Aargau stoppt Raubzug auf PK-Gelder
Aargauer Gemeinden dürfen nicht mehr auf die Pensionskassengelder von Sozialhilfebeziehenden zurückgreifen. Dafür gesorgt haben ein Bundesgerichtsurteil und die Berichterstattung des Beobachters.
Veröffentlicht am 18. Juli 2022 - 14:01 Uhr
Der Kanton Aargau übernimmt ab 2023 die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos). Was nach einem nüchternen Verwaltungsakt klingt, enthält ein heisses Eisen: Demnach dürfen Gemeinden künftig für die Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen nicht mehr auf angesparte Pensionskassengelder zugreifen.
Einige Aargauer Gemeinden hatten sich kräftig an der Altersvorsorge von Sozialhilfebeziehenden bedient. 2020 machte der Beobachter diese Praxis publik , andere Medien legten nach.
Im Jahr darauf zog die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) einen exemplarischen Fall bis ans Bundesgericht – mit finanzieller Unterstützung der Stiftung SOS Beobachter. Das höchste Gericht billigte Ende 2021 das Vorgehen zwar, pochte aber auf eine wichtige Einschränkung im Betreibungsverfahren: PK-Gelder sind nur beschränkt pfändbar, womit den Rückforderungsgelüsten der Gemeinden in Umfang und Durchsetzung enge Grenzen gesetzt sind.
Indem der Kanton die umstrittene Praxis nun stoppt, zeige der Pilotprozess eine späte Wirkung, sagt UFS-Anwalt Tobias Hobi. Auch die mediale Aufmerksamkeit habe zum «überfälligen Richtungswechsel» beigetragen.
Eine Erfolgsmeldung mit tragischer Note: Ausgerechnet die Frau , deren Fall den Stein ins Rollen brachte, steht weiter unter dem Druck einer Rückforderung über 66'500 Franken aus ihrer Vorsorge. Das Sozialamt ihrer Wohngemeinde hat wiederholte Kompromissvorschläge der heute 64-Jährigen, fünfstellige Summen, in den Wind geschlagen und stattdessen die Betreibung über den vollen Betrag eingeleitet. «Wir bleiben dran», verspricht Anwalt Hobi.
Wer Sozialhilfe beantragt, hat sowohl Rechte als auch Pflichten. Beobachter-Mitglieder erhalten darüber Auskunft, ob Sozialhilfe später zurückerstattet werden muss. Musterbriefe liefern zudem Unterstützung, wenn Beschwerde gegen einen Entscheid eingelegt wird.
1 Kommentar
Bravo Beobachter. Von was sollten denn die Sozialbezüger im Alter leben, wenn ihnen dann die PK-Gelder fehlen? Als 66 Jähriger noch auf das Sozialamt gehen zu müssen dafür fehlt den meisten die Kraft. So verhungern sie in ihren unbeheizten Wohnungen und man findet sie, wenn das Gebäude sanierte wird oder sich die Nachbarn bei der Verwaltung über den Gestank beschweren. YYyyheeii.... was für ein Spaß 😩