19,2 Millionen für Novartis-CEO: «Ärger ist in der Belegschaft spürbar»
Das Topsalär von Vas Narasimhan gibt zu reden. Sind die Abzocker zurück? «Das 190-Fache des Lohns eines normalen Angestellten ist zu viel», finden Kritiker.
Veröffentlicht am 4. Februar 2025 - 17:14 Uhr
Der Lohn eines Produktionsmitarbeiters bei Novartis beträgt laut Schätzungen von Branchenkennern zirka 100’000 Franken pro Jahr. Der CEO verdient dasselbe in zwei Tagen. Die Lohnschere öffnet sich. Und zwar weit.
19,2 Millionen erhält Novartis-Chef Vas Narasimhan im Jahr 2024 für seinen Job. Er ist damit einer der bestverdienenden Manager der Schweiz. Novartis-Präsident Jörg Reinhardt sagte anlässlich der Generalversammlung 2024, das Salär Narasimhans sei «an der Grenze zu dem, was noch als akzeptabel empfunden wird».
Der CEO verdiente damals noch 16,2 Millionen Franken. Drei Millionen weniger als heute.
Entsetzen von Mitte bis links
Narasimhan erklärt sein Salär mit dem Erreichen sämtlicher Ziele. Politikerinnen und Politiker von Mitte bis links reagieren dennoch entsetzt. Es gebe für alles ein Mass, sagte Mitte-Ständerat Pirmin Bischof gegenüber SRF. Und das Mass sei hier überschritten. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer fordert, die Politik müsse endlich Massnahmen ergreifen.
Das hat sie schon einmal getan. Genauer: Das Stimmvolk hat ein Gesetz verabschiedet. Doch die Wirkung der Abzockerinitiative scheint zwölf Jahre nach dem Abstimmungserfolg mit 68 Prozent Ja-Stimmen verpufft. Sind die Abzocker zurück?
«Alles über drei Millionen Gehalt ist nicht zu rechtfertigen.»
Rolf Kurath, Präsident der Aktionärsvertretung Actares
Ja, sagt Rolf Kurath, der Präsident der Aktionärsvertretung Actares. Und rechnet vor: «19,2 Millionen Franken sind 190-mal so viel, wie ein Produktionsmitarbeiter verdient. Das ist doch verrückt!» Kurath und Actares halten einen Lohndeckel von drei Millionen für Konzern-CEOs für angemessen. «Alles darüber ist nicht zu rechtfertigen.»
Vergütungen sind insgesamt gestiegen
Actares ist so etwas wie ein Bündnis der Kleinen. Eine Vertretung von Privatpersonen, die sich «für mehr Konzernverantwortung» einsetzt, aber neben den institutionellen Novartis-Aktionären wie Blackrock oder anderen Big Playern lediglich auf ein Promille der Shareholderstimmen kommt, wie Kurath sagt. Er geht davon aus, dass die Generalversammlung den Lohn Narasimhans auch in diesem Jahr wieder durchwinkt – Abzockerdiskussion hin oder her.
Wie eine Studie von Ethos im vergangenen Jahr zeigte, sind die Fixlöhne der CEOs börsennotierter Unternehmen in der Schweiz zwar gesunken. Die Vergütungen insgesamt, inklusive Pensionskassenbeiträgen, Aktienanteilen und Bonusprogrammen, sind aber gestiegen.
Problem: Orientierung an den USA
Die Initiative gegen die Abzockerei hat das nicht verhindert. «Sie hat zwar Transparenz über die Lohnniveaus der Chefs geschaffen», sagt Rolf Kurath. «Diese Transparenz führt aber dazu, dass der Level permanent nach oben verschoben wird. Wenn man weiss, was der andere verdient, steigen die Ansprüche.»
Gemessen an den Regeln des geltenden Vergütungssystems gebe es an Narasimhans Salär wenig auszusetzen, sagt Kurath. Das Problem ist in Kuraths Augen die Orientierung am amerikanischen Lohnsystem und am wiederkehrenden Argument: Wer Topleute will, muss wettbewerbsfähige Löhne zahlen.
«Es ist schlicht schlechte Firmenführung, wenn die Lohnspanne in einer Aktiengesellschaft so weit auseinandergeht.»
Thomas Minder, alt Ständerat Schaffhausen (parteilos) und Initiator der Abzockerinitiative
«Auch ein CEO ist nur so gut wie die Belegschaft», sagt der Aktionärsvertreter. Und eine Lohnschere wie die bei Novartis verstösst gegen das Prinzip der Lohngerechtigkeit.
Durch die erneute Lohnerhöhung sowie die Anhebung der Dividende auf sechs Prozent werde weiter Geld von den Beschäftigten, die es erarbeiten, an die Eigentümer und Manager umverteilt, sagt Philipp Zimmermann, Mediensprecher der Gewerkschaft Unia. «Der Ärger darüber ist in der Belegschaft spürbar.»
Und was sagt Thomas Minder, alt Ständerat und Vater der Abzockerinitiative, zum erneuten Lohnrekord an der Spitze von Novartis? «Es ist schlicht schlechte Firmenführung, wenn die Lohnspanne in einer Aktiengesellschaft so weit auseinandergeht.» Minder appelliert an die Aktionäre, die Vergütungssumme an der Generalversammlung abzulehnen.
- Novartis: Jahresabschlussbericht 2024
- Ethos-Studie «Generalversammlungen und Nachhaltigkeits-Berichte»
- Homepage Actares
- SRF-Beitrag vom 31. Januar 2025: «Die grosse Empörung»