Beobachter: Herr Rohrmann, Erwachsene erkälten sich im Durchschnitt zwei- bis fünfmal jährlich. Kinder trifft es noch häufiger. Weshalb sind wir so anfällig?
Christian Rohrmann: 
Unser Lifestyle ist schuld. Wir wären alle seltener krank, wenn wir in einer einsamen Waldhütte oder auf einer verlassenen Insel lebten. Realistisch ist das aber nicht. Bei der Arbeit oder in der Freizeit treffen wir auf andere Menschen, wodurch sich Viren schnell verbreiten. Es gibt Hunderte davon. Wer nicht ständig in den eigenen vier Wänden sitzt, liest also früher oder später etwas auf.

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Weshalb sind manche Menschen nie krank, andere hingegen ständig?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Eine Schlüsselrolle spielt das Immunsystem Abwehrkräfte Was stärkt unser Immunsystem? . Ist es geschwächt, haben Bakterien und Viren leichtes Spiel. So etwa bei Seniorinnen oder Menschen mit einer Autoimmunerkrankung. Kinder sind häufig erkältet, weil ihre Abwehr im Aufbau ist und weniger Erreger kennt. Zudem haben sie einen engen Nasen-Rachen-Raum: Dieser wird weniger belüftet, so bietet das feuchtwarme Klima einen guten Nährboden für Erreger. Zudem stecken Kinder häufiger die Köpfe zusammen und haben engeren Körperkontakt.


Wie behandelt man eine Erkältung?
Symptome zeigen sich in den oberen Atemwegen, also in der Nase, in den Nasennebenhöhlen und im Rachenraum und der Lunge. Leichte Schmerzmittel, Bronchialtee, schleimlösende Medikamente oder Schnupfenspray können Beschwerden lindern. Der Verlauf einer Erkältung ist im Normalfall leicht und kurz.


Betroffene müssen also keine Ärztin aufsuchen?
In der jetzigen Situation kann ich das so nicht sagen. Ein leichtes Kratzen im Hals – normalerweise unbedenklich – kann ein Anzeichen für das Coronavirus sein. Wer sich nicht fit fühlt, sollte sich isolieren und die Anweisungen des Bundesamts für Gesundheit BAG befolgen. Im Zweifelsfall ist ein Test nötig. Stehen die leichten Symptome in keinem Zusammenhang mit Corona, deuten sie auf eine einfache Erkältung hin. Erst wenn die Symptome stärker werden oder nach drei bis vier Tagen nicht abklingen, sollten Betroffene sich beim Arzt melden.


Auch wenn der kratzende Hals kaum stört?
Viele Menschen ignorieren leichte Symptome – sie gehen weiter zur Arbeit oder treffen Freunde. Das sollten sie aber nicht. Wer niest oder hustet, schleudert Erreger durch die Gegend und ist ansteckend. Besser ist es, für ein paar Tage zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren. Eine hartnäckige Erkältung kann auch mal eine Woche dauern. Sind die Beschwerden dann aber noch nicht besser, steckt meist mehr dahinter.


Zum Beispiel?
Vielleicht eine Corona-Infektion. Oder aber eine richtige Grippe: Die Symptome können ähnlich sein wie bei einer Erkältung, sind aber viel stärker ausgeprägt. Hinzu kommen meist auch hohes Fieber und Schüttelfrost. Betroffene fühlen sich über einen längeren Zeitraum hinweg richtig krank. Bei älteren Menschen führt die Grippe zu einer höheren Sterblichkeit, deshalb ist es wichtig, Symptome rechtzeitig zu behandeln.


Kann man auch mehrere Erkältungen hintereinander einfangen?
Ja, wenn das Immunsystem erst einmal geschwächt ist, passiert das schnell. Meist ist eine Erkältung zeitlich begrenzt, Symptome können aber chronisch werden. So kann der anfängliche Schnupfen zu einer Entzündung der Nasennebenhöhlen, Kieferhöhlen, Ohren oder Mandeln führen – also zu einer Komplikation.


Ist das gefährlich?
Im schlimmsten Fall muss operiert werden, das ist aber zum Glück selten. In der Regel sind Komplikationen zwar unangenehm und langwierig, können aber mit Medikamenten behandelt werden. Häufig braucht es Antibiotika.


Einige Patientinnen zögern den Arztbesuch auch deshalb heraus, weil sie keine Antibiotika einnehmen möchten.
Bei Viruserkrankungen helfen Antibiotika sowieso nicht. Deshalb werden sie bei einer einfachen Erkältung oder Grippe auch nicht verschrieben. Komplikationen von Erkältungen führen hingegen oft zu bakteriellen Infekten. In einem solchen Fall können Antibiotika durchaus sinnvoll sein: Sie wirken schnell und zuverlässig, zudem verhindern sie schlimmere Folgeerkrankungen

Zur Person

Hausarzt Christian Rohrmann

Christian Rohrmann ist seit 1997 als Hausarzt in Oensingen SO tätig. Vor vier Jahren eröffnete er zusammen mit Kollegen das Ärztezentrum Leuenfeld. Daneben ist er beim Verband der Haus- und Kinderärzte (MFE) aktiv.

Quelle: Franca Quaglia
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Jasmine Helbling, Redaktorin
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