«Humor kann man trainieren»
Wer Humor hat, lebt nicht unbedingt gesünder. Aber sicher zufriedener, sagt der Psychologieprofessor Willibald Ruch.
Veröffentlicht am 27. Oktober 2014 - 11:12 Uhr
Beobachter: Herr Ruch, was ist dran am Spruch «Lachen ist gesund»?
Willibald Ruch: Wenn die Menschen gesund sind, lachen die meisten von ihnen mehr, als wenn sie krank sind. Die Frage ist: Macht das Lachen an sich gesund, oder haben wir, wenn wir gesund sind, einfach häufiger Anlass zum Lachen? Der Zusammenhang zwischen Lachen und Gesundheit ist wissenschaftlich schlicht noch nicht genügend erforscht.
Beobachter: Kein Stressabbau durch Lachen? Keine Stärkung der Immunabwehr?
Willibald Ruch: Die Liste der angeblich positiven Eigenschaften des Lachens ist lang. Es gibt auch immer wieder Hinweise darauf, dass das eine oder andere korrekt sein könnte. Aber viel mehr noch nicht. In Bezug auf den Humor hingegen ist unter anderem belegt, dass er ein guter Stresspuffer ist.
Beobachter: Aber Menschen empfinden Lachen doch meist als etwas Positives.
Willibald Ruch: Richtig. Und das Schöne am Lachen ist, dass es ein intensiver körperlicher Vorgang ist, der andere Prozesse unterbricht. Wer sich ärgert und es schafft, zu lachen, der stoppt die negativen Gefühle und Gedanken, zumindest kurzfristig. Das ist ein positiver Effekt des Lachens – auch wenn wir nicht genau wissen, was sich dabei im Körper abspielt. Vermutlich sind beim Lachen ähnliche Gehirnareale aktiv, wie wenn man Drogen konsumiert.
Beobachter: Erklärt das, warum lachende Menschen weniger Schmerz empfinden?
Willibald Ruch: Das können wir nicht so genau sagen. In einer Studie haben wir Testpersonen eine Hand in Eiswasser legen lassen. Diejenigen, die während des Experiments lachten oder lächelten, hatten eine höhere Schmerzgrenze. Aber das Lachen allein kann es nicht sein, denn Lächeln hatte den gleichen Effekt. Es muss mit dem Gefühl zu tun haben, das Lachen – oder Lächeln – auslöst.
Beobachter: Was sind die häufigsten Gründe für ein herzhaftes Lachen?
Willibald Ruch: Erstens natürlich Erheiterung, und Platz zwei belegt die Schadenfreude. Wir untersuchen derzeit, wie sich das Lachen aus Schadenfreude von dem der Erheiterung unterscheidet. Sie sehen sehr ähnlich aus, so viel können wir inzwischen sagen. Übrigens kann auch eine Vergiftung die Ursache für ein Lachen sein. Bei einer Bleivergiftung etwa beginnt der Betroffene unkontrolliert zu lachen. Auch bei Epilepsie kann das vorkommen.
Beobachter: Inwiefern kann der Unterschied zwischen einem heiteren und einem schadenfrohen Lachen relevant sein?
Willibald Ruch: Wir arbeiten an mehreren Forschungsprojekten im IT-Bereich, in denen Avatare geschaffen werden. Diese künstlichen Figuren empfangen beispielsweise Passagiere am Flughafen. Sie erkundigen sich nach den Plänen und geben automatisch Tipps zu Stadtbesichtigungen oder Theaterbesuchen. Bis jetzt wirken die Avatare unsympathisch. Es fehlt ihnen ein menschliches, freundliches Lachen. Wir wissen aus unseren Forschungsbeobachtungen, welche Mimik dazu erforderlich ist und wie das klingen muss. Wir achten auch darauf, dass das Lachen sich nicht aggressiv anhört. Denn es gibt Menschen, die auf Lachen sehr sensibel reagieren, weil sie andauernd befürchten, ausgelacht zu werden.
Beobachter: Ist die Fähigkeit zu lachen angeboren?
Willibald Ruch: Ja. Allerdings kann einem das Lachen – oder präziser gesagt: der Humor – im Laufe des Lebens durch Schicksalsschläge abhandenkommen.
Beobachter: Ist der Humor dann unwiderruflich weg?
Willibald Ruch: Nein. Unsere Studien zeigen, dass Humor sich trainieren lässt. Nicht nur die Testpersonen selbst fanden nach unserem Training, sie hätten mehr Humor als zuvor; ihr Umfeld bestätigte die Wahrnehmung. Die Teilnehmer gaben auch an, zufriedener mit ihrem Leben zu sein. Humor als Charaktereigenschaft hängt für den Menschen stark mit Glück zusammen, das zeigt sich immer wieder. Wir haben 24 solche Eigenschaften untersucht, darunter etwa Neugier, Optimismus, Tatendrang. Humor steht bereits an siebter Stelle, wenn es um den Bezug zum Glück geht.
Beobachter: Wie trainiert man Humor?
Willibald Ruch: Wir erklären den Teilnehmern zuerst, dass Humor vieles positiv beeinflusst, die Kreativität etwa oder Beziehungen. Humor ist also nichts Kindisches. Allerdings hilft es, das Kind in sich wiederzuentdecken. Die Probanden lernen Spiele und Techniken kennen, die Lachen verursachen. Übertreiben oder Untertreiben beim Geschichtenerzählen gehört dazu. Sie lernen, aufmerksamer durch den Alltag zu gehen: Was gibt es an unfreiwillig Komischem in Zeitungen, auf Firmenschildern, in Namen?
Beobachter: Ist es lernbar, über sich selbst zu lachen?
Willibald Ruch: Ja, aber das ist die höchste Schwierigkeitsstufe. Ebenfalls schwierig ist das Lachen unter Stress. Denn am dringendsten benötigt der Mensch den Humor, wenn es ihm schlecht geht. Dann hat er zwei Möglichkeiten: Er kann hilflos im Cocktail der ausgeschütteten Hormone baden oder versuchen, sich zu distanzieren – mit Humor. So gewinnt man mehr Kontrolle über eine Situation. Positive Emotionen erweitern das Blickfeld, Angst und Ärger bewirken das Gegenteil. Zahlreiche Studien zeigen, dass der Mensch mit schwierigen Situationen besser umgehen kann, wenn er Humor einsetzt. Das war auch bei Überlebenden von Konzentrationslagern so, die zum Beispiel Wärtern Spitznamen gaben.
Beobachter: Was bringt Sie persönlich zum Lachen?
Willibald Ruch: Gewisse Erinnerungen wie etwa die an einen früheren Studienkollegen, der bei einem Ausbildungsausflug mit ernster Miene plötzlich Lieder von Heino zu singen begann. Garantierte Lacher sind für mich auch Youtube-Filme mit Tieren. Ein Hund, der nicht baden will, oder eine Ziege, die Geräusche von sich gibt, die klingen wie ein ausgelassenes Lachen. Fantastisch!
Willibald Ruch ist Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich. Er forscht seit Jahren zu den Themen Lachen und Humor.
Das Psychologische Institut der Universität Zürich sucht Teilnehmer für eine Studie. Ziel ist es, Effekte kurzer Übungen zu Humor und Verspieltheit zu untersuchen. Die Übungen müssen während einer Woche gemacht werden, jeden Abend zu Hause, etwa zehn Minuten lang. Die Probanden erhalten einen Überblick über Veränderungen. Die Teilnahme ist kostenlos. Mehr Infos unter: www.staerkentraining.ch