Neuer Papi?
Patchworkfamilie – das klingt fröhlich und bunt. Bis frische Beziehungen zu einer tragfähigen Familie zusammenwachsen, braucht es allerdings viel Zeit und Geduld. Was können Eltern beitragen, damit es gelingt?
Veröffentlicht am 4. Juli 2011 - 16:18 Uhr,
aktualisiert am 22. Oktober 2018 - 10:03 Uhr
Da gibt es die Frau, die ihren Mann durch einen Unfall verloren hat und nach einigen Jahren mit ihrem neuen, kinderlosen Freund zusammenzieht. Oder den Mann, der gleich nach der Scheidung mit seiner Freundin zusammenzieht, die ebenfalls Kinder aus einer früheren Beziehung mitbringt. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen Varianten von Stieffamilien, deren Zahl nicht zuletzt wegen der hohen Scheidungsrate laufend zunimmt. Sie alle haben verschiedene Hintergründe und Vorgeschichten; unterschiedlichste Partner- und Kinderkombinationen kommen vor.
So verschieden die Familienzusammensetzungen sind, eines ist ihnen gemeinsam: Es leben Menschen aus unterschiedlichen Ursprungsfamilien zusammen – nicht alle Kinder sind für beide Partner die eigenen. Dies führt oft zu Problemen. Deshalb bietet die Beratungsstelle Scala in Solothurn, eine Fachstelle für Paare und Familien, spezifische Unterstützung für Stieffamilien – auch Zweitfamilien, Fortsetzungsfamilien oder Patchworkfamilien genannt.
Laut dem Leiter der Beratungsstelle, Jakob Friedli, liegt es häufig an übersteigerten Erwartungen: zum einen an die neue Familie – sie soll schnell zu einer harmonischen und normalen Familie zusammenwachsen –, zum anderen an die Kinder, die den neuen Partner rasch gern bekommen und akzeptieren sollen. «Da diese Menschen meist eine Trennung oder Scheidung hinter sich haben, stellen sie sich vor, dass der neue Partner besser sein müsse als der alte. Deshalb bemühen sie sich ausserordentlich und stellen Anforderungen an sich selber, die kaum erfüllbar sind. Damit sind die Probleme schon programmiert», erklärt Friedli. Auch habe der neue Partner oft das Gefühl, er müsse besser sein als der alte, womit er sich in die gleichen Schwierigkeiten bringe.
«Die Betroffenen denken, es gehe in der Zweitfamilie nun gleich weiter wie in der Kernfamilie; es ist einfach ein neuer Mann oder eine neue Frau da. Aber das ist ein grosser Irrtum», ergänzt Andrea Brunner, Paar- und Familientherapeutin bei der Beratungsstelle Scala. Das sei ein weiteres typisches Verhaltensmuster. In Stieffamilien besteht die Beziehung zwischen Elternteil und Kind nämlich schon länger als die zwischen den beiden Partnern. Die Kinder haben meist noch einen ausserhalb der Familie lebenden Elternteil und mehrere Grosselternpaare. Die Rechte und Pflichten sind damit anders aufgeteilt als in Kernfamilien.
Für den leiblichen Elternteil – wie auch für den Stiefelternteil – ist es oft schwierig zu akzeptieren, dass die Kinder den aussenstehenden Elternteil lieben und häufig immer noch auf eine Versöhnung ihrer Eltern hoffen. Nicht selten entstehen Loyalitätskonflikte und negative Gefühle gegenüber dem Stiefvater oder der Stiefmutter. Da hilft das Bewusstsein, dass ein Stiefvater oder eine Stiefmutter nie den leiblichen Vater respektive die leibliche Mutter ersetzen kann.
Da in jeder Patchworkfamilie unterschiedliche Erziehungsstile und Wertvorstellungen aufeinanderprallen, gilt es, diese unter den Erwachsenen zu diskutieren. Wichtig ist, dass die Erwachsenen untereinander ihre Rollen und die Verantwortung jedes Einzelnen klären. Die Eltern sind die wichtigsten Menschen für die Kinder. «Deshalb kann der Stiefvater oder die Stiefmutter nur dann eine Rolle in der Familie übernehmen, wenn der leibliche Elternteil vor dem Kind dem Stiefelternteil diesen Auftrag erteilt», erläutert Experte Friedli.
«Wenn etwa die Mutter dem Kind vor dem Stiefvater sagt, dass es um acht ins Bett müsse, hat auch der Stiefvater dafür zu sorgen.» Jeder Elternteil ist für seine Kinder verantwortlich und muss diese Verantwortung übernehmen – auch wenn die Stiefmutter vielleicht häufiger zu Hause bei den Kindern ist als der leibliche Vater. Sonst wird die Stiefmutter bald mit Aussagen der Stiefkinder konfrontiert wie «Du hast mir nichts zu sagen, du bist nicht meine Mutter», was sehr schmerzlich ist.
Klar ist: Das Zusammenwachsen zu einer tragfähigen Familiengemeinschaft braucht Zeit und viel Feingefühl.
Gerade bei Patchworkfamilien ist eine konsequente Erziehung sowie eine gegenseitige Absprache wichtig. Wie Sie am besten am selben Strang ziehen, erfahren Sie als Beobachter-Mitglied in der Checkliste «So gelingt konsequentes Erziehen» mit praktischen Beispielen aus dem Alltag.
- Schrauben Sie Ihre Erwartungen herunter – an sich selber, an den Partner, an die Kinder und nicht zuletzt an Ihre Traumfamilie.
- Nehmen Sie sich genügend Zeit, um sich aneinander und an die neue Situation zu gewöhnen, und gönnen Sie auch dem Partner, der Exfrau und den Kindern ausreichend Zeit dafür.
- Machen Sie sich bewusst, dass eine Zweitfamilie anders ist als eine Erstfamilie.
- Klären Sie untereinander die Rollen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der leiblichen Eltern und der Stiefeltern.
- Pflegen Sie die Liebe zu Ihrem neuen Partner.
- Nehmen Sie sich Zeit für Ihre leiblichen Kinder.
- Sorgen Sie dafür, dass auch Sie Raum und Zeit für sich allein haben.
- Scheuen Sie sich nicht, Hilfe oder Beratung in Anspruch zu nehmen. Sie sind nicht allein mit Ihren Schwierigkeiten, und es ist ganz normal, dass man auch Fehler macht, aber Sie sollten sie angehen.
1. Definition Stiefeltern und Stiefkinder
Stiefmutter oder Stiefvater sind eigentlich keine juristischen Begriffe. Sie beschreiben eher ein Beziehungsverhältnis und werden darum im Volksmund anders gebraucht als im Recht.
Das Gesetz spricht nur in zwei Artikeln von Stiefelternschaft. Es meint damit die Ehefrau des leiblichen Vaters oder den Ehemann der leiblichen Mutter. Bei Konkubinatspaaren aber spricht man rechtlich nicht von Stiefmutter oder Stiefvater.
2. Unterhaltspflicht der Stiefeltern
Stiefkinder haben keinen direkten Unterhaltsanspruch gegenüber dem Stiefvater oder der Stiefmutter. Durch die Heirat verpflichten sich die Eheleute aber zu Treue und Beistand. Deshalb hat jeder Ehegatte dem anderen in der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern beizustehen. Das bedeutet aber nicht, dass der Partner bei Zahlungsschwierigkeiten des Alimentenpflichtigen fürs Stiefkind direkt zahlen muss.
Soweit zumutbar, können jedoch von ihm höhere Beiträge an die gemeinsamen Kosten wie Miete, Nahrung oder Versicherungsprämien verlangt werden, damit der Alimentenpflichtige seiner Pflicht, Alimente zu zahlen, nachkommen kann. Die Kinder werden so vom Ehepartner indirekt mitunterstützt.
Werden Stiefkinder in den ehelichen Haushalt aufgenommen, sind ihre Unterhaltsbedürfnisse Teil des ehelichen Unterhalts. Allfällig erhältliche Kinderalimente sind aber in den Haushalt einzuschiessen.
3. Erziehungsrecht der Stiefeltern
Stiefeltern haben kein Erziehungs- oder Sorgerecht. Allerdings müssen Stiefeltern ihren Ehemann respektive ihre Ehefrau bei der Ausübung der elterlichen Sorge unterstützen und, falls nötig, vertreten.
4. Erbrecht zwischen Stiefkindern und Stiefeltern
Stiefkinder und Stiefeltern haben untereinander kein gesetzliches Erbrecht. Ein Stiefkind kann deshalb von seiner Stiefmutter oder seinem Stiefvater nur erben, wenn diese ein entsprechendes Testament oder einen Erbvertrag abfassen.
- www.patchwork-familie.ch
- www.familienhandbuch.de
- www.beratungsstelle-scala.ch/... (Merkblatt als PDF)