Paula Ammann, 98

Paula Ammann lebt im Alters- und Pflegeheim Biberzelten in Lachen SZ. Früher war sie Hausfrau.

«Blumen erinnern mich an die früheren Tage.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Die Rentnerin lebt im Alters- und Pflegeheim Biberzelten in Lachen SZ. Früher war sie Hausfrau.

Paula Ammann, was ist Ihre schönste Erinnerung?
Meine Hochzeit. Der Tag war wunderschön und voll von tollen Momenten.


Welches Talent hätten Sie gern?
Ich hätte gern in der Dienstleistung gearbeitet. Leider durfte ich keinen Beruf erlernen und war nur als Hausfrau tätig.


Wem würden Sie ein Denkmal setzen?
Meinem verstorbenen Sohn. Wir hatten immer ein super Verhältnis.


Welcher Gegenstand bedeutet Ihnen am meisten?
Blumen, denn sie erinnern mich an die früheren Tage. Ich schaue, dass ich immer welche im Zimmer habe.


Woran glauben Sie?
Ich bin katholisch und glaube an den lieben Gott.


Was erfüllt Sie mit Hoffnung?
Der Zusammenhalt der Menschen gibt mir Hoffnung für die Zukunft. Wie sie sich helfen und Gutes füreinander tun.


Was ist Ihr grösster Wunsch?
Ich würde gern einschlafen und sterben. Ohne Schmerzen – einfach nicht mehr aufwachen.


Was ist das Dümmste, das Sie je getan haben?
Auch wenn der Hochzeitstag meine schönste Erinnerung ist, wäre ich lieber ledig geblieben. Die Verantwortung in einer Ehe ist gross und ich bin eher eine Einzelgängerin.

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Claudia Keel-Graf, 38

Die Leiterin der Brauerei Sonnenbräu im Rheintal ist die erste Frau in dieser Position im 1891 gegründeten Familienbetrieb. Keel-Graf lebt mit ihrer Familie in Rebstein SG.

«Ich würde mir ein feines Bier gönnen. Da ich gerade mein zweites Kind erwarte, verzichte ich darauf.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Die Leiterin der Brauerei Sonnenbräu im Rheintal ist die erste Frau in dieser Position im 1891 gegründeten Familienbetrieb. Keel-Graf lebt mit ihrer Familie in Rebstein SG.

Claudia Keel-Graf, was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Ich würde mir ein feines Bier gönnen. Da ich gerade mein zweites Kind erwarte, verzichte ich auf jeglichen Alkohol. Ich kann nicht behaupten, dass ich es nicht vermisse.


Welches Talent hätten Sie gern?
Ich wäre gern sprachbegabter.


Welcher Gegenstand bedeutet Ihnen am meisten?
Eine Brosche mit dem Abbild des Gründers der Sonnenbräu.


Was war früher besser?
Unbeschwerte Jugendjahre ohne Handykamera.


Woran glauben Sie?
Ich glaube, dass man für schlechtes Verhalten irgendwann die Quittung erhält.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Das Kennenlernen meiner ersten Tochter nach der Geburt.


Wie viel Heimat brauchen Sie?
Ich verreise sehr gern und lerne fremde Länder und Kulturen kennen. Trotzdem komme ich immer wieder gern nach Hause. Meine Heimat bedeutet mir sehr viel. Ich könnte ihr nie den Rücken kehren.


Was ist das Dümmste, das Sie je getan haben?
Als Kind bin ich mit dem Velo ungebremst in eine viel befahrene Strasse gefahren. Diese kindliche Unbeschwertheit ist wohl Fluch und Segen zugleich.

Serge Reverdin aka Parzival, 81

Der Künstler und Friedensaktivist setzt sich für Abrüstung und die Umwelt ein. Er lebt im bernischen Sonceboz, trägt nur grüne Kleidung und unterrichtet Esperanto, die am weitesten verbreitete Kunstsprache.

«Ich brauche den Planeten und die Sonne als Heimat – und glaube an Gott in mir.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Der Künstler und Friedensaktivist setzt sich für Abrüstung und die Umwelt ein. Er lebt im bernischen Sonceboz, trägt nur grüne Kleidung und unterrichtet Esperanto, die am weitesten verbreitete Kunstsprache.

Parzival, was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Mi meditus kaj farus nenion – meditieren und nichts tun. [Anm. d. Red.: Parzival reichte seine Antworten auf Esperanto ein. Wir haben sie übersetzt.]


Wem würden Sie ein Denkmal errichten?
Dem amerikanischen Friedensaktivisten Garry Davis und der polnischen Schriftstellerin Lidia Zamenhof.


Was war früher besser?
Die gemeinsame Sprache der Menschheit.


Woran glauben Sie?
An Gott in mir!


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Als ich meinem Leutnant in der Schweizer Armee folgende Frage stellte: «Haben Sie von der Weltklimaorganisation eine Erlaubnis oder einen Befehl, dass ich in Schweizer Uniform ein Fahrzeug fahren darf, das von einer ausländischen Firma hergestellt wird?»


Was erfüllt Sie mit Hoffnung?
Esperanto zu unterrichten.


Wie viel Heimat brauchen Sie?
Den Planeten und die Sonne.


Was ist das Dümmste, das Sie je getan haben?
Ich habe zwei schlecht parkierte Diplomatenautos mit den Füssen getreten. Als die Polizisten nach meinem Ausweis fragten, antwortete ich, dass ich ein Gott bin und das Klima auf der Erde stabilisieren möchte.

Esperanto ist eine Kunstsprache, die Schätzungen zufolge bis zu zwei Millionen Menschen sprechen. Entwickelt wurde sie vom jüdischen Augenarzt Ludwik Lejzer Zamenhof. In seiner polnischen Heimat, die damals zum mehrsprachigen russischen Zarenreich gehörte, gab es wüste Auseinandersetzungen. Zamenhof erklärte sie unter anderem mit dem Fehlen einer gemeinsamen Sprache. Sein Esperanto sollte eine Weltsprache werden. Das klappte zwar nicht ganz, trotzdem ist Esperanto noch weit verbreitet, etwa in Ungarn oder China.

Nathalie Juon, 38

Die Coiffeuse arbeitete zehn Jahre lang bei Star-Coiffeur Valentino in Zürich. Seit 2017 ist sie selbständig in Rhäzüns GR, wo sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern lebt.

«Ich bin keine Materialistin. Mein Mann und meine Kinder bedeuten mir alles.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Die Coiffeuse arbeitete zehn Jahre bei Star-Coiffeur Valentino in Zürich. Seit 2017 ist sie selbstständig in Rhäzüns GR, wo sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern lebt.

Nathalie Juon, worauf sind Sie stolz? 
Ich bin stolz auf mich. Ich habe durch Umstände, die ich zum Teil nicht beeinflussen konnte, sehr früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen und mich durchzukämpfen. Es war nicht immer leicht, aber das machte mich stärker.


Welches Talent hätten Sie gerne?
Ich habe mein Talent schon gefunden und durfte es als Coiffeuse zum Beruf machen.


Welcher Gegenstand in Ihrem Besitz bedeutet Ihnen am meisten?
Ich bin keine Materialistin. Mein Mann und meine Kinder bedeuten mir alles. 


Woran glauben Sie?
An Schutzengel, die uns durchs Leben begleiten.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Als meine Kinder auf die Welt kamen.


Was ist Ihr grösster Wunsch?
Dass meine Kinder eine friedliche Kindheit in der Schweiz erleben dürfen.


Wie viel Heimat brauchen Sie? 
Heimat ist mir extrem wichtig! Denn Heimat sind für mich Wurzeln, Erinnerungen, Erfahrungen und Traditionen.


Was ist das Dümmste, das Sie je getan haben? 
Ich glaube nicht, dass es das gibt. Klar bereut man einiges, das man gemacht oder gesagt hat. Aber daraus kann man seine Lehren ziehen.

Till Zurbuchen, 22

Der Fachmann Betreuung in einem Kinderhort ist in seiner Freizeit gern unter Menschen oder in der Natur. Er wohnt in einer WG in Winterthur.

«Am schönsten in Erinnerung geblieben sind mir all meine ersten Male.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Der Fachmann Betreuung in einem Kinderhort ist in seiner Freizeit gern unter Menschen oder in der Natur. Er wohnt in einer WG in Winterthur.

Till Zurbuchen, was ist das Dümmste, das Sie je getan haben?
Etwas vom Dümmsten war sicher, als ich mit meinem besten Freund völlig betrunken ein kleines Plastikboot am Lago Maggiore geklaut habe und wir damit im Winter auf den See gepaddelt sind. Ich bin froh, dass wir dabei nicht draufgegangen sind.


Was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Mit dem Snowboard eine Route fahren, die eigentlich nicht machbar ist, mal mit dem Auto mit 300 Stundenkilometern über die Autobahn brettern oder auf einem Kran ganz auf der Spitze stehen.


Welcher Gegenstand in Ihrem Besitz bedeutet Ihnen am meisten?
Es gibt viele Dinge, an die ich starke Emotionen knüpfe und die ich ungern verlieren würde. Wenn ich etwas aussuchen müsste, wären es mein Auto und das Dachzelt. Wegen der unvergesslichen Erlebnisse, Reisen und Ausflüge, die ich damit gemacht habe.


Was erfüllt Sie mit Hoffnung?
Wenn ich Leute sehe, die für sich oder für andere einstehen. Wenn weniger Menschen an Armut leiden. Wenn jemand über sich selbst reflektiert, oder wenn ein Kind eine naive Frage stellt.


Wie viel Heimat brauchen Sie?
Ich gehe gern in die Fremde und suche diese Distanz immer wieder. Ich könnte mir allerdings nicht vorstellen, die Heimat jemals ganz zu verlassen. Dafür bin ich zu sehr verwurzelt.


Woran glauben Sie?
Ich bin zwar nicht religiös, glaube aber an viele Dinge. Am meisten spüre ich diesen Glauben bei mir selbst und dem Wunder meiner Existenz. Dieses Ich-Bewusstsein, so bin ich überzeugt, wird für den rationalen Verstand nie erfassbar sein. Auch wenn ich lange in den Sternenhimmel schaue, überkommt mich dieses Gefühl des Glaubens und des blinden Vertrauens in alles.


Was ist Ihr grösster Wunsch?
Ich bin sehr dankbar für alles, was ich habe, und nehme es nie für selbstverständlich. Mein grösster Wunsch wäre, dass alle Menschen der Welt weder Krieg noch Hunger erleiden müssten und in Wohlstand leben könnten.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Am schönsten in Erinnerung geblieben sind mir all meine ersten Male. Das erste Mal allein in den Kindergarten laufen, eine ganze Nacht aufbleiben, das erste Mal skaten, rauchen, das erste Mal Sex und die erste eigene Wohnung.

Boris Previšić, 51

Der Professor für Literatur­ und Kulturwissenschaften an der Universität Luzern ist Gründungsdirektor des Urner Instituts Kulturen der Alpen mit Sitz in Altdorf UR.

«Ich bin stolz auf eine neue Generation, die die grossen Probleme der Gegenwart viel konstruktiver und entspannter angeht!»

Quelle: Joseph Khakshouri

Der Professor für Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Luzern ist Gründungsdirektor des Urner Instituts Kulturen der Alpen mit Sitz in Altdorf UR.

Boris Previšić, was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Ich würde sämtliche fossilen Förderanlagen – von der Kohle über das Erdgas bis zum Erdöl – weltweit zerstören lassen. Damit könnten wir einen definitiven Schlussstrich unter das fossile Zeitalter ziehen, das viel Leid verursacht hat und noch viel mehr Leid verursachen wird.


Worauf sind Sie stolz?
Ich bin stolz auf eine neue Generation, die das Heft in die Hand nimmt und die grossen Probleme der Gegenwart viel konstruktiver und entspannter angeht als meine Generation. Dazu zähle ich insbesondere die Klimaerwärmung und den Raubbau an der Natur.


Welches Talent hätten Sie gern?
Meine schönsten Träume drehen sich immer um dasselbe: mühelos mit meinen Armen fliegen zu können, als wäre ich ein Vogel. Das müsste ein Talent sein, das man erlernen kann. Schliesslich fällt kein Meister vom Himmel.


Welcher Gegenstand in Ihrem Besitz bedeutet Ihnen am meisten?
Als ich klein war, brannte unser Bauernhof. Nachdem wir alle Tiere evakuiert hatten, rettete ich nur eine Sache aus dem in Flammen stehenden Wohnhaus: die gemietete Querflöte, damit ich wie jeden Abend weiter üben konnte. Schon als Bub habe ich gelernt, dass Besitz nur Ballast bedeutet.


Woran glauben Sie?
Ich glaube daran, dass der Mensch Wissen schafft, das er zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen weiss, bevor alles zu spät ist. Wir wissen, was zu tun ist. Nur brauchen wir einen radikalen Bruch mit bisherigen Ess-, Wohn- und Mobilitätsgewohnheiten. Und diesen Bruch werden wir schaffen. Daran glaube ich ganz fest.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Das frühmorgendliche Erwachen im Spätherbst oder Frühwinter, während alles unter einer dicken Schneedecke liegt. Alles ist gedämpft, ruhig, sanft und weich.


Wem würden Sie ein Denkmal errichten?
Ist ein Denkmal wirklich noch eine zeitgemässe Form von Erinnerung? Mein Denkmal müsste als Stolperstein überall stehen und wäre all denen gewidmet, die auf dieser Erde leben, ohne sie zu zerstören. Das sind vor allem Menschen, die in den ärmsten Ländern leben.


Wie viel Heimat brauchen Sie?
Ich – wie jedes Lebewesen – brauche nur unseren Planeten Erde. Das ist meine Heimat, die ich gern mit allen teile, die mein eigenes Leben auch schützen.

Maria Suyana Datzko, 15

Die Gymi-Schülerin will später wahrscheinlich Philosophie studieren. Sie lebt mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in Hölstein BL.

«Mein grösster Wunsch ist es, einmal eine Geschichte zu schreiben.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Die Gymi-Schülerin will später wahrscheinlich Philosophie studieren. Sie lebt mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder in Hölstein BL.

Maria Suyana Datzko, was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Neben der grossen Wahrscheinlichkeit, dass ich gar nichts Falsches machen würde, weil ich mich zu schuldig fühlte, könnte ich mir vorstellen, Dinge zu stehlen. Ich würde mir die Bücher, die mir gefallen, bestellen und die Rechnung nie bezahlen. Im Supermarkt würde ich Cookies nehmen und einfach rauslaufen.


Wem würden Sie ein Denkmal errichten?
Ich würde das Denkmal einer Person widmen, von der ich finde, sie habe einen der härtesten Jobs der Welt und bekommt nicht genügend Anerkennung dafür. Zum Beispiel einer Pflegekraft, die sich um uns kümmert, wenn wir alt sind. Oder einer Reinigungskraft, die dafür sorgt, dass unser Arbeitsplatz sauber ist.


Welches Talent hätten Sie gern?
Ich hätte gern das Talent, alle meine Ideen kohärent herunterschreiben zu können. Eines meiner grossen Probleme ist, dass ich mich nicht richtig ausdrücken kann – oder besser gesagt: Es kommt nicht einfach.


Welcher Gegenstand in Ihrem Besitz bedeutet Ihnen am meisten?
Meine Bücher. Im Moment sind mir vermutlich die Bücher zweier Buchserien von der gleichen Autorin – Mo Xiang Tong Xiu – am wichtigsten. Weil sie nicht nur eine gute Lektüre sind, sondern auch mit schönen Bildern illustriert wurden.


Was war früher besser?
Ich glaube, dass wir Teenies früher nicht so viel Zeit auf Social Media verschwendeten. Früher verbrachten Jugendliche mehr Zeit miteinander. Ich sehe das an mir selbst: Ich gehe kaum mit Freunden raus, um abzuhängen.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
All die kleinen Momente, in denen ich realisierte, dass ich jetzt anfangen kann, mein Leben zu geniessen. In denen ich nicht mehr unsicher war, ob etwas gut genug für meinen Vater ist. Zum Beispiel, dass ich selber entscheiden kann, was ich studieren will. Oder dass ich meine Musik so laut wie möglich hören kann – auch wenn das nicht immer allen gefällt. Auch als ich realisierte, dass meine Mutter glücklicher ist als je zuvor.


Was ist Ihr grösster Wunsch?
Dass ich einmal eine komplette Geschichte schreiben kann. Ich schreibe, seit ich klein war, doch nie habe ich ein grösseres Projekt beendet. Nicht einmal die eine Geschichte, die jetzt schon seit zwei oder drei Jahren in meinem Kopf rumgeistert. Deshalb möchte ich eines Tages aufwachen und realisieren, dass ich – weiss nicht – hunderttausend Wörter geschrieben habe.


Was ist das Dümmste, das Sie je getan haben?
Ich sage nie Nein und versuche, alle Personen in meinem Umfeld glücklich zu machen. Dies führt dazu, dass ich all meine Wut in mir drin verstecke und sie nie herausplatzt. Die meisten Personen bekommen nicht mit, dass ich unzufrieden bin. Meine Freunde und meine Familie aber umso mehr.

Sigmond Richli, 36

Sigmond Richli ist in Uri aufgewachsen und doktoriert in Philosophie. Zurzeit pendelt er zwischen Zürich und der Schreibstube im Wallis und engagiert sich für Transgender Network Switzerland.

«Zu Hause fühle ich mich da, wo ich sicher, wohl und geborgen bin.»

Quelle: Joseph Khakshouri

Sigmond Richli ist in Uri aufgewachsen und doktoriert in Philosophie. Zurzeit pendelt Sigmond zwischen Zürich und der Schreibstube im Wallis und engagiert sich für Transgender Network Switzerland.

Sigmond Richli, was würden Sie tun, wenn es keine Konsequenzen gäbe?
Nie mehr schlafen, zum Mond fliegen, Banken ausrauben (Revolutionen müssen finanziert werden!), nie mehr zum Zahnarzt gehen und alle amtierenden Präsidenten und Machthaber der Welt entmachten, sie alle zusammen an einen sehr einsamen Ort irgendwo auf der Welt verfrachten und sie dazu verdammen, sich gegenseitig auf ewig zuzuhören.


Worauf sind Sie stolz?
Ich bin stolz darauf, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Für nicht binäre trans Menschen wie mich ist das leider nicht selbstverständlich. Unsere Gesellschaft scheint zwar offen zu sein, und die Gesetze sollten eigentlich alle gleich behandeln. Aber meine Geschlechtsidentität wird nicht nur von vielen Menschen, sondern auch vom Staat nicht anerkannt. Trans Menschen wie ich erfahren nicht nur täglich Diskriminierung, wir müssen auch ständig unsere Identität rechtfertigen, als ob wir keine Existenzberechtigung hätten.


Welches Talent hätten Sie gern?
Ich würde gern so vieles (besser) können. Vor allem künstlerische Tätigkeiten wie Violinespielen, Komponieren, Malen, Akrobatik … Aber ich glaube, ich hätte am liebsten ein Supergedächtnis, damit ich alle meine Lieblingspassagen aus Büchern, Filmen und Liedern auswendig wüsste und damit ich noch viel mehr lernen könnte.


Welcher Gegenstand bedeutet Ihnen am meisten?
Ich besitze unzählige Tage- und Notizbücher. Die Gewohnheit des Schreibens habe ich in der Kindheit begonnen, und sie begleitet mich seitdem. Diese Bücher sind für mich unersetzlich und deswegen mein wertvollster Besitz.


Was war früher besser?
Der Geschmack von Tomaten und Erdbeeren. Wahrscheinlich waren die Menschen auch weniger einsam. Und das Internet ist schon ein zweischneidiges Schwert. Aber trotz besseren Erdbeeren und dem Fehlen des Internets würde ich nicht zu einer anderen Zeit leben wollen. Wenn früher etwas besser war, sollten wir versuchen, es im Heute wieder möglich zu machen.


Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Ich glaube, mit solchen Fragen ist es wie mit den Wünschen bei Sternschnuppen: Das darf niemandem gesagt werden, sonst verliert der Wunsch (oder in diesem Fall die Erinnerung) an Kraft. Die schönsten Erinnerungen hüte ich deswegen wie einen Schatz. Aber das erste Mal mit einer Badehose im See zu schwimmen, war schon sehr schön.


Was ist Ihr grösster Wunsch?
Dass sich Menschen nicht mehr anmassen, über andere urteilen zu können, nur weil sie anders sind. Wie kommt eine Person darauf, mir meine Existenzberechtigung abzusprechen, nur weil ich nicht der Norm entspreche? Deswegen wünsche ich mir auch, dass die Schweiz einen dritten amtlichen Geschlechtseintrag einführt und anerkennt, dass es Menschen wie mich gibt. Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich nie vergessen mag, wie wertvoll (m)ein Leben ist.


Wie viel Heimat brauchen Sie?
Sehr viel. Heimat ist für mich aber nicht an einen bestimmten Ort geknüpft, sondern daran, ob ich mich an einem Ort zu Hause fühle oder nicht. Zu Hause fühle ich mich da, wo ich sicher, wohl und geborgen bin. Die absolut schlimmste Vorstellung für mich ist, keinen solchen Ort (mehr) zu haben.