Zürich geht gegen sexuelle Belästigung an Festivals vor
Die Stadt setzt diesen Sommer auf Tattoos mit Statements, die vor einem Übergriff schützen sollen. Wie sollen Betroffene reagieren, wenn sie angegangen werden?
Veröffentlicht am 30. Juni 2023 - 17:11 Uhr
Der Sommer ist da, die Festivalsaison hat begonnen. Doch nebst schönen Momenten kommt es bei den Events auch immer wieder zu sexuellen Belästigungen. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Stadt Zürich von 2021: Von den 1677 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben 49 Prozent der Befragten spezifisch an Festivals, am «Züri Fäscht» und an der Streetparade schon einmal einen Übergriff erlebt.
Dagegen will die Stadt Zürich vorgehen. Zusammen mit «Zürich schaut hin» setzt sie auf Statement-Tattoos als Mittel zur Prävention. Die Tattoos tragen klare Botschaften wie «No means No» (Nein heisst Nein), «Don’t touch» (Fass mich nicht an) oder «Go touch yourself» (Geh dich selbst anfassen). Die Tattoos sind ablösbar und machen «dort auf das Problem aufmerksam, wo es am meisten Sinn ergibt: auf der nackten Haut», heisst es in einer Mitteilung.
Corina Elmer, Leiterin der Opferhilfestelle Frauenberatung sexuelle Gewalt, findet die Statement-Tattoos einen guten Ansatz: «Es ist ein wichtiges Zeichen der Veranstalter. Sie machen auf ein Problem aufmerksam und tun etwas dagegen.» Ausserdem würden bei dieser Aktion nicht die Opfer aufgefordert, etwas zu unternehmen – wie beispielsweise einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen –, sondern es sei ein bestärkendes Statement, erklärt Elmer.
Erstmals werden die Tattoos am «Caliente», dem grössten Latin Music Festival von Zürich, verteilt. Später sind sie auch an der Streetparade und in den Clubs erhältlich.
Tipps: So können Sie sich verhalten, wenn Sie sexuell belästigt werden
Trotzdem wird wohl kein Statement und kein Tattoo kompletten Schutz vor Übergriffen bieten. Darum hier die wichtigsten Infos und Tipps, was Sie tun können, wenn es trotzdem passiert:
Was muss ich tun, wenn mich jemand ungewollt anfasst?
Sagen Sie dem Täter entschlossen, dass er das lassen soll. Werden Sie laut und suchen Sie danach Anschluss bei Bekannten, wenn Sie vor Ort sind und das Geschehen nicht mitverfolgt haben.
Wie verhalte ich mich, wenn ich tätlich angegriffen werde?
Versuchen Sie, der Situation zu entkommen, und rufen Sie möglichst rasch die Polizei über die Notrufnummer 117 an. Je nachdem zählt jede Minute. Wenn Sie körperlich angegriffen werden, ist Gegenwehr der beste Schutz: Schreien, schlagen, treten und beissen Sie – bis Sie loskommen. Falls Sie können: Sprechen Sie Leute in der Nähe direkt an und bitten Sie um Hilfe.
Was muss ich direkt nach der Tat beachten?
Sichern Sie Beweise – insbesondere nach körperlichen Übergriffen. Auch wenn es sehr belastend ist, sollten Sie sich so rasch wie möglich untersuchen lassen. Falls es zu einem Strafverfahren kommt, ist die Beweissicherung nämlich zentral. Je mehr Zeit verstreicht, desto weniger Spuren sind noch vorhanden.
Übrigens: Die Ärztin oder der Arzt macht nicht automatisch eine Meldung an die Polizei . Nur wenn Sie es wollen.
Wo soll ich die Tat melden?
Grundsätzlich ist die Polizei dafür zuständig. Dort können Sie sich am Posten Ihrer Wahl melden. Im Kanton Zürich hat die Polizei aber direkte Anlaufstellen für Opfer von sexuellen Übergriffen eingerichtet, und im Kanton Bern kann man verlangen, direkt mit einer Polizistin zu sprechen.
Die kantonalen Opferhilfestellen beraten Sie psychologisch und auch bezüglich eines Strafverfahrens. Man kann Sie an weitere spezialisierte Beratungsstellen im Kanton verweisen, beispielsweise an die Frauenberatung sexuelle Gewalt. Die Beratungsstelle unterstützt und berät ebenfalls Frauen und ihnen nahestehende Personen.
In verschiedenen Kantonen und Städten laufen Projekte gegen Gewalt, so können zum Beispiel im Rahmen des Projekts «Zürich schaut hin» sexuelle, sexistische und homo- oder transfeindliche Belästigungen auf dem Stadtgebiet anonym gemeldet werden.
Was passiert danach?
Wenn eine Straftat nicht ausgeschlossen werden kann, sammelt die Polizei Beweise, indem sie etwa Auskunftspersonen und Zeugen befragt oder DNA-Spuren untersucht. Ihre Ergebnisse leitet sie der Staatsanwaltschaft weiter. Die tatverdächtige Person kann während der Ermittlungen in Untersuchungshaft genommen werden, wenn ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund bestehen. Also die Gefahr, dass die Person flüchtet, Beweise verschwinden lässt oder schwere Verbrechen oder Vergehen verübt.
Erfährt der Täter den Namen des Opfers und darf er bei der Befragung dabei sein?
Grundsätzlich ja. Denn es gilt die Unschuldsvermutung. Nur wenn ein Beschuldigter weiss, mit wem er es zu tun hat, kann er sich gegen falsche Anschuldigungen wehren – so die Idee dahinter.
Die Tat ist schon länger her, soll ich mich trotzdem noch bei der Polizei melden?
Es spricht nichts dagegen. Vielleicht sucht die Polizei den Täter schon länger und Sie können das fehlende Puzzleteil liefern. Beachten Sie aber: Bei Antragsdelikten läuft eine Frist von drei Monaten, um einen Strafantrag zu stellen.
1 Kommentar
Die Tattoos sind grundsätzlich eine gute Sache. Unverständlich ist nur, dass sie auf Englisch sind. Die allermeisten Festbesucher lesen und sprechen schliesslich Deutsch und nicht Englisch.
Die Wirkung der Tattoos dürfte daher eher bescheiden bleiben. Auch der publizierte Text impliziert dies, sonst wäre ja keine Übersetzung notwendig geworden.