Beobachter ermöglicht Pilotprozess vor Bundesgericht
Wer während einiger Jahre Sozialhilfe bezogen hat, wird in manchen Aargauer Gemeinden zu Rückzahlungen in Höhe von mehreren zehntausend Franken aufgefordert – und zwar aus den eigenen Pensionskassengeldern. Diese Praxis ist umstritten. Das Bundesgericht soll sie nun stoppen.
Das Bundesgericht hat entschieden – und die Aargauer Behörden zurückgepfiffen: Gemeinden dürfen sich nicht mehr uneingeschränkt an der Altersvorsorge von Sozialhilfebezügern bedienen. Doch es gibt auch Kritik am Urteil.
Im August 2020 machte der Beobachter den Fall einer damals 62-jährigen Frau publik , die dem Sozialamt von Oberentfelden AG von ihren Pensionskassengeldern 66'500 Franken überweisen sollte. Die Frau hatte während neun Jahren Sozialhilfe bezogen und sollte nun einen Teil davon zurückzahlen.
Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) reichte Beschwerde gegen die Verfügung der Gemeinde ein. Im letzten Mai bestätigte das Aargauer Verwaltungsgericht jedoch seine Rechtsprechung in einem früheren Grundsatzentscheid. Demnach würden ausgelöste Freizügigkeitsguthaben Vermögen darstellen, woraus sich die Pflicht zur Rückerstattung ergebe.
Eine solche Praxis widerspreche dem Zweck der beruflichen Vorsorge, argumentiert die UFS. Zudem führe sie zu Rechtsungleichheit. Deshalb hat die Fachstelle den Fall ans Bundesgericht weitergezogen. Der Schriftwechsel ist abgeschlossen, jetzt wartet man auf den höchstrichterlichen Entscheid. Er könnte Signalwirkung haben.
Einsatz für mehr Leiturteile
Dass das Bundesgericht dazu Stellung nimmt, wird auch durch SOS Beobachter ermöglicht: Die Stiftung hat ein Rechtshilfegesuch genehmigt und den Weiterzug finanziell unterstützt.
Mittels Pilotprozessen Leiturteile herbeizuführen, um eine fragwürdige Praxis zu korrigieren, ist ganz im Sinn von Beobachter-Chefredaktor Dominique Strebel. «Der Beobachter begnügt sich nicht damit, Missstände aufzuzeigen. Er will, dass diese behoben werden, damit die Gesellschaft fairer und solidarischer wird.» Man will auch auf andere Rechtsgebiete ein Auge haben. Nicole Platel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums, bestätigt: «Das ist ein Engagement unserer juristischen Kompetenz, das wir noch verstärken werden.»
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1 Kommentar
Es ist eine Skandal wie die Soziale Behörden Menschen mit Finanziellen Problemen behandeln. Die Sozialberaterin die ich hatte, war nicht richtig informiert/ausgebildet und hat sehr grossen Fehler gemacht, ich musste wegen dieses akut in der Klinik. Auch meine Kinder leidet heute noch sehr über diese Fehler von eine qualifizierte ausgebildete Sozialberaterin.
Man hat sich dann später ganz kurz entschuldigt, aber nicht automatisch, man hat sich schriftlich entschuldigt weil ich es mitgeteilt habe, dass meine Kinder es in Frage gestellt haben.
Unglaublich wie gewisse Behörden sich verhalten dürfen.