Oligarchen enteignen? Gar nicht so einfach …
«Nehmt den russischen Oligarchen ihre Milliarden weg und schickt sie in die Ukraine!»: So lautet eine populäre Forderung. Doch enteignen ist nach schweizerischem Recht gar nicht so einfach.
Veröffentlicht am 3. Juni 2022 - 11:33 Uhr
6,3 Milliarden Franken: Auf diesen Betrag belaufen sich aktuell die gesperrten Vermögenswerte von sanktionierten Russinnen und Russen in der Schweiz. Eine Stange Geld – das für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine verwendet werden soll, wenn es nach dem Willen der SP geht. Die blockierten Gelder von russischen Oligarchen soll als eine Art Reparationszahlung für den russischen Angriffskrieg und die Zerstörungen nach Kiew geschickt werden, fordert die SP in einer Motion vom Bundesrat.
Eine populäre Forderung, die in der Bevölkerung angesichts der grossen Solidarität mit den ukrainischen Flüchtlingen gewiss Unterstützung finden wird. Bloss: Ganz so einfach umsetzbar ist das Anliegen nicht. Dazu muss man Zweierlei wissen.
Erstens: Die Oligarchenvermögen sind vorerst nur blockiert, also quasi beschlagnahmt. Sie gehören weiterhin den Personen, die auf der Sanktionsliste stehen, diese können bloss derzeit nicht darüber verfügen. Konkret heisst das beispielsweise, dass eine sanktionierte Oligarchin keinen Zugriff mehr auf ihr Konto bei einer Schweizer Bank hat, weil die Bank auf Anordnung des Bundesrats das Konto gesperrt hat. Das Geld bleibt eingefroren, wo es ist, weder Bargeldbezug noch Überweisungen auf andere Konten sind möglich.
Zweitens: Um die Gelder (oder Liegenschaften oder sonstige Vermögenswerte, wie etwa Jachten und Gemälde) definitiv zu enteignen, braucht es nach schweizerischem Recht zwingend eine Straftat; das Geld müsste also aus einer kriminellen Handlung stammen. Dann – und nur dann – sind Enteignungen zulässig. Ansonsten gilt grundsätzlich laut Art. 26 der Bundesverfassung die Eigentumsgarantie.
Nun mögen die Oligarchen zweifellos unter mysteriösen Umständen zu Reichtum gekommen sein, etwa im Zusammenhang mit Privatisierungen von ehemaligen Staatsbetrieben. Ob es sich aber um Straftaten handelt, dürfte laut Fachleuten nur schwer nachzuweisen sein. Vor allem müsste jeder Fall einzeln verhandelt werden, und eine Art «Sippenhaftung» gibt es hierzulande nicht. Unwahrscheinlich, dass einem schweizerischen Gericht der Nachweis einer Straftat gelänge, und ebenso unwahrscheinlich, dass es ein russisches Gericht tut.
Aber die Schweiz hat durchaus schon Vermögen aus dem Dunstkreis von autokratischen Herrschern eingezogen. Für sogenannte Potentatengelder gibt es sogar ein eigenes Gesetz, das etwa im Zusammenhang mit dem Arabischen Frühling angewendet wurde, auf Gelder aus dem Umfeld des ehemaligen ägyptischen Herrschers Husni Mubarak. Aber: Da ging es darum, aus Volksvermögen stammende Gelder nach einem Regimewechsel ins Herkunftsland zurückzuschicken.
In Russland gibt es jedoch keinen Regierungswechsel, und die Gelder sollen ja laut der SP-Forderung in ein anderes Land (in die Ukraine) fliessen, das mit einer möglichen Straftat am Ursprung der Gelder gar nichts zu tun hat. Darum ist dies keine taugliche gesetzliche Grundlage – aber das Potentatengesetz ist Basis für ein Verfahren, das derzeit läuft, um Gelder in die Ukraine zurückzuschicken, die nach der ukrainischen Revolution im Februar 2014 gesperrt wurden. Es geht um über 100 Millionen Franken, die bei engen Vertrauten des damals abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch beschlagnahmt wurden.
Wie auch immer die politische Debatte zu den Oligarchengeldern ausgeht: Enteignungen sind ein umstrittenes Thema, selbst wenn es einen klaren Zusammenhang zu einer Straftat gibt. Das zeigt ein Blick in verschiedene Schweizer Gerichtsurteile .
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3 Kommentare
Ist die Schweiz noch ein Rechtsstaat?
„Der EU – und in ihrem gefährlichen Fahrwasser auch der Schweiz – ist offenbar fast jedes Mittel recht, gegen Russland, gegen russische Bürger, gegen russische Unternehmen vorzugehen. Dabei werden auch juristisch fragwürdige Massnahmen ergriffen.
Abgesehen davon, dass die Schweiz ihre Neutralität aufs Spiel setzt, verletzt sie so rechtliche und völkerrechtliche Normen. Das schadet am Ende gerade Kleinstaaten wie ihr. Die Verluderung des Rechtsstaats im Zuge einer moralistisch aufgeheizten Politik ist das Letzte, das wir in diesen Zeiten einer neuen chaotischen Weltordnung brauchen.
Die Schweiz kann nicht Unrecht mit Unrecht bekämpfen, sonst ist sie selbst kein Rechtsstaat mehr.“ (Ph. Gut in Weltwoche vom 13.3.2024)
„Es ist ein gefährliches Spiel, welches Bundesrat Ignazio Cassis und das Parlament betreiben mit ihrem irrwitzigen Plan, russisches Staatsvermögen als Reparationszahlung einzuziehen, um es der Ukraine zum Wiederaufbau zu übergeben. Wir begeben uns hier auf ein Minenfeld. Wir laufen damit Gefahr, unserem Finanzplatz und unserer Neutralität einen irreparablen Schaden zuzufügen. Cassis verbaut sich damit auch die Möglichkeit, Russland an den Verhandlungstisch zu bringen“ (Hubert Mooser in Weltwoche vom 14.3.2024)
Ohhhjeee, arme kleine - ehrliche, redliche - Schweiz!
Von jeher, war es offensichtlich kein Problem, reichen Leute Gelder, Vermögen,....auf Schweizer Banken zu übernehmen, und bei entsprechender Gelegenheit auch zu nutzen....= Gelder, Vermögen, Bilder, Häuser etc von verfolgten und geflohenen Juden in den Vierziger-Jahren etc......!!!???
Dann müsste die Schweiz ja praktisch alle Werte auf Konten von einschlägig bekannten Potentaten, welche ihr Volk ausrauben, einziehen und rücküberweisen. Dann wäre die Schweiz nicht mehr unter den Top-3 im Schattenfinanzindex. Dann müssten sehr viele Schweizer plötzlich richtiger Arbeit nachgehen. In einem Land, in welchem Waschen-Trocknen-Aufbewahren eine der wichtigsten Säulen der Wirtschaft darstellt.