Genug des Kampfs, genug der Niederlagen, Meggiy Pombolo mag nicht mehr. Sie wird ihre Koffer packen und in die Demokratische Republik Kongo zurückkehren. Nur fürs Bleiberecht einen Schweizer zu heiraten kommt für sie nicht in Frage. Stolz blickt die junge Frau ihrem Gegenüber in die Augen. «Lieber gehe ich freiwillig.» Sie hat einen Drittel ihres Lebens in der Schweiz verbracht, über elf Jahre lang an ihrer Zukunft hier gebaut. Jetzt gibt sie auf, will die Rückreise antreten, sofern ihr die kongolesische Botschaft einen Passierschein ausstellt: «Die Schweiz will mich nicht.»

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Meggiy Pombolos Schweizer Geschichte beginnt 1997. In Kinshasa studiert sie Jura. Die damals 23-Jährige opponiert gegen das Militärregime und muss mit der Verhaftung rechnen. Sie flieht nach Genf und ersucht um Asyl. Den Kontakt zu ihren Eltern bricht sie ab – aus Angst, diese könnten ihretwegen Repressionen erleiden. Nach einigen Monaten schicken die Behörden sie in den Kanton Zürich. Dort baut sich die kontaktfreudige Frau schnell einen Bekanntenkreis auf und achtet darauf, dass auch Schweizer dazugehören. «Ich wollte rasch die Sprache lernen. Das geht nur, wenn man sie praktiziert.» Für ihre afrikanischen Freunde benimmt sie sich seltsam: Sie spielt Tennis, fährt mit dem Velo durch die Stadt, lebt mit einer Schweizerin in einer WG. «Im Kollegenkreis war ich schon ‹die kleine Schweizerin›», sagt sie.

Jahrelang ohne Bleiberecht

Ihr Asylgesuch wird, wie fast 80 Prozent aller Asylanträge, abgelehnt. Sie legt Beschwerde, dann Rekurs ein – ohne Erfolg. 2001 sind alle ordentlichen Rechtsmittel ausgeschöpft. Sie stellt Wiedererwägungsgesuche, doch das Urteil bleibt über Jahre das gleiche: kein Asyl für Meggiy Pombolo. 2007 kommt der letzte Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts. Bis dahin konnte ihre Wegweisung wegen des hängigen Verfahrens nicht vollzogen werden. Zudem hat sie keinen Pass: Jahr für Jahr erneuert das Zürcher Migrationsamt den N-Ausweis für Asylsuchende, und immer wieder fordern die Behörden sie auf, Reisepapiere zu beschaffen. Immer wieder versucht sie es – vergeblich. «Bei der kongolesischen Botschaft wurde ihr mitgeteilt, man stelle Pässe nur für Leute mit Aufenthaltsbewilligung aus», erklärt Fidan Köle, Pombolos Beraterin von der Freiplatzaktion Zürich. Eine schriftliche Bestätigung für ihre Bemühungen, Papiere zu beschaffen, erhält sie nicht.

2004 ersucht das Zürcher Migrationsamt den Bund um die vorläufige Aufnahme auf Zeit. Das Gesuch scheitert, weil die junge Frau angeblich nicht kooperiere. Da sie keine Belege hat, kann sie das Gegenteil nicht beweisen. So kommt es, dass Meggiy Pombolo jahrelang ohne Bleiberecht in der Schweiz lebt. Ihr Aufenthaltsstatus verbietet ihr Erwerbsarbeit. Statt sich nur auf die Sozialhilfe zu verlassen, sucht sie dennoch nach Jobs – und wird fündig. Mehrmals erteilt ihr der Kanton Zürich eine befristete Arbeitsbewilligung. Meggiy schöpft Hoffnung, schmiedet Zukunftspläne.

«Von heute auf morgen alles verloren»

Im Mai 2008 finden sie ein jähes Ende. Im Restaurant Bauschänzli hat sie eine Anstellung als Abräumerin für sechs Monate gefunden, ihr bisher längster Arbeitsvertrag. Am zweiten Arbeitstag trifft ein Fax des Amts für Wirtschaft und Arbeit bei ihrem Chef ein: Die Arbeitsbewilligung wird per sofort entzogen. Den N-Ausweis, den sie zufällig gleichzeitig zur Erneuerung eingeschickt hatte, erhält sie nicht zurück.

Seit Anfang 2008 fallen abgewiesene Asylsuchende aus der Sozialhilfe ins Nothilfeprogramm. Meggiy Pombolo wird ins Nothilfezentrum Egg gebracht, ihre Wohnung muss sie aufgeben, das Mietzinsdepot wird eingezogen, weil sie die Kündigungsfrist nicht einhalten kann. «Von heute auf morgen habe ich alles verloren, was ich mir aufgebaut habe», sagt sie. Jetzt lebt sie bei einer Freundin ausserhalb von Zürich und fährt täglich ins Nothilfezentrum, um ihren Migros-Gutschein abzuholen.

Ihre letzte Chance auf ein Bleiberecht ist die Anerkennung als Härtefall (siehe auch «Hintergrund»). Seit 2007 können die kantonalen Behörden beim Bundesamt für Migration (BFM) um eine Aufenthaltsbewilligung für abgewiesene Asylbewerber ersuchen, wenn sie finden, eine Rückkehr ins Heimatland würde diese in eine schwere persönliche Notlage bringen. Weil es jedem Kanton selber überlassen ist, wie weitreichend er die vom Bund gesetzten Kriterien ergänzt, kommt es in der Praxis zu grossen Unterschieden: Wer an einem Ort als Härtefall durchgeht, blitzt anderswo ab.

Als Meggiy Pombolo im Juni 2008 ein Gesuch einreicht, wird es ohne nähere Prüfung abgewiesen. Zürich verlangt, dass Gesuchsteller sich mit einer Identitätskarte oder einem Pass ausweisen können oder zumindest einen Beleg liefern, sich vergeblich darum bemüht zu haben. «Das ist meines Wissens ein Unikum. Normalerweise werden auch andere die Identität belegende heimatliche Dokumente akzeptiert», sagt Beraterin Fidan Köle. Zudem habe man die Erfahrung gemacht, dass Zürich auch IDs nicht akzeptiere. «Wir halten uns an die Vorgaben des Bundes und weisen Gesuche von Personen ab, die nicht bereit sind, ihre Identität offenzulegen», sagt dagegen Bettina Dangel, Mediensprecherin des Zürcher Migrationsamts. In vergleichbaren Fällen sei es für Kongolesen möglich gewesen, bei der Botschaft einen Pass zu erhalten.

Bei der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) weiss man um die unterschiedliche Anwendung der Härtefallkriterien, will aber den Ermessensspielraum der Kantone nicht einschränken. «Das gehört zum föderalistischen System», sagt KKJPD-Vizedirektorin Karin Keller-Sutter. Dennoch diskutiere man, ob nicht wenigstens die formalen Anforderungen einheitlich geregelt werden sollen, um Rechtsungleichheiten zu verhindern. In Keller-Sutters Herkunftskanton St. Gallen etwa wäre Meggiy Pombolos Härtefallgesuch auch ohne Pass inhaltlich geprüft worden. Für Fidan Köle steht deshalb fest: «In einem anderen Kanton hätte Meggiy gute Chancen, als Härtefall anerkannt zu werden.»

Elf verschwendete Jahre

Zürich aber bleibt hart. «Ich habe hier keine Perspektive mehr», sagt die heute 34-Jährige. Was sie in ihrer Heimat erwartet, weiss sie nicht – sie weiss nur, dass sie ihr fremd geworden ist. «Dort gehöre ich nicht dazu, und hier will man mich nicht. Ich fühle mich heimatlos.» Trotzdem macht sie Pläne, will in Kinshasa einen Gemischtwarenladen eröffnen. Zurzeit lernt sie in einem Kurs, wie man einen Businessplan erstellt, und lässt sich von der Rückkehrhilfe beraten. Aus Sicht der Behörden findet der Fall Meggiy Pombolo somit ein glückliches Ende. Der Mensch Meggiy Pombolo aber blickt zurück auf elf Jahre, die ihr jetzt wie vergeudet vorkommen. «Ich habe meine besten Jahre verschwendet und fange wieder bei null an.»

Hintergrund

Härtefälle: Grosse Unterschiede zwischen den Kantonen

Die Härtefallregelung kann gemäss Asylgesetz zur Anwendung kommen, wenn die Wegweisung einer Person ohne Aufenthaltsbewilligung eine schwerwiegende persönliche Notlage bedeuten würde.

Für Gesuche gelten als Faktoren: Mindestaufenthaltsdauer von fünf Jahren in der Schweiz, kein Untertauchen während dieser Zeit, fortgeschrittene Integration, Respektierung der geltenden Rechtsordnung, Einschulung und Dauer des Schulbesuchs der Kinder, Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und Erwerb von Bildung, Gesundheitszustand (eine Krankheit erhöht die Chance, als Härtefall anerkannt zu werden), die Möglichkeiten für eine Wiedereingliederung im Herkunftsland sowie Offenlegung der Identität.

Die Kantone können diesen Richtlinien des Bundes weitere Auflagen hinzufügen. Dadurch kommt es zu grossen Unterschieden zwischen den Kantonen, wie eine
Statistik über die Härtefallprüfungen vom 1. 1. bis 5. 11. 2007 beim Bund zeigt
(nicht genannte Kantone machten von der Härtefallregelung keinen Gebrauch).

Kanton Ablehnung Gutheissung Hängig Total
AG (570'000 Einw.) 0 10 0 10
BE (960'000 Einw.) 4 75 24 103
BL (270'000 Einw.) 0 7 3 10
BS (180'000 Einw.) 0 20 1 21
GE (430'000 Einw.) 1 133 21 155
JU (70'000 Einw.) 0 20 2 22
NE (170'000 Einw.) 1 21 10 32
SG (460'000 Einw.) 0 73 6 79
SH (70'000 Einw.) 0 1 0 1
SO (250'000 Einw.) 1 14 3 18
SZ (140'000 Einw.) 5 0 0 5
TI (320'000 Einw.) 0 10 0 10
VD (660'000 Einw.) 6 298 51 355
VS (290'000 Einw.) 0 9 3 12
ZG (110'000 Einw.) 0 1 0 1
ZH (1'280'000 Einw.) 1 4 0 5
Total 19 696 124 839


Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe/Bundesamt für Migration (BFM). Das BFM gibt keine aktuellen nach Kantonen aufgeteilten Zahlen bekannt.