So leiden Angehörige von Inhaftierten
Wenn jemand ins Gefängnis muss, kann das Angehörige aus der Bahn werfen. Ein SRF-Dokfilm lässt sie zu Wort kommen.
Veröffentlicht am 13. Juni 2023 - 17:48 Uhr
Raphael K. hat paranoide Schizophrenie. Wenn er Alkohol trinkt, pöbelt er Menschen an, beleidigt sie oder spuckt sie an. Als er in einer Disco einen anderen Gast mit einer Flasche an der Stirn verletzt, wird er verhaftet. Der Staatsanwalt erfährt von der Krankengeschichte des Mannes.
Ein Arzt sagt, es spreche nichts dagegen, Raphael K. trotzdem zu inhaftieren. Darum kommt er in Untersuchungshaft. Und nicht in eine psychiatrische Klinik.
Raphael K. sitzt für sieben Monate in Untersuchungshaft. Als ein Psychiater in einem Gutachten empfiehlt, Raphael K. zu verwahren, bricht er zusammen und wird in eine forensisch-psychiatrische Spezialstation verlegt. Dort nimmt er sich kurze Zeit später das Leben.
Der Beobachter greift die Geschichte von Raphael K. im Januar 2023 auf und berichtet über die Umstände seiner Inhaftierung. Auch darüber, dass es regelmässig zu Todesfällen in Schweizer Gefängnissen kommt. Zwischen 10 und 30 Menschen sterben pro Jahr – fast die Hälfte von ihnen durch Suizid. Auch die Eltern von Raphael K. erzählen von ihren Erfahrungen, die sie in dieser Zeit gemacht haben.
Nun wird eine SRF- Dokumentation ausgestrahlt, die das Thema ebenfalls aufgreift. In «Mitgefangen» von Annina Furrer berichten Betroffene über die Inhaftierung ihrer Angehörigen und über die Hilfe, die sie sich sehnlichst gewünscht hätten, aber nicht bekommen haben. Auch die Eltern von Raphael K. erzählen von ihrem Schicksal.
Die Haftbedingungen von Raphael K. wirkten sich auch auf seine Eltern aus. Sie schildern die Besuche als schwierig. Körperkontakt war nicht erlaubt, und Gespräche fanden nur durch eine dicke Trennscheibe statt. Sie hätten sich hilflos gefühlt, sagten die Eltern gegenüber den Medien. Sie hätten ihrem Sohn gerne geholfen und hätten selbst auch Unterstützung gebraucht. In der Deutschschweiz gibt es kaum Hilfsangebote für Angehörige von Gefängnisinsassen. Ein solches Hilfsangebot hätten sich auch die Eltern von Raphael K. gewünscht.
Mit diesem Problem sind sie nicht alleine. Wenn Angehörige ins Gefängnis müssen, leidet oft die ganze Familie. In der Schweiz sind rund 50’000 Angehörige durch solche Situationen «mitgefangen», wie SRF in einer Medienmitteilung schreibt. Die Angehörigen sind dadurch Leidtragende einer Straftat, die sie nicht begangen haben.
Seit dem Tod des 25-jährigen Raphael K. kämpfen die Eltern um Antworten und Aufklärung. Auf ihrem Weg stossen sie immer wieder auf Widerstand. Die hohe Suizidrate in Schweizer Gefängnissen, insbesondere in Untersuchungshaft, wird mit den Haftbedingungen in Verbindung gebracht. Der Fall wird nun untersucht.
«Mitgefangen» wird am Donnerstag, 15. Juni, um 20.05 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt.