Gemütlich schlürfen Besucher einen Kaffee, lesen die Zeitung, beobachten Aquariumsfische und fühlen sich ganz wie zu Hause – so zumindest preist die Raiffeisenbank ihre neue Filiale mit integriertem Café in Bern an. Die Schalterhalle ist einem offenen Raum für unverbindliche Begegnungen gewichen.

Beim neuen Konzept handelt es sich um ein hybrides Geschäftsmodell, welches das eigene Business mit einem branchenfremden Geschäftszweig verbindet. Auch andere Schweizer Banken schlagen ähnliche Richtungen ein: Seien es Strandkörbe im Eingangsbereich, gemütliche Sitzecken oder eine virtuelle Empfangsdame – eine Bank kann nicht mehr nur noch Bank sein. So soll das Café neue Kunden anlocken, Vertrauen schaffen und die Konkurrenz ausstechen. Das ist nötiger denn je.

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Steigende Konkurrenz erfordert Kreativität

In den vergangenen 15 Jahren ist die Anzahl der Bankfilialen von 4000 auf 2500 gesunken, wie die Zeitschrift «Schweizer Bank» berichtet. «Auch Schaltertransaktionen nehmen jedes Jahr um etwa 15 Prozent ab», ergänzt Andreas Dietrich, Leiter am Institut für Finanzdienstleistungen IFZ. Schuld daran sind digitale Angebote, die den Kunden sowohl Beratung als auch Verwaltungsmöglichkeiten bieten. Da es mittlerweile sehr viele davon gibt und diese auf einen Klick vergleichbar sind, hat die Konkurrenz zugenommen und die Kundentreue nachgelassen. Ähnlich wie bei Krankenversicherungen sucht sich der Kunde das günstigste Angebot aus und wechselt öfter.

Trotz der verstärkten Digitalisierung stecken Banken aber noch immer viel Geld in die verbliebenen Filialen, denn Kunden befriedigen noch längst nicht alle Bedürfnisse online. Gerade wenn es um Vorsorgeberatung, Geldanlagen oder Grosskredite geht, wollen sie beraten werden – von Angesicht zu Angesicht. Damit die Beratung in guter Erinnerung bleibt, will sich die Bank abgrenzen. «Geld wollen wir mit dem Café keines machen. Im Vordergrund steht das Kundenerlebnis», bestätigt Raiffeisen-Mediensprecher Dominik Chiavi.

Wie viel die Massnahme wirklich bringt, ist schwer zu sagen

An bisherigen Standorten zeigt sich, dass das Konzept funktioniert: Die Raiffeisenbank Aarau-Lenzburg betreibt seit 2008 eine ähnliche «Begegnungsbank» in den drei Geschäftsstellen Lenzburg, Gränichen und Oberentfelden und setzt auf das hybride Geschäftsmodell, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. «Die Erfahrungen an den verschiedenen Geschäftsstellen zeigen, dass sich die Verweildauer deutlich verlängert», so Dominik Chiavi. Das Feedback der Kunden sei durchwegs positiv.

Auch Andreas Dietrich kann sich vorstellen, dass ein solches Konzept in grösseren Banken funktioniert: «Ein Besucher trinkt drei, vier Mal einen Kaffee, spricht mit den Mitarbeitern und baut Sympathien auf. Wer nicht sofort eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, dem fällt die Bank vielleicht als erste ein, sobald er etwas braucht.» Dennoch müsse von Fall zu Fall geprüft werden, ob ein Café wirklich in die Umgebung passt. «Bei kleinen Filialen mit wenig Platz macht sowas keinen Sinn.» Auch sei schwer zu eruieren, wie viel die Massnahme der Bank wirklich bringe.

Es gibt auch kritische Stimmen

Wo eine neue Dienstleistung hinzukommt, verschwindet eine alte: Die Raiffeisen will Bargeldprozesse an die Automaten verlagern, um mehr Zeit für individuelle Beratungen zu haben. Wer künftig Geld abheben möchte, tut dies also nicht mehr am Schalter. «Den massiven Vertrauensverlust bei den Kleinsparern versuchen die Banken mit einem branchenfremden Dienstleistungszweig wettzumachen», kritisiert Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). «Mit dem neuen Angebot will sich die Bank bei den Kunden einschmeicheln und sich zuvorkommend und kundenorientiert darstellen. Letztendlich geht es der Bank aber nicht um das Kundenwohl, sondern um höhere Gewinnmargen.»

Dominik Chiavi weist diesen Vorwurf zurück: Kunden würden sowohl an den Automaten als auch im Café nach wie vor betreut und begleitet. «Wir sprechen von bedienter Selbstbedienung – es ist immer jemand da, falls Hilfe benötigt wird.» Wer will, könne seinen Kaffee trinken ohne Leistungen der Bank in Anspruch zu nehmen. Für alle anderen liegen Broschüren und Informationsmaterial auf den Tischen. Wer eine Beratung wünscht, darf entscheiden, ob diese gleich im Café oder in einem Besprechungszimmer stattfindet.

Noch viel schlimmer findet Sara Stalder allerdings, dass die Raiffeisen-Mitarbeiter am Standort Thalwil einen Barista-Kurs absolviert haben und Kunden bedienen: «Das ist ja der Gipfel! Da diskutiert das Parlament, dass die Ausbildung der Finanzfachleute verbessert werden muss und die Raiffeisenbank schickt ihre Angestellten in einen Barista-Kurs!» Damit zeige die Bank ganz deutlich, dass klare Argumente und transparente Beratung ihren Stellenwert restlos verloren hätten.    

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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