Der 5. Dezember ist der internationale Tag der Freiwilligen. Freiwilliges Engagement ist ein wichtiges Element der Zivilgesellschaft. 

Rund drei Millionen Menschen in der Schweiz leisten laut dem Bundesamt für Statistik zusammen pro Woche mehr als zwölf Millionen freiwillige Arbeitsstunden: in Sportvereinen, bei der Nachbarschaftshilfe oder in der Feuerwehr. Diese Arbeit ist systemrelevant. Aber viele Organisationen klagen darüber, dass sie kaum noch Freiwillige finden. 

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Jakub Samochowiec, Forscher des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI), hat in einer neuen Studie untersucht, wie man Menschen heutzutage dazu bringen kann, sich freiwillig zu engagieren.

Herr Samochowiec, wieso ist es heute schwieriger als früher, Freiwillige zu rekrutieren?
Ob Freiwilligkeit rückläufig ist oder sich einfach wandelt, ist gar nicht eindeutig. Klar ist aber, dass viele Organisationen Mühe haben, Freiwillige zu finden. Einerseits hängt das mit einer geringeren lokalen Anknüpfung zusammen. Arbeit, Wohnort und Freundeskreise sind geografisch verteilter. Freiwilliges Engagement beginnt aber meist im Lokalen. 

Zur Person

Anderseits?
Man hat heute so viele Optionen: bei der Freizeitgestaltung, im Job, überall im Leben. Das führt zu einer Zurückhaltung, Verbindlichkeiten einzugehen.

Früher war alles besser?
Dass Leute mehr Möglichkeiten haben, ihr Leben zu gestalten und aus gesellschaftlichen Erwartungen auszubrechen, ist erst mal nicht unbedingt negativ. Die Emanzipation der Frau basiert darauf. Und man kann sich auch fragen, wie viel Freiwilligenarbeit auf einem gesellschaftlichen Zwang basierte und gar nicht so freiwillig war. Wer auf dem Land sonntags nicht in der Kirche erschien, fiel auf. Gerade von Frauen wurde dann teilweise noch mehr Engagement erwartet – etwa dass sie fürs gesellige Beisammensein nach dem Gottesdienst etwas beisteuern.

Wie gelingt denn die Mobilisierung neuer Freiwilliger?
Eine Möglichkeit ist, mehr unverbindliche, punktuelle Engagements zu ermöglichen. In unserer Studie haben wir vier Beispiele angeschaut, die es schaffen, Menschen für etwas zu bewegen. Gemeinsam ist allen Projekten, dass sie einen niederschwelligen Zugang haben. Dass man also sehr einfach mitmachen kann. Zum Beispiel beim untersuchten Projekt Critical Mass: Da kann ich einfach auch mit dem Velo mitfahren und lerne Gleichgesinnte kennen. Alle Projekte sind auch als Biotope zu verstehen. Auf der Basis eines gemeinsamen Ziels, einer kritischen Masse an Teilnehmenden und institutionalisierter Möglichkeiten des Austauschs untereinander können in diesen Biotopen neue Dinge entstehen, die auch mehr Verbindlichkeit erfordern. In der Business-Sprache würde man wohl von Spin-offs sprechen. So entstehen neue Dynamiken, und die Leute haben ihre individuelle Freiheit, etwas Eigenes zu machen.

Freiwilligenarbeit sei enorm wichtig als Rückgrat der Gesellschaft, heisst es.
Das ist richtig, heisst aber nicht, dass man zwingend an jedem Verein festhalten muss. Vielleicht entsprechen manche schlicht nicht mehr dem Zeitgeist. Die Gesellschaft entwickelt sich weiter und braucht neue Formen von Engagement. Es ist vermutlich nicht falsch, wenn manche Bereiche der Freiwilligenarbeit professionalisiert werden, zum Beispiel das Administrativwesen, damit für anderes mehr Zeit bleibt.