Darum streitet die Schweiz mit der EU
Muss die Schweiz bald EU-Recht automatisch übernehmen? Das soll in einem Rahmenabkommen geregelt werden. Was bedeutet das?
Veröffentlicht am 6. September 2018 - 16:40 Uhr,
aktualisiert am 6. September 2018 - 16:37 Uhr
Stellen Sie sich eine Bergtour vor. Um sicherer durch das steile Gelände zu kommen , beschliessen einige Wanderer, sich zusammenzutun. Herr Schweizer, der auch findet, dass man besser gemeinsam läuft, schliesst sich an, stellt aber Bedingungen. So möchte er bei jeder Weggabelung mit seiner Frau telefonieren und sich mit ihr beraten. Dabei besteht jeweils das Risiko, den Anschluss zu verlieren. Lange Zeit duldete man das. Bis man ihn vor die Wahl stellt: entweder trägt er die Entscheidungen der Gruppe automatisch mit oder er ist raus.
So ungefähr kann man sich momentan die Beziehungen der Schweiz zur EU und die Diskussion über das sogenannte institutionelle Rahmenabkommen vorstellen. Die Schweiz will durchaus dabei sein im europäischen Binnenmarkt, möchte aber nicht jede Entscheidung automatisch mittragen. Auch hier hat die EU diese Sonderstellung der Schweiz lange Zeit geduldet und in Kauf genommen, dass neue Marktzugangsabkommen in Europa von der Schweiz nur langsam oder auch gar nicht umgesetzt wurden. Bis die Stimmung innerhalb der EU kippte und man nicht mehr akzeptierten wollte, neue Marktzugangsabkommen separat mit der Schweiz über neue bilaterale Verträge zu verhandeln. Hier kommt das institutionelle Rahmenabkommen ins Spiel.
Es soll die wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz mit der EU regeln – eben einen Rahmen geben. Statt ständiger neuer Verhandlungen möchte die EU, dass die Schweiz EU-Recht automatisch übernimmt. Die EU passt laufend ihre Markt-Regeln an, also die Bedingungen, zu denen Waren gehandelt oder Dienstleistungen erbracht werden können. Bisher muss sich die Schweiz jeder neuen EU-Markt-Regel selbstständig anpassen. Dafür muss das Parlament einwilligen und gegebenenfalls auch das Stimmvolk befragt werden. Das kostet Zeit und dauert der EU zu lange. Deswegen will sie, dass neue EU-Markt-Regeln von der Schweiz automatisch übernommen werden. Die Möglichkeit eines Referendums soll aber beibehalten werden.
Der zweite Knackpunkt ist die Frage, wie mit Auslegungsstreitigkeiten umgegangen werden soll. Entscheidet bei unterschiedlicher Auslegung von Gesetzen der Europäische Gerichtshof in Luxemburg – wohlgemerkt ein EU-Gremium? Oder wird ein unabhängiges Schiedsgericht einberufen, dessen Mitglieder von beiden Parteien gleichermassen bestimmt werden? Momentan kristallisiert sich das als wahrscheinlichste Lösung heraus.
Die Schweiz ist wirtschaftlich eng mit der EU verflochten. Rund 54 Prozent aller Schweizer Exporte gehen in die EU. Knapp 72 Prozent aller Schweizer Importe stammen wiederum aus dem EU-Raum. Ein barrierefreier Zugang zum europäischen Binnenmarkt ist daher enorm wichtig für die Schweizer Wirtschaft. Und weil für die EU das Rahmenabkommen Voraussetzung für neue Marktabkommen ist, sind der Bundesrat und die Mehrheit der Parteien für ein solches Abkommen.
Neben der Gefahr, die gesamten bilateralen Verträge aufs Spiel zu setzen, wird die Schweiz mindestens damit leben müssen, von neuen EU-weiten Marktregeln nicht profitieren zu können. Beispiel Roaming-Abkommen: Seit 2017 dürfen Mobilfunk-Anbieter aus der EU innerhalb des EU-Raums keine Roaming-Gebühren mehr erheben. Dieser Vorteil gilt nicht für Schweizer Handynutzer, weil dafür ein neues Abkommen nötig wäre. Dieses gibt es für die Schweiz aber erst mit einem Rahmenabkommen.
Aber auch alle anderen neuen Marktabkommen, wie ein Stromabkommen, das die Schweiz unbedingt mit der EU abschliessen will, müssen warten, solange das institutionelle Rahmenabkommen nicht zustande kommt.
Die SVP lehnt das Rahmenabkommen grundsätzlich ab. Für sie gibt die Schweiz damit ihre Souveränität als «Gesetzgeberin im eigenen Land» auf. Von links kommt Kritik von den Gewerkschaften und der SP, die ein Abkommen zwar grundsätzlich befürworten, aber unbedingt eine Aufweichung der sogenannten Flankierenden Massnahmen (Schutz vor Lohndumping ) verhindern wollen. Dies erweist sich derzeit als besonders harte Knacknuss. Die EU stört sich schon länger an den Lohnschutzmassnahmen der Schweiz, für die politische Linke sind diese hingegen praktisch nicht verhandelbar. Problem dabei: Da die SVP strikt gegen das Abkommen mit der EU ist, braucht es im Parlament zwingend die Stimmen der SP, damit das Parlament das Rahmenabkommen absegnen kann.
1 Kommentar
Volksinitiative gegen dynamische EU-Rechtsübernahme: NEIN zur geplanten EU-Unterwerfung!
Wir wollen nicht, dass die EU
• der Schweiz ihre Gesetze und Regulierungen diktiert und kontrolliert.
• bei Streitigkeiten der EU-Gerichtshof einseitig und abschliessend entscheidet.
• der Schweiz bei Nichtbefolgung willkürlich Strafen auferlegt.
• die Schweiz der EU dauernd und regelmässig Milliardenzahlungen abliefert.
Das hiesse für die Schweiz: GEHORCHEN, BEZAHLEN UND SCHWEIGEN.