Da ist doch etwas kaputt!
Bei einem Hexenschuss tut selbst die kleinste Bewegung höllisch weh. In den meisten Fällen ist die Pein aber nach wenigen Tagen vorbei.
Veröffentlicht am 16. November 2022 - 14:44 Uhr
Plötzlich schiesst ein stechender Schmerz in den Rücken, der einen komplett lähmt. Im Mittelalter waren die Leute sicher, dass es dafür nur eine Erklärung geben kann: Eine Hexe hat mit ihrem Pfeil getroffen.
Mittlerweile ist zwar klar, dass Lumbago – so lautet der Fachausdruck für plötzlich auftretende, massiv immobilisierende Rückenschmerzen – wenig mit Hexerei zu tun hat. Woran es aber tatsächlich liegt, weiss die Medizin bis heute nicht so recht.
«Von zehn Hexenschüssen sind neun unspezifisch. Das heisst, es liegt keine erkennbare Ursache vor», erklärt Christoph E. Albers, Leiter Traumatologie am Inselspital Bern.
«Über die Hälfte der Hexenschüsse passiert in der Lendenwirbelregion.»
Anders formuliert: Es passiert einfach. Und das relativ häufig. Bis zu 80 Prozent der Leute haben mindestens einmal im Leben einen Hexenschuss. Jede zehnte Person erleidet gar einen pro Jahr. Häufig geschieht es bei einer falschen Bewegung oder wenn man gebeugt schwere Lasten hebt. Beim Aufrichten kommt es zu einer plötzlich einschiessenden, sehr schmerzhaften Verspannung der Rückenmuskulatur. Über die Hälfte der Hexenschüsse passiert in der Lendenwirbelregion.
Besonders häufig trifft es Leute zwischen 30 und 50. Wer raucht oder Übergewicht hat, ist zusätzlich gefährdet.
Oft ist ein Hexenschuss ungefährlich
Einige Betroffene können sich zunächst nicht mehr bewegen. Selbst kleinste Verschiebungen quälen sie so sehr, dass ihnen nichts bleibt, als in einer bestimmten Haltung zu verharren, bis das Gröbste überstanden ist.
Wenn etwas so schmerzt, kann das nichts Gutes bedeuten, könnte man glauben. Doch Tobias Manigold gibt Entwarnung: «In den allermeisten Fällen ist ein Hexenschuss zwar extrem schmerzhaft, aber ungefährlich», sagt der leitende Arzt für Rheumatologie am Inselspital Bern. Anders sieht es aus, wenn man kurz zuvor verunfallt ist oder einen Schlag bekommen hat.
Auch bei Osteoporose oder zusätzlichem Fieber, Schüttelfrost oder Grippesymptomen ist ärztliche Begutachtung angesagt. «Wenn zudem Muskelschwächen in den Beinen oder eine Inkontinenz auftreten, ist das ein medizinischer Notfall. Betroffene sollten umgehend ärztliche Hilfe suchen», warnt Christoph E. Albers.
«Es geht darum, den Teufelskreis aus Schmerz, Verspannung, mehr Schmerz zu durchbrechen.»
Christoph E. Albers, Leiter Traumatologie am Inselspital Bern
Tatsächlich können Wirbelbrüche, Infektionen, Tumoren oder Metastasen hinter einem solchen Akutschmerz stecken. Und in rund vier Prozent aller Fälle entpuppt sich der Hexenschuss als Bandscheibenvorfall. «Dann kommt es häufig auch noch zu Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Ausfällen von Muskelfunktionen in den Beinen», sagt Rheumatologe Tobias Manigold.
Erst ruhen, dann bewegen
Meist ist ein Hexenschuss bloss eine muskuläre Verspannung. Die Beschwerden klingen innert weniger Tage von selbst wieder ab. Bis es so weit ist, lindern entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen die Schmerzen. Was zu Beginn hilft: sich hinlegen und die Beine angewinkelt hoch lagern. Das entlastet die betroffene Stelle. Harte Unterlagen sind meist besser als weiche Matratzen. Wärme fördert zudem die Durchblutung der Muskulatur, was Verspannungen lockern kann. Eine Bettflasche oder ein Wärmepflaster eignen sich gut dafür.
Sobald leichte Bewegungen wieder möglich sind, sollte man in einem kontrollierten Mass aktiv werden, reine Bettruhe ist kontraproduktiv. «Es geht darum, den Teufelskreis aus Schmerz, Verspannung, mehr Schmerz zu durchbrechen», erklärt Albers. Regelmässige Positionswechsel helfen ebenfalls.
Nach dem Hexenschuss ist im schlimmsten Fall vor dem Hexenschuss. Das Risiko lasse sich jedoch reduzieren, sagt Wirbelsäulenexperte Albers: «Das oberste Gebot ist regelmässige Bewegung. Es ist sinnvoll, rückenschonende Übungen zu machen. Auch Haltungsübungen für die Rumpfstabilisierung sind für die Hexenschuss-Vorbeugung enorm wichtig.»
Bei der Arbeit ist ebenfalls Vorsicht geboten. Besonders bei physisch herausfordernder Tätigkeit. Aber auch im Büroalltag kann eine ergonomische Sitzplatzausrüstung eine weitere schmerzhafte Episode verhindern. Physio- und Ergotherapie können helfen, den Rücken für die täglichen Herausforderungen zu schulen.
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