Den eigenen Körper steuern
Biofeedback kann helfen, sich selbst zu helfen – indem man den Körper mental beeinflusst. Die Methode ist inzwischen weithin anerkannt. Fachleute warnen aber vor Selbstexperimenten.
Veröffentlicht am 20. Juli 2009 - 15:11 Uhr
Mediziner und Therapeuten nutzen das Biofeedback, um Heilungsprozesse zu unterstützen, Manager stärken damit ihre mentale Kraft, Spitzensportler steigern die Leistung und minimieren das Verletzungsrisiko. Systematisch eingesetzt wird Biofeedback beispielsweise im Training beim italienischen Fussballklub AC Milan.
Andernorts herrschen noch Zweifel über die Wirksamkeit. So fragte laut «Spiegel» im Frühjahr 2007 ein Funktionär der deutschen Nationalelf: «Wo ist der Beleg?» Kurz darauf schlugen die Mailänder den deutschen Spitzenklub Bayern München im Champions-League-Viertelfinal – und holten am Ende gar den grossen Pokal. Dank Biofeedback? Mag sein. Sicher ist, dass die Jungs gut Fussball spielen.
Biofeedback ist eine Methode, um unbewusste Körperfunktionen bewusst zu machen (Feedback heisst auf Englisch Rückmeldung, Rückkopplung). «Es handelt sich dabei um eine wissenschaftlich anerkannte Therapie- und Trainingsmethode», erklärt Verena Oberholzer, ehemalige Zahnärztin und praktizierende Therapeutin aus dem zürcherischen Uetikon am See.
Beim Biofeedback wird mit Hilfe von Sensoren und elektronischen Geräten zum Beispiel die Muskelspannung sichtbar gemacht. Oder Körpertemperatur, Pulsfrequenz, Atmung, Hautwiderstand und vieles mehr. «Man lernt, die Vorgänge im Körper bewusst wahrzunehmen – aber auch, sie gezielt zu stimulieren.» So könne nicht nur das Wohlbefinden verbessert und die Leistung gesteigert werden. Biofeedback helfe auch gegen hohen Blutdruck, Nervosität oder Verspannungen.
Auch in der Schmerzklinik Nottwil LU wird Biofeedback eingesetzt. Psychologe Wolfgang Dumat: «Bei Schmerzpatienten gehen wir damit gegen verspannte Schulter- oder Rückenmuskulatur vor.» Migräne wiederum wird mit dem Vasokonstriktionstraining behandelt. Dabei lernt der Patient, seine Schädel-Arterie zu entspannen – und zwar willentlich. Gegen Stress oder bei psychischer Belastung hilft laut Dumat, wenn man Pulsschlag und Atmungsfrequenz besser aufeinander abstimme – ebenfalls unbewusste Körperfunktionen, die man nach entsprechendem Training steuern kann.
Wie läuft so ein Training ab? «Zuerst analysieren wir die Ursachen der Beschwerden», sagt Wolfgang Dumat. Dabei zeige sich, welche Faktoren massgebend sind: beispielsweise die Körpertemperatur oder die Muskelspannung.
Die Deutsche Gesellschaft für Biofeedback erklärt das Verfahren an einem Beispiel: Der Blutdruck wird gemessen und laufend auf dem Bildschirm dargestellt. Der Patient versucht nun, seinen Blutdruck bewusst zu steuern, etwa mit Hilfe von Entspannungstechniken. Dank den Kurven auf dem Monitor erkennt er sofort, bei welcher Übung oder bei welchem Gedanken der Druck steigt – und wann er sinkt. Nach einigen Sitzungen habe der Patient gelernt, seinen Blutdruck auch ohne Gerät wahrzunehmen und zu beeinflussen. Eine der erstaunlichsten Erkenntnisse in der Biofeedback-Forschung sei, dass man autonome Körpervorgänge wie Herzschlag, Schweissdrüsenaktivität, Blutdruck, Arteriendurchmesser, ja gar Hirnströme bewusst steuern könne.
Werden die Hirnströme gemessen und vom Computer dargestellt, nennt sich das Neurofeedback – eine Variante des Biofeedback. Verena Oberholzer: «Neurofeedback-Training ist Gehirnwellentraining, eine Interaktion zwischen Mensch und Computer.» Dabei werde das Zentralnervensystem stabilisiert und zentriert, die Gehirnwellen werden quasi reorganisiert. Trainiert würden Funktionen wie Konzentration, Gedächtnis, Leistung und Entspannung.
Und wie steht es mit Risiken und Nebenwirkungen? Neurofeedback sei bei sachgemässer Anwendung nebenwirkungsfrei, sagt Oberholzer. Weder der Charakter noch die Persönlichkeit werde verändert. «Aber es ist ein Eingriff ins zentrale Nervensystem und sollte nur von qualifizierten Therapeuten durchgeführt werden.»
Der Deutschen Gesellschaft für Biofeedback sind ebenfalls keine Nebenwirkungen bekannt. Auch Psychologe Wolfgang Dumat sagt: «Die Erfahrung ist in aller Regel gut, der Nutzen des Trainings wissenschaftlich klar belegt.» Und das Besondere daran: Die Patienten lernten, was sie selber für ihr Wohlbefinden tun können.
Mehrheitlich gewarnt wird davor, es ohne fachliche Hilfe zu versuchen. «Geräte für den Heimbedarf haben oft ungenügende Software, Diagnose- und Analysemöglichkeiten», warnt Verena Oberholzer. Besser seien Sitzungen bei ausgebildeten Therapeuten. Zumal mehrere Studien ergeben hätten, dass Biofeedback ein Lernprozess sei und die Patienten ihre Körperfunktionen nach kurzer Zeit auch ohne Feedbackgerät steuern können.
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