Brig und seine starken Männer
Die Hauptstadt des Oberwallis macht regelmässig Schlagzeilen. Hier ballen sich Prominenz, Macht und Mythen.
Veröffentlicht am 22. Juni 2023 - 16:07 Uhr
An diesem Sonntagvormittag scheinen in der Herz-Jesu-Kirche in Brig einige der Klischees bestätigt zu werden, die man in der Restschweiz in Bezug auf das Oberwallis hat: Die Kirchenbänke sind voll, rund 400 Personen sind da. Das Vaterunser ertönt in einem stattlichen Chor.
Gegen Ende der Messe reicht Pfarrer Edi Arnold den Kirchenbesucherinnen und -besuchern die Hostie. Der Dorfpfarrer strahlt in diesem Moment die Autorität und Wichtigkeit eines Geistlichen früherer Epochen aus.
Auch der anschliessende Suppen-Zmittag im Untergeschoss der Kirche ist gut besucht. Die meisten Tische sind voll, der Walliser Weisswein fliesst. Mit Pfarrer Arnold am Tisch sitzt eine Schwester aus dem Briger Ursulinenkloster, eine sogenannte Ursuline. «Sie hat in jüngeren Jahren eine wundersame Heilung erfahren», sagt Arnold.
Wie aus einem Gottfried-Keller-Roman
Als wäre das nicht genug, taucht auch noch der Briger Stadtpräsident auf: Mit Hut und Schnauz erinnert Mathias Bellwald an einen Gemeindeoberen aus dem 19. Jahrhundert, er könnte einem Gottfried-Keller-Roman entstammen.
Es ist nicht klar, ob er den auswärtigen Journalisten im Raum zufällig anspricht – oder ob er über dessen Anwesenheit längst im Bilde war und ihn auffällig unauffällig aufsucht.
Das Oberwallis als erzkatholischer Fleck, wo noch Wunder geschehen und nichts den Blicken von Pfarrer und Gemeindepräsident entgeht – es scheint an diesem Sonntag Realität.
Figuren von märchenhafter Gestalt
Doch das Bild ist zumindest zum Teil ein Zerrbild: Die Kirche sei vor allem deshalb derart gut besucht, so erfährt man, weil mit dem Bitscher Chor aus der Gemeinde Bitsch ein in der Gegend populärer Gesangsverein gastiert.
Im Alltag habe die Kirche auch hier an Bedeutung verloren, sagt Pfarrer Edi Arnold. «Der Glaubensabfall ist vielleicht weniger drastisch als anderswo in der Schweiz, man spürt ihn aber auch hier. Die Kirche wandelt sich allmählich von einer Volkskirche zu einer Bekennerkirche», sagt der Pfarrer.
Projektionsfläche für allerlei Fantasien
Er selbst ist in Brig auch nicht jene Autorität, die er an diesem Sonntag zu sein scheint: Seine Vorabendmesse zum abtreibungskritischen «Marsch fer z’Läbu» wurde im letzten Herbst kurzerhand von Aktivistinnen gekapert.
Das Oberwallis – es ist seit je Projektionsfläche für allerlei Fantasien. Genährt werden sie von Figuren von schier märchenhafter Gestalt; Sepp Blatter, Gianni Infantino – und dem Wolf.
Sie alle lassen in den übrigen Landesteilen ein Bild der Region entstehen, das wahlweise von Rückständigkeit erzählt, von Schrulligkeit und Filz. Die Klischees halten sich nicht nur hartnäckig, sie werden auch fleissig weitererzählt, zuletzt in der populären TV-Serie «Tschugger».
Skandale und korrupte Dorfkönige
Allerdings haben sie oft einen wahren Kern. Und manche werden auch von Ortsansässigen bestätigt, ja übertroffen. In seinem vor gut zehn Jahren veröffentlichten Buch «Tal des Schweigens» liefert der Oberwalliser Journalist Kurt Marti ein minutiöses Protokoll über die Funktionsweise des lokalen Filzes in Politik, Verwaltung, Justiz und Regionalmedien.
Marti erzählt von der illegalen Entsorgung von Bauabfällen, der (immer noch nicht fertigen) Skandalautobahn A9 oder vom Gebaren korrupter Dorfkönige. Geschichten, von denen man kaum glauben kann, dass sie sich in der angeblich so rechtschaffenen Schweiz tatsächlich so ereignet haben.
Brig ist als grösste Oberwalliser Gemeinde mit rund 13'000 Einwohnerinnen und Einwohnern nicht nur Ausgangs- und Fluchtpunkt vieler solcher Geschichten. Die Gemeinde, die streng genommen Brig-Glis heisst und aus drei Ortsteilen besteht, ist auch sonst regelmässig in den Schlagzeilen.
Ballungsgebiet der Machtprominenz
Denn trotz ihrer überschaubaren Grösse ballen sich hier Prominenz und Macht: Dank Viola Amherd ist der Ort Bundesrätinnen-Gemeinde. Mit Gianni Infantino stellt Brig den Fifa-Präsidenten und damit den höchsten Mann im Weltfussball – sein Vorgänger Sepp Blatter stammt aus der Nachbargemeinde Visp.
Und ob Bundesversammlung, Bundesgericht, Bundesstrafgericht oder Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft: In den wichtigen Gremien der Bundespolitik und -justiz ist die Kleinstadt besser vertreten als manch grössere Schweizer Ortschaft.
Gerissenheit und Prunksucht
Gemäss Stadtpräsident Mathias Bellwald lautet das Erfolgsrezept «Zusammenhalt und Geschäftigkeit». Man bewege sich damit ganz in der Tradition Kaspar Stockalpers.
Stockalper, das ist jener Briger, der im 17. Jahrhundert während des Dreissigjährigen Kriegs die strategische Bedeutung der Simplonpassroute wie kein Zweiter erkannte. Mit seinem geschickten Taktieren zwischen den Grossmächten wurde er zu einem der mächtigsten und reichsten Männer
des Alpenraums.
Gerissenheit und diplomatische Fähigkeiten, aber auch Hybris und Prunksucht waren Stockalper eigen. Und immer blieb er trotz allem Erfolg ein Stück weit Walliser Lokalpatriot. Wer will, kann Vergleiche zwischen Stockalper und mächtigen Wallisern der Gegenwart – etwa Sepp Blatter oder Gianni Infantino – ziehen.
Unbestritten ist, dass Stockalpers bauliches Erbe bis in die Gegenwart fortwirkt: Sein Schloss, das Stockalperschloss, ist im Alpenraum einzigartig und prägt das Briger Ortsbild bis heute.
Alle Macht in Männerhand
Als Sitz der lokalen Macht beherbergt es die Briger Regierung, die sich aus sieben Stadträten zusammensetzt. Die männliche Schreibweise ist bewusst gewählt: In der städtischen Exekutive sitzen nur Männer.
Gleiches gilt für die Walliser Kantonsregierung, den fünfköpfigen Staatsrat: Auch er ist ein reines Männergremium. Mit Viola Amherd mag aktuell die prominenteste und mächtigste Vertretung Brigs weiblich sein. Doch die Geschichte über Brig – sie ist auch eine Geschichte der starken Männer.
Unweit des Briger Bahnhofs steht eine Wirkungsstätte männlicher Alphatiere. Darauf deuten die Schilder am Eingang, die auf hier ansässige Anwaltsbüros und Notariate hinweisen.
Da ist zum einen der Anwalt Michael Graber. Er ist Briger Stadtrat und SVP-Nationalrat. Erst kürzlich machte er mit seinem Kampf gegen das Klimaschutzgesetz von sich reden.
Dann ist da das Anwaltsbüro von Philipp Matthias Bregy und Beat Rieder. Glaubt man Medienberichten, ist das Büro ein Zentrum der Macht, das auf die ganze Schweiz ausstrahlt. Bregy ist Nationalrat, Rieder Ständerat.
Beide gehören der Partei Die Mitte an.
Die Gelben und die Schwarzen
Wobei das mit dem Parteinamen so eine Sache ist: «Die Mitte» wird im Oberwallis mitunter immer noch «CVP» genannt, ihre Mitglieder sind «Die Schwarzen».
Die Partei war in der Region einst die politische und soziale Instanz schlechthin. Gemeinsam mit ihrer Schwesterpartei, der CSP, auch bekannt als «Die Gelben», regierte sie über Jahrzehnte das Wallis.
Vor rund zehn Jahren setzte der für alle sichtbare Niedergang ein: Die «C-Parteien» verloren im Kantonsparlament ihre absolute Mehrheit. Die CSP droht mittlerweile gar in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere: CVP und CSP gehören im Grossen Rat weiterhin 48 von 130 Sitzen, das macht sie zur grössten Fraktion. Und eben: das Duo Rieder-Bregy.
Der Festbruder und der Stratege
Das Gespann wurde zuletzt in Zeitungs- und Fernsehberichten fast schon mystifiziert. Geschickt würden sich die beiden über die Ratsgrenzen hinweg die Bälle zuspielen und so dafür sorgen, dass das Oberwallis in der nationalen Politik nicht zu kurz komme. Bregy soll dabei die Rolle des geselligen Festbruders zukommen, Rieder jene des kühlen Strategen.
Rieder stammt aus dem Lötschental, rund 45 Autominuten von seinem Arbeitsort Brig entfernt. Ein jüngst in der «Wochenzeitung» erschienenes Porträt über ihn trug den Titel «Der mächtigste Mann des Oberwallis».
Auch in der Region gibt es Stimmen, die in Rieder den einflussreichen Strippenzieher sehen: «Er ist in der Partei derjenige, der die Linie vorgibt, der sagt, was geht – und was nicht», sagt Thomas Burgener, der selbst aus Visp stammt und das Politgeschehen in der Region nach wie vor verfolgt.
Burgener sass einst für die SP in der Walliser Regierung und im Nationalrat. In beiden Gremien folgte er auf einen Briger, der noch bekannter ist als er.
Das «Orakel von Brig»
Peter Bodenmann schätzt die Person Beat Rieder gänzlich anders ein als Burgener und grosse Teile der Schweizer Medienwelt. Er empfängt in der Lobby seines Hotels Good Night Inn im Briger Zentrum.
Mit seinen langen weissen Haaren und einem mittlerweile stattlichen Bart wird er seinem Spitznamen «Orakel von Brig» auch äusserlich gerecht; Bodenmann war Mitgründer der linken Bewegung Kritisches Oberwallis, die später mit der lokalen SP fusionierte.
Für die Oberwalliser Linken schlug der Hotelier einst eine Bresche in die Machtfestung der C-Parteien. 1997 wurde er als erster Sozialdemokrat in die Walliser Regierung gewählt. Als Nationalrat war Bodenmann in den 1990er-Jahren regelmässiger und scharfzüngiger Gast in der «Arena» des Schweizer Fernsehens.
«Ein Scheinriese», schimpft der Altlinke
Austeilen kann er immer noch: «Beat Rieder ist ein Scheinriese», sagt Bodenmann über den medial derzeit wohl meistbeachteten Oberwalliser. Der Grimseltunnel zum Beispiel, ein Prestigeprojekt Rieders, liege «flach» und sei auch gar kein Bedürfnis des regionalen Tourismus.
Der sogenannte Magic Pass hingegen, ein Freizeitpass für Sommer- und Skigebiete, habe sich Rieders Widerstand zum Trotz etabliert. Und auch fernab der Touristik gelinge es dem Mitte-Politiker längst nicht immer, seine Interessen durchzusetzen, nicht einmal in der eigenen Partei.
Die Kandidatur Viola Amherds für den Bundesrat habe Rieder 2018 nicht unterstützt. Amherd sei ihm zu progressiv. Durchgesetzt habe er sich mit seiner verdeckten Opposition aber nicht.
Auswärtige auf «Zoobesuch»
Bodenmann hat diese Sicht schon vor Jahren in verschiedenen Medien kundgetan – nicht als Einziger. Rieder hat die Darstellung stets bestritten und sich öffentlich als Unterstützer von Amherd positioniert.
In der Person Beat Rieder sieht Bodenmann eine jener Projektionsflächen, deren sich Medienschaffende aus der Restschweiz nur allzu gern bedienten. Diese kämen ihm mitunter vor, als wären sie auf einem «Zoobesuch», wenn sie sich mit dem Oberwallis befassten. «Von den wirklich relevanten Entwicklungen in der Region haben die meisten keine Ahnung.»
Der «Bote» und die «Anneliese»
Wirklich relevant – das ist für Bodenmann zum Beispiel die Entwicklung des «Walliser Boten». «Der war früher ein Herrschaftsinstrument», sagt er. Tatsächlich spielt die Tageszeitung auch im Buch «Tal des Schweigens» von Kurt Marti eine höchst zweifelhafte Rolle als beflissene Erfüllungsgehilfin der Mächtigen.
Es war unter anderem Peter Bodenmann selbst, der mit der «Roten Anneliese» in den frühen 1970er-Jahren in Brig ein linkes Oppositionsblatt für das Oberwallis aus der Taufe hob. Dieses deckte zahlreiche Skandale auf. Auch Kurt Marti arbeitete einst für die «Anneliese», die es immer noch gibt.
Ob es sie noch braucht, ist indes fraglicher als auch schon: Denn der «Walliser Bote» habe sich mit der Übernahme durch den Verleger Fredy Bayard vor rund fünf Jahren fundamental gewandelt.
«Er greift immer wieder Themen auf, von denen er früher die Finger gelassen hat. Und er hat sich geöffnet», sagt Bodenmann, der selbst regelmässig im «Walliser Boten» Kolumnen schreibt, jeweils gleichzeitig und zum selben Thema wie der ehemalige Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger.
Bodenmann betont, dass seine Beiträge meist wesentlich mehr Likes erhalten würden.
Und dann ist da noch die Lonza
Die eigentliche Schlüsselentwicklung in der Region ist für Bodenmann aber jene des Pharmakonzerns Lonza in Visp. Dieser hat 2000 neue Stellen zwischen 2020 und 2022 geschaffen. Bodenmann spricht von 5500 Personen, die aufgrund des Lonza-Wachstums in den letzten fünf Jahren ins Oberwallis mit seinen rund 80'000 Einwohnerinnen und Einwohnern strömten.
Die Auswirkungen dieser Zuwanderung hochqualifizierter Personen auf den Wohnungsmarkt, den Verkehr und die soziale Struktur seien weitreichend. «Das Oberwallis ist in einem gigantischen Wandel, den man in der Restschweiz kaum wahrnimmt.»
So ganz stimmt das allerdings nicht: Über die «Turbo Town» Visp, das Lonza-Wachstum und die Folgen für das Oberwallis berichteten in den letzten Jahren zahlreiche Medien, auch der Beobachter .
Und nun zum Wichtigen: Fussball
Denkbar ist jedoch, dass ein anderes Thema mehr Interesse weckt. Ein Thema, das zu Projektionen eher einlädt – Mafiafantasien inklusive – als das Wachstum eines Konzerns und dessen Folgen: der Fussball.
Ein Samstagabend Ende März. Das Wetter ist garstig, auf den Bergen, die den Sportplatz Geschina einrahmen, liegt noch Schnee. Der Rasen gleicht einem Acker, und die dargebotene Fussballkost ist auch deshalb eher rustikal.
Es spielt die erste Mannschaft des FC Brig gegen den FC Saxon Sports aus dem Unterwallis in der zweiten Liga. Die rund 200 Zuschauenden sitzen etwas erhöht auf einer Steintribüne, auf den roten Plastikstühlen prangt der Schriftzug einer Glacemarke.
Das Heimteam gerät durch einen abgefälschten Schuss früh in Rückstand und versiebt danach mehrere Chancen. «Nit zum Züelüege», grummelt ein Zuschauer. Es ist Regionalfussball , wie man ihn überall in der Schweiz zu sehen bekommt. Und doch ist der FC Brig kein Regionalfussballverein wie jeder andere.
Der Staatsanwalt und der Fifa-Präsident
Das hat mit zwei weiteren schlagzeilenträchtigen Männern zu tun: mit dem Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, der hier einst selbst Fussball spielte, ehe er zu seiner internationalen Funktionärskarriere ansetzte.
Und mit Rinaldo Arnold. Er ist der aktuelle Präsident des FC Brig, dem mit 500 Mitgliedern grössten Verein im Ort. Arnold ist aber auch Walliser Oberstaatsanwalt, mit Infantino ist er seit seiner Jugend freundschaftlich verbunden.
Es ist eine Nähe, die den Strafverfolger Arnold selbst in ein schiefes Licht rückte: Er soll an verfänglichen Treffen mit dem früheren Bundesanwalt Michael Lauber teilgenommen haben, bei denen es um Infantino und die Fifa gegangen sei.
Es ist die Affäre Infantino, über die Bundesanwalt Lauber letztlich stolperte. Im Zusammenhang mit den ominösen Meetings läuft auf Bundesebene auch ein Strafverfahren gegen Arnold.
Arnold ist CVP-Mitglied. Er und Infantino sind nicht die einzigen Oberwalliser im Dunstkreis der Bundesstrafjustiz.
Die Walliser Lobby der Justiz
Unter anderem gibt es da noch den Briger Oberrichter Lionel Seeberger (ebenfalls CVP-Mitglied), der im letzten Sommer von der Bundesversammlung in die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft gewählt wurde. Das ist jene Behörde, die der Bundesanwaltschaft auf die Finger schaut und für bestimmte Fälle Sonderermittler einsetzt; so auch im Fall Arnold-Infantino.
Man kann also sagen, dass mit Seeberger ein Mann aus dem Oberwallis quasi über den Ermittlungen gegen zwei weitere Männer aus dem Oberwallis (Arnold und Infantino) schwebt.
Entsprechend wurde Seebergers Wahl von Misstönen begleitet, auch weil sie überraschend und in einer unüblichen Kampfwahl erfolgte. Verantwortlich für den Coup soll ein altbekannter Oberwalliser mit CVP-Parteibuch sein: Beat Rieder, der der Gerichtskommission angehört.
Gegenüber dem Justizmagazin «Plädoyer» bestritt Rieder, dass er die Sache eingefädelt habe. Seine Basler Nationalratskollegin Sibel Arslan sprach nach der Wahl von Seeberger dennoch von einem «Sieg der Walliser Lobby». Und Strafrechtsexperten übten Kritik.
Ton und Zunge werden lockerer
In der Kantine beim Sportplatz Geschina scheinen derartige Ränkespiele erst mal weit weg. Rinaldo Arnold hebt ein Glas Weisswein: «Santé!» Jeder, der den Raum betritt, begrüsst ihn mit Handschlag.
Über seinen Jugendfreund Infantino und den ganzen Fifa-Komplex werde er nicht sprechen, stellt Arnold vor dem Gespräch unmissverständlich klar. Stattdessen geht es um den FC Brig, das historische Städtchen, das Stockalperschloss – und den Wolf.
Doch mit fortschreitender Dauer werden Ton und Zunge lockerer: Als es um Viola Amherd geht, weist Arnold auf ein Haus in der Ferne. Dort wohne «die Viola». Er kennt sie persönlich. Und, ja, auch den Rieder kennt er gut.
Er nennt ihn «dr Lionel»
Und irgendwann im Gespräch fällt auch der Name jenes Mannes, der womöglich auch mit seinem eigenen Straffall zu tun haben könnte: Lionel Seeberger, der Richter und Bundesanwalt-Beaufsichtiger. Oder, wie Arnold ihn nennt, «dr Lionel».
Damit hat der Staatsanwalt – beruflich immerhin auf Verhörsituationen spezialisiert – im lockeren Gespräch mit einem Journalisten nach wenigen Minuten bereits seine selbstgesetzten Grenzen zumindest geritzt – und bringt mit dem kameradschaftlichen «dr Lionel» eine mögliche, nicht ganz unproblematische Nähe zu lokalen CVP-Grössen ins Spiel.
Entweder ist das dieses besondere Oberwalliser Selbstverständnis, das für Aussenstehende schnell etwas anrüchig wirken kann.
Oder es ist alles gar nicht so aufregend. Man kennt sich halt einfach, hier im engen Oberwallis. Und auch die Vorstellung eines Briger CVP-Filzes, der selbst die Bundesstrafjustiz unterwandert, könnte bloss so ein Walliser-Klischee sein, das in den Köpfen von Unterländern herumspukt.