Ausgleich für die Teuerung.
Dem widerspricht Experte Baumann klar. Eine Rentenerhöhung müsse Teil eines Beteiligungsplans sein. Es wäre aus seiner Sicht sehr unfair, wenn Pensionierte, die bereits von einem hohen Umwandlungssatz profitiert haben, auch noch unabhängig von Leistungen für die Aktiven eine Rentenerhöhung erhalten würden.
Zumal die Renten garantiert sind, die Aktiven aber im Fall einer Unterdeckung zur Kasse gebeten werden können. «Die aktiven Versicherten tragen die Risiken, nicht die Rentner.»
- Gespräch mit Roger Baumann, C-alm AG
- Gespräch mit Lukas Müller-Brunner, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip
- Complementa AG: Pensionskassen im Anlagejahr 2024
- BVG, Artikel 36: Anpassung an die Preisentwicklung
- PK-Netz: Leitfaden «Nachholbedarf in Pensionskassen: Finanziellen Spielraum sinnvoll nutzen»